Energy 2015 – Dezentrale Energieversorgung als Alternative für Industrie und Stadtwerke
Mit dem Grünbuch »Ein Strommarkt für die Energiewende« stellt die Bundesregierung Maßnahmen zur Diskussion, die die Stromversorgung sicherer und effizienter gestalten sollen. Im Ausstellungsschwerpunkt „Dezentrale Energieversorgung“ auf der Energy stehen analog dazu dezentrale Technologien und ihre Rolle für das Energiemarkt-Design der Zukunft im Mittelpunkt.
„Vor dem Hintergrund der Diskussionen rund um das Grünbuch erwarten wir auf der Energy ein starkes Interesse an Lösungen für den Ausbau der dezentralen Energieversorgung. Diese spielen bei der Transformation der Energiesysteme eine entscheidende Rolle. Der Bereich, Dezentrale Energieversorgung ist in den vergangenen Jahren analog zum großen Interesse stark gewachsen, wobei sich insbesondere die Industrie immer mehr für die Nutzung innovativer Gesamtlösungen interessiert, um dem Kostendruck zu begegnen“, sagt Marc Siemering, Geschäftsbereichsleiter bei der Deutschen Messe AG“.
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist die hocheffiziente Erzeugung von Wärme und Strom mit Gesamtwirkungsgraden von häufig über 90 Prozent. Für Wilhelm Meinhold, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit der Sokratherm GmbH in Hiddenhausen, bieten sich erweiterte Einsatzmöglichkeiten der Blockheizkraftwerke (BHKW) für die Erzeugung industrieller Prozesswärme: „Der von unseren BHKW-Kompaktmodulen erzeugte Strom kann fast immer direkt vor Ort für die Produktion eingesetzt werden. Auf der Wärmeseite zeigt die Erfahrung, dass der Bedarf in vielen Fällen von den Standardwerten der BHKW (Heizungswasser 90/70 °C) abweicht: Einige Anwendungen erfordern ein höheres Heizwasser-Temperaturniveau beziehungsweise benötigen Wärme in Form von Dampf oder Thermoöl.“
Die industrielle Praxis hält für Meinhold vielfältige Nutzungsoptionen bereit. Bei der so genannten „Heißkühlung“ wird zum Beispiel durch eine spezielle Auslegung der Wärmetauscher ein Temperaturniveau von 95 °C erzeugt. Heißkühlung kommt vermehrt für industrielle Prozesswärme, beispielsweise in der Galvanik, zur Anwendung. Eine weitere Option erkennt Meinhold in der Erzeugung von Dampf aus der bis zu 600 °C heißen BHKW-Abgaswärme: „BHKW-Module mit aufgeladenen Gasmotoren können in Kombination mit einem nachgeschalteten Dampferzeuger neben Strom und 80 °C Wärme auch Dampf erzeugen, der beispielsweise in fleischverarbeitenden Betrieben für Brühprozesse eingesetzt werden kann.“
Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung: Lösungen für bisher ungenutzte Potenziale
Üblicherweise wird Thermoöl in gas- oder ölbefeuerten Erhitzern aufgeheizt. Bei einem auf Tiefdruck spezialisierten Druckhaus hat sich ein Konzept bewährt, bei dem das Thermoöl mit dem BHKW-Abgasstrom auf rund 190 °C erhitzt wird. Um die Gesamteffizienz des Systems weiter zu steigern, werden die Wärme des Abgasstroms und die Motorkühlwasserwärme zum Betrieb einer Absorptionskältemaschine genutzt, die daraus Kaltwasser (ca. 10 °C) erzeugt. Die Kälte kommt in den Kühlwalzen am Ende des Tiefdruckprozesses zum Einsatz. Der vom BHKW erzeugte Strom deckt mehr als die Hälfte des produktionsbedingten Strombedarfs. Durch die Einsparungen beim Strombezug, bei der Thermoöl-Erhitzung und der konventionellen Kälteerzeugung liegt die Amortisationszeit dieses Konzepts bei knapp zwei Jahren.
Vernetzung von dezentralen Anlagen zur Nutzung der Flexibilität dezentraler Strukturen
Neben hocheffizienten Technologien zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kälte rücken auf der Energy die Systemdienstleistungen für den sicheren Betrieb unserer Stromnetze immer mehr in den Fokus. Dezentrale Erzeugungsstrukturen erweisen sich mit ihrem systemimmanenten Flexibilitätspotenzial bei einer Kopplung zu virtuellen Kraftwerken als die idealen Partner für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit den Ausstellern der Bereiche Energiedienstleistungen (Contracting) sowie Energiehandel beziehungsweise Direktvermarktung von Strom bietet der Schwerpunkt »Dezentrale Energieversorgung« ein breites Informationsangebot für die Fachbesucher der Energy
Andreas Keil, Geschäftsführer der Energy2market GmbH in Leipzig, sieht in der Echtzeit-Verfügbarkeit von Anlagendaten die zentrale Grundlage für eine sichere, wirtschaftliche Nutzbarkeit von virtuellen Kraftwerken: „Um als unabhängiger Komplettanbieter von Regelenergie zugelassen zu werden, mussten wir eine hochentwickelte IT-Struktur nachweisen. So erfolgt der Dateninformationsaustausch zwischen Zentral-Server und Anlagensteuerung im Sekundentakt, was trotz großer räumlicher Distanzen zwischen den einzelnen Anlagen eine Überwachung und Steuerung des Gesamtsystems in Echtzeit ermöglicht. Unser komplexes, aber dennoch hocheffizientes IT-System erreicht die von den Netzbetreibern geforderte Verfügbarkeit von 99 Prozent – unter anderem durch sichere Verbindungen der dezentralen Anlagen mit zwei autarken Server-Zentren. Auf der anderen Seite gewährleisten hochverfügbare Standleitungen, die mit den Leitwarten der Übertragungsnetzbetreiber verbunden sind, den unterbrechungsfreien Kommunikationsbetrieb. Dank der modernen Technik dauert es im Falle eines Abrufsignals durch den Übertragungsnetzbetreiber bis zur Reaktion der einzelnen Anlagen nur wenige Sekunden. Diese Fähigkeiten machen das virtuelle Kraftwerk auch für die Industrie oder Stadtwerke interessant, die über große Erzeugungs- und Verbrauchsportfolios verfügen.“