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03.12.2014 | Schul- und KITA-Einrichtung, Soziale Stadt/PPP-Projekte, Weiterbildung

rehaKIND RoundTable zum Thema Inklusion

rehaKIND e.V. ist ein gut geeignetes Netzwerk, um die Gelingens-Bedingungen für Inklusion von Kindern mit Hilfsmittelversorgungen an Regelschulen zu formulieren. Dies war eines der Ergebnisse der Gesprächsrunde, an der Hersteller, Fachhändler und Vertreter aus Medizin, Therapie, Verwaltung und Schule teilnahmen.

Der Verein rehaKIND hat Kinder mit Behinderungen, chronischen Krankheiten und Förderbedarf im Fokus, die eine Hilfsmittelversorgung brauchen, und engagiert sich seit fast 15 Jahren für die zielorientierte und individuelle Versorgung dieser Kinder. Mit der Forderung, dass alle am Hilfsmittelprozess Beteiligten auf Augenhöhe miteinander kommunizieren müssen, gehören im Zuge der Inklusion dieser Kinder an Regelschulen die Pädagogen als Gesprächspartner mit dazu.

Aber: Pädagogen sind keine medizinischen Fachkräfte. Auch im Zuge der Inklusion sollen sie ihrem Lehrauftrag nachkommen können und sich nicht mit pflegerischen Tätigkeiten belasten. Die Angst steht den Pädagogen manchmal ins Gesicht geschrieben, wenn man sie auf die Teilhabe chronisch kranker Kinder und Kindern mit Behinderung am Regelunterricht anspricht. Nicht der Unwille, sondern die Unkenntnis über die Besonderheiten dieser Kinder und die Befürchtung, im Notfall allein mit diesen Kindern den Schulalltag bewältigen zu müssen, zeigt sich hier.

Angstabbau durch Information über unterstützende Hilfsmittel

Für rehaKIND und seine Gäste am Roundtable war deshalb klar: Die Pädagogen müssen zu dem Thema geschult werden, denn nur Information kann die Ängste abbauen. Und die personellen Strukturen an den Regelschulen müssen verändert werden. Ohne Therapeuten oder Schulschwestern und die Kompetenz der Förderschullehrer als Ergänzung, werden Regelschulen diese Kinder nicht erfolgreich inkludieren können. Gesamtschulen und Ganztagsschulen sind dieser Aufgabe eher gewachsen als die differenzierten Schulformen im Halbtagsbetrieb. Die regelmäßig notwendige Therapie für diese Kinder muss in den Schulalltag einbezogen werden – nach einem anstrengenden Schultag sind Therapien in der Nachmittags-Freizeit nicht zu schaffen.

Standardisierte Vorgaben und Vorgehensweisen, wie die Inklusion umgesetzt werden kann, fehlen zurzeit. Es gibt gute und Mut machende Beispiele, aber das Gelingen hängt noch meist vom persönlichen Engagement einzelner Pädagogen, Schulsekretärinnen und auch Hausmeister ab. Wenn dieses engagierte Personal an den Schulen fehlt, stockt der Prozess der Umsetzung.

Für diese abschließenden Erkenntnisse lieferten mehrere Referenten in ihren Vorträgen die notwendigen Informationen:

Andreas Kocks von der Universität Witten/Herdecke hat als gelernter Gesundheits- und Krankenpfleger seine Masterarbeit zum Thema „Schulische Gesundheitsvorsorge“ geschrieben und erklärt:„Laut Statistik hat jede vierte Familie in Deutschland ein chronisch krankes Kind. Den meisten sieht man ihre Erkrankung nicht an, aber sie belastet Kinder und Familien. Den Schulen fehlt jegliche medizinische Kompetenz, um im Schulalltag auf Kinder mit Skoliosen, Neurodermitis, Asthma, Herzerkrankungen, Diabetes, Übergewicht und Migräne einzugehen. Die Pädagogen haben darüber oftmals keine Information, wie mit Krankheiten und Behinderungen umzugehen ist. In Skandinavien gehört deshalb zu jeder Schule eine Schulkrankenschwester.“

Zuständigkeiten für Kostenübernahmen nicht klar

Klaus Glasmeyer und Thomas Hilsmann, als Koordinatoren und Schulleiter für Dortmunds Schulen zuständig, berichteten über den inklusiven Weg hier: Mit einer zentralen Stelle/Zuständigkeit für die Umsetzung der Inklusion soll das Kompetenzgerangel zwischen Schulaufsicht, Schulamt und Kommune abgeschafft werden. In Dortmund gibt es keine Schwerpunktschulen. Insgesamt sind 120 Sonderpädagogen fest im Team der Grundschulen beschäftigt. Zudem gibt es Spezialisten für die Bereiche Hören, Sehen, Kommunikation. In der Sekundarstufe II ist die Fortführung der inklusiven Beschulung noch nicht geklärt. In Dortmund heißt Inklusion „Gemeinsames Lernen“ und wird seit 20 Jahren an den Schulen umgesetzt.

Rechtsanwalt und Vorstand von rehaKIND, Jörg Hackstein, führte in die gesetzlichen Rahmenbedingungen ein. Eine individuelle Hilfsmittelversorgung dient dem Behinderungsausgleich und ist auch im Zuge der Inklusion verpflichtende Krankenkassenleistung. Eltern stehen aber oftmals bei der Antragsstellung zur Kostenübernahme vor der Frage der Zuständigkeit – auch die Kommunen sind unsicher. Der Gesetzgeber hat das zwar geregelt, aber in der Realität müssen viele Eltern dennoch um ihre Rechte und die Versorgung ihrer Kinder kämpfen. Hier kann rehaKIND alle Beteiligten aufklären und auch Schulen in Zweifelsfällen unterstützen.

Kompetenz aus Förderschulen muss weiterhin genutzt werden

Holger Jeppel, selbst Vater eines mehrfach behinderten Kindes und Pädagoge, aktiv im Vorstand des Bundesverbandes körper- und mehrfachbehinderter Menschen, hat sich für sein Kind für eine Förderschule entschieden. Bis sein Sohn eine Regelschule besuchen könne, müssten noch viele Voraussetzungen geschaffen werden, stellt er fest: Dauerhafte Pflege an Schulen, Therapien in den Schulen, Beratungszeiten für Fachkräfte in den Schulen einplanen, ein gutes Beratungssystem für Eltern, die ihre Ansprechpartner teilweise gar nicht kennen. Er plädiert für Schwerpunktschulen – auch Kinder mit Behinderungen bräuchten Peergroups und an Regelschulen Kontakt zu Kindern mit ähnlichen Einschränkungen. Auch das Prinzip der Schulbegleiter müsse überdacht werden. Es sei unsinnig, schlecht ausgebildete Erwachsene als 1 zu 1-Betreuung mit dem Kind in die Regelschule zu schicken und am Ende Klassen mit mehreren Erwachsenen zu haben.

rehaKIND stellte bei dieser Veranstaltung einen möglichen Weg für den Fachhandel zur weiteren Versorgung an den Regelschulen vor: Inklusion kann gelingen, wenn an den Regelschulen in den Inklusionsklassen eine verlässliche Doppelbesetzung von Regel – und Sonderpädagogen angeboten wird. Nur in einer Ganztagsschule kann außerdem Unterricht mit Therapie und Hilfsmittelversorgung verbunden werden. Fachhändler werden als Hilfsmittelversorger zu Ansprechpartner an den Regelschulen werden. Obwohl die Anzahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf steigt, besuchen noch nicht viele körperbehinderte und hilfsmittelversorgte Kinder die Regelschulen. Hier warten die Eltern ab, bis die Regelschulen diesen Kindern gute Bedingungen anbieten können. Noch sind die Förderschulen mit ihrem Ganztagsbetrieb und der kompetenten personellen Besetzung die bessere Alternative. Durch Patenschaften könnten die Versorger Regelschulen beim Aufbau zu einer inklusiven Einrichtung beraten.

Um den Prozess zu befördern, hat rehaKIND die Ansprechpartner zur Umsetzung der Inklusion an Regelschulen auf verschieden Verwaltungsebenen zusammengetragen und stellt diese Informationen ihren Mitgliedern zur Verfügung. Für die Fachhändler ist diese umfassende Information von großem Nutzen.

rehaKIND erarbeitet Handreichungen für Schulen ...

In der anschließenden Diskussion bestand Einigkeit darüber, dass Regelschulpädagogen keine Mediziner sind, gleichwohl durch Schulungen zu den Krankheitsbildern und möglichen Hilfsmitteln geschult werden müssen, um für die zu erwartenden Schüler sensibilisiert zu sein. Allerdings kann vom Fachhandel diese Aufgabe nicht ohne finanziellen Ausgleich geleistet werden. Therapeuten und SPZs sind weiterhin die Ansprechpartner bei diesen Kindern, die Pädagogen sind für diese Aufgabe oftmals noch nicht zugänglich und nehmen sich dafür keine Zeit.

An rehaKIND wurde der Wunsch formuliert, standardisierte Schulungen für Lehrer zu konzeptionieren, der Fachhandel könnte mit Musterbriefen und Angeboten an Ausstattungspaketen die Regelschulen ansprechen und informieren.

Die Fördergemeinschaft rehaKIND e.V. kann als neutrales und bundesweites Netzwerk mit Inklusionsspezialisten diese Informationen in die Schulen tragen und so zu einer gelingenden und akzeptierten Inklusion von Kindern mit Behinderungen beitragen.