BEM-Stellungnahme zum Elektromobilitätsgesetz
Elektromobilitätsgesetz: Anspruch und Wirklichkeit klaffen in Deutschland weit auseinander --- Der Entwurf greift zu kurz, die geplanten Anreize sind nicht ausreichend
Verkehrs- und Umweltministerium haben einen gemeinsamen Referentenentwurf zur Bevorrechtigung der Verwendung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen vorgelegt. Bei dem Gesetz, das 2015 in Kraft treten soll, handelt es sich um die Ermächtigungsgrundlage für Städte und Gemeinden, bestimmte Privilegien für Elektrofahrzeuge im Straßenverkehr zu gewähren. Von den Privilegien profitieren sollen rein batterieelektrische Fahrzeuge, Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge und Fahrzeuge mit Brennstoffzelle. Die Bundesregierung verspricht sich von dem Gesetz, Elektromobilität in Deutschland sichtbar zu etablieren.
"Anfang 2014 waren hierzulande laut einer Studie des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg lediglich 17.500 Elektroautos (rein batterieelektrisch, Range Extender und Plug-In-Hybride) zugelassen. Im dritten Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität wurden für das Jahr 2014 (Ende der Marktvorbereitungsphase und Beginn der Markthochlaufphase) jedoch bereits 100.000 Elektroautos angestrebt. Die Zahlen machen deutlich, dass Anspruch und Wirklichkeit in Deutschland aktuell weit auseinander klaffen", so Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität und ergänzt: "Vor diesem Hintergrund sind die im Gesetzesentwurf formulierten Anreize zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber insgesamt nicht ausreichend und zu wenig ambitioniert, um der Elektromobilität in Deutschland einen entscheidenden Schub zu verleihen. Die Maßnahmen kommen viel zu spät und hätten als ordnungsrechtlicher Rahmen bereits zu Beginn der Markthochlaufphase schon vor einigen Jahren verabschiedet werden müssen."
In der offiziellen Stellungnahme des Bundesverbands eMobilität zum Gesetzesentwurf finden sich eine Reihe kritischer Punkte. Dazu zählt u.a. auch die mögliche Nutzung der Busspuren.
"Die Öffnung der Busspuren für Elektrofahrzeuge lehnen wir ab, da dies zu Lasten des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erfolgen würde. Eine Förderung der Individualmobilität zu Ungunsten des ÖPNV stellt keine geeignete Maßnahme dar, die Bevölkerung von den Vorteilen der Elektromobilität zu überzeugen. Im schlimmsten Fall kann die Behinderung des öffentlichen Verkehrs in den kommenden Jahren durch immer mehr eAuto-Fahrer auf der Busspur sogar negative Auswirkungen für das Image der Elektromobilität haben. Entwickelt sich der Elektroauto-Markt entsprechend der Prognosen, kommt es dort künftig bald zu einem Verkehrsstau. Busspuren sollten daher auch in Zukunft lediglich dem ÖPNV vorbehalten sein. Ein viel effektiverer Ansatz wäre die sukzessive Einführung elektrischer Busse", so BEM-Vize-Präsident Christian Heep.
Die laschen Kriterien, die Plug-In Hybrid Fahrzeuge (PHEV) erfüllen müssen, um künftig in den Genuss verschiedener Privilegien zu gelangen, sind laut Bundesverband eMobilität ebenfalls kritisch zu hinterfragen.
"Selbstverständlich sollten auch PHEV in den Genuss von Privilegien kommen, jedoch nur wenn eine elektrische Mindestreichweite von 50 Kilometern und ein maximaler Emissions-Wert von 50g CO2/km erreicht wird. Diese Grenze ist bereits seit geraumer Zeit in Branchenkreisen etabliert und allgemein akzeptiert. Nur ab einer signifikanten elektrischen Reichweite, mit der ein Großteil der täglichen Fahrten tatsächlich elektrisch zurückgelegt werden kann, können PHEV als sinnvolle Brückentechnologie dienen und einen spürbaren Beitrag zur Lärm-und Abgasreduktion leisten. Bereits heute gibt es PHEV auf dem deutschen Markt, die diese Kriterien problemlos erfüllen", betont der BEM-Präsident.
"Die aufgeführten Privilegien sind sehr stark auf den Automobilbereich fokussiert, Regelungen für elektrische Zweiräder und Leichtkraftfahrzeuge zur Förderung multimodaler Verkehrsketten fehlen gänzlich", kritisiert Sigl weiter. "Eine neue, zukunftsweisende Mobilität umfasst mehr als einen Technologiewechsel vom Verbrennungs- zum Elektromotor. Elektromobilität sollte vielmehr als ein Baustein einer multimodalen Mobilitätskette verstanden werden, welche verschiedene Verkehrsträger sinnvoll miteinander verknüpft und Nutzern eine komfortable Kombinierung mehrerer Verkehrsmittel ermöglicht."
Neben der Förderung der Elektromobilität im PKW-Bereich und dem ÖPNV ist auch der Zweirad-Bereich von großer Bedeutung. Elektrische Zweiräder können das Sprungbrett für den automobilen Elektromarkt sein, die Verkehrsprobleme der Innenstädte verringern und Vertrauen in die „neue“ Technologie schaffen. Insbesondere für Berufspendler kann dies eine attraktive und klimafreundliche Alternative zum Pendeln mit dem Pkw darstellen.
"Vorausgesetzt die Politik versteht es, rechtzeitig die rechtlichen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen zu schaffen. Versicherungspflichtige elektrische Zweiräder wie eBikes, eRoller oder S-Pedelecs werden in dem Gesetzesentwurf leider überhaupt nicht berücksichtig. Auch vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge bis 45 km/h - wie etwa der Renault Twizy - bleiben unberücksichtigt. Vielmehr handelt es sich ganz wesentlich um ein reines Automobilgesetz", erklärt der BEM-Präsident und macht deutlich, dass hier noch einige Anpassungen vorgenommen werden müssen: "Aktuell wirklich bedeutsame Themen, wie etwa der Aufbau einer flächendeckenden Schnell-Ladeinfrastruktur entlang wichtiger Verkehrsachsen, der Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur für Laternenparker und eine Beschaffungsinitiative der öffentlichen Hand werden bis dato gar nicht im Gesetzesentwurf thematisiert."
Kritik übt BEM-Präsident Kurt Sigl nicht nur an den Inhalten des Gesetzesentwurfs sondern auch an der Vorgehensweise bei der Entstehung: "Es ist nicht nachvollziehbar, warum die involvierten Branchenverbände nicht bereits im Vorfeld im Rahmen konstruktiver Arbeitsgruppen in die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs mit einbezogen worden sind", betont Sigl und gibt zu verstehen, dass seitens der Ministerien wohl kein inhaltliches Feedback erwünscht war: "Den Branchenverbänden wurde zwar die Möglichkeit einer offiziellen Stellungnahme eingeräumt, der zeitliche Rahmen war mit zwei Wochen innerhalb der Urlaubszeit jedoch deutlich zu knapp bemessen. Es wird Zeit, dass die Wachstumsbranche rund um das Thema Neue Mobilität mehr Gehör erhält. Nur so lässt sich das Ziel der Bundesregierung bis 2020 noch realisieren."