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29.04.2014 | Energie, Gebäudemanagement, Stadtplanung, Versorgungsnetze

Sieben deutsche Institutionen empfehlen den Ausbau der Nah- und Fernwärme

Kommunale Wärmepläne und andere Maßnahmen könnten die energieeffiziente Wärmeversorgung voranbringen. Wärmenetze erleichtern die Nutzung von erneuerbaren Energien, energieeffizienter Kraft-Wärme-Kopplung und Abwärme in erheblichem Maße. Sie sind daher besonders geeignet, die Energiewende auch im Wärmesektor umzusetzen.

Die leitungsgebundene Wärmeversorgung für Heizung und Warmwasser wird aber nicht so häufig errichtet, wie dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll wäre - in Deutschland liegt der Fernwärmeanteil am Endenergieverbrauch der Haushalte bei rund sechs Prozent. Sieben deutsche Institutionen haben deshalb in einem Positionspapier empfohlen, rasch und entschlossen mit der Beseitigung der Hemmnisse zu beginnen und den Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen zu beschleunigen.

Als zentraler Baustein sollten kommunale Wärmepläne erarbeitet werden, so die KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Öko-Institut, dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff- Forschung Baden-Württemberg (ZSW), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, dem Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) und dem Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu).

Auch die Erstellung von Abwärmekatastern und ein Pool von Wärmenetzberatern könnten die Zubauraten bei Wärmenetzen erhöhen.

Der Ökostromausbau in Deutschland verläuft planmäßig. Die Fortschritte bei der Energieeffizienz sind jedoch noch unbefriedigend, hat Anfang April 2014 zuletzt auch die unabhängige Energiewende-Expertenkommission der Bundesregierung festgestellt. Bei der Emissionsminderung sollten sich die Anstrengungen vor allem auf den Wärmebereich konzentrieren, so die Experten.

Wärmenetze lohnen sich
Ein besonders wirksames Mittel, um den Wärmeverbrauch in Deutschland effizienter zu gestalten, sind Nah- und Fernwärmenetze. Blockheizkraftwerke (BHKW) sind oft sehr gut geeignete Wärmeerzeuger, denn sie produzieren gleichzeitig Strom und Wärme und nutzen so den Brennstoff deutlich besser als normale Heizkessel. Ihre flexiblen Erzeugungskapazitäten passen zur fluktuierenden Ökostromerzeugung. Bei hohem Windstromaufkommen kann auch eine Brücke zwischen Strom- und Wärmeversorgung geschlagen werden, etwa durch Verwendung von überschüssigem Strom in Wärmespeichern. Wärmenetze und Wärmespeicher sind zudem offen für alternative Wärme aus großer Solarthermie und geothermischer Energie. Auch industrielle Abwärme kann verwertet werden.
Die weiteren Vorteile können sich ebenfalls sehen lassen: Hausbesitzer mit einem Anschluss müssen sich nicht um ihre Heizungsanlage kümmern. Kommunen erhöhen ihre Versorgungssicherheit und halten die Wertschöpfung im Ort. Und für Versorger ist die langfristige Kundenbindung interessant.

In skandinavischen Ländern, insbesondere in Dänemark, wird diese Form der Wärmeversorgung äußerst erfolgreich praktiziert. Beim nördlichen Nachbarn sind mehr als 60 Prozent aller Gebäude an Wärmenetze angeschlossen. Geplant ist dort, die Wärmenetze weiter auszubauen, 2035 soll der Wärmebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.

Verstärkter Abbau von Hindernissen
"Warum Wärmenetze trotz dieser Vorteile nicht weiter ausgebaut werden, liegt an Vorurteilen und Hemmnissen", sagt Dr. Volker Kienzlen von der KEA, der Initiator der Analyse. "Manche Hausbesitzer bevorzugen aus Gründen der Versorgungssicherheit eine gebäudeweise Wärmeversorgung. Bei Erdgas und Heizöl begeben sie sich aber viel stärker in eine Ressourcen- und Preisabhängigkeit als das bei Wärmenetzen der Fall sein kann."

Auch die Befürchtungen über höhere Wärmepreise seien nicht gerechtfertigt.
"Mit zentralen Wärmeversorgungen können vielfach günstigere Wärmepreise angeboten werden", so Kienzlen. Auch die Kapitalbeschaffung für wirtschaftliche Projekte ist laut Untersuchung grundsätzlich kein Problem. Zudem stehen aktuell so attraktive Förderungen wie schon lange nicht mehr zur Verfügung.

Um den Ausbau der Nah- und Fernwärme voranzubringen empfehlen die Autoren eine Reihe von Maßnahmen:
Langfristig angelegte kommunale Wärmepläne seien eine wichtige Grundlage, um zu identifizieren, welche Quartiere sich für den Aufbau von Wärmenetzen anbieten. Dort könne dann in Machbarkeitsstudien geprüft werden, welche Erzeugungsoptionen wirtschaftlich darstellbar sind und wie sich Energiepreisentwicklungen, Gebäudesanierung und die Entwicklung der Anschlussdichte auswirken. Neben Wärmeplänen sei auch ein Abwärmekataster sinnvoll.
Wichtig erscheint den Verfassern auch die Einrichtung eines landes- oder bundesweiten Pools von Nahwärmeberatern, die Kommunen, Genossenschaften und Stadtwerke in einer frühen Phase der Entscheidungsfindung unterstützen sowie eine Förderberatung für potenzielle Investoren. Die Berater sollten nachweislich über Erfahrung mit der Konzeption von Wärmenetzen verfügen. Eine Finanzierung durch Bund oder Land könne sinnvoll sein.

"Um ähnliche Erfolge wie in den skandinavischen Ländern zu erreichen, ist jedoch ein langer Atem nötig", so Kienzlen. "Umso wichtiger ist es, rasch und entschlossen mit der verstärkten Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials zu beginnen. Ist das erfolgreich, werden Wärmenetze künftig in den Kommunen so selbstverständlich sein wie die Abwasserleitungen."