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14.11.2013 | Gebäudemanagement

Gesamte Gebäudehülle im Fokus --- Dreifach-Isolierglas oder mehr?

Bieten heutige Dreifach-Isoliergläser das technische Optimum oder ist der nächste Schritt die flächendeckende Einführung von Vierfach-Isoliergläsern, um noch mehr Energie sparen zu können?

Andreas Bittis, Objektberater der Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH, plädiert nicht nur für eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Gebäudehülle, sondern auch dafür, nicht den niedrigsten technisch noch machbaren U-Wert anzustreben, sondern die energetisch, ökologisch und wirtschaftlich sinnvollste - und damit nachhaltigste - Lösung zu ermitteln.

Energie sparen mit Glas ist und bleibt ein spannendes Thema. War der dreischeibige Aufbau vor fünf Jahren noch ein Nischenprodukt, prognostizierte Jochen Grönegräs bereits für 2010 einen Marktanteil von 40 %. Heute sind wir bei rund 60 % angelangt, Tendenz steigend. Dreifach-Verglasungen sind somit der Standard. Damit ist genau der Effekt eingetreten, den die Verschärfung der EnEV seinerzeit bewirken wollte. Energieeffizientere Gebäudehüllen tragen erheblich dazu bei, Energie zu sparen und den CO2-Ausstoß zu senken.

Parallel zur stärkeren Marktdurchdringung der Dreifach-Verglasung fand eine stetige Verbesserung bei den Sonnen- und Wärmeschutzgläsern statt. Heute sind wir mit Ug-Werten von 0,4 W/m²K an einem, auch bauphysikalischen, Grenzpunkt angelangt, an dem wir uns fragen sollten, wie viel Herstellungsaufwand rechtfertigt eine weitere Stelle hinter dem Komma: eine Frage ganzheitlicher Lebenszyklusbilanzierung. Energieeinsparung beginnt ja nicht erst dann, wenn der Nutzer das fertige Gebäude bezieht, sondern schon beim Herstellungsprozess der einzelnen Bauteile und seiner Komponenten. So gibt es neben der einfachen "Aufdickung" vom Zweifach- zum Dreifach-Glas mindestens zwei Komponenten bei der Isolierverglasung, mit denen eine bessere Dämmung der Gebäudehülle mit vergleichsweise geringem Aufwand erreicht werden kann: Die erste Komponente ist der sogenannte Isolierglas-Abstandhalter, die so genannte Warme Kante. Er leistet einen wesentlichen Beitrag, bessere Wärmedurchgangskoeffizienten von Fenstern (Uw) und Fassaden (Ucw) zu erreichen.
So hat das kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekt des Bundesverbandes Flachglas "Äquivalente Wärmeleitfähigkeit Warme Kante" ergeben, dass für eine vergleichbare Verbesserung dieser U-Werte an anderer Stelle erheblich mehr Aufwand betrieben werden muss, zum Beispiel bei Rahmen- oder Fassadenprofilen.

Die aktualisierten Datenblätter des BF "Psi-Werte Fenster" erleichtern es wesentlich, die Uw-Werte von Fenstern mit Warme Kante zu ermitteln. Kurz: Werden bei Dreifach-Isoliergläsern künftig qualitativ hochwertige Warme Kante-Abstandhalter wie der Swisspacer von Saint-Gobain standardmäßig verwendet, ergeben sich allein dadurch weitere Verbesserungen in der Dämmungsleistung.

Die zweite Komponente betrifft die Fensteranschlüsse in energetisch optimierten Gebäudehüllen. Durch die besser gedämmten Außenwände ist es ebenso erforderlich, wärmetechnisch optimierte Lösungen bei Fensteranschlüssen anzuwenden. Die DIN 4108-2 formuliert die Mindestanforderungen an den Wärmeschutz im Bereich von Wärmebrücken. Denn eine niedrige raumseitige Oberflächentemperatur kann das Wohnklima beeinträchtigen und zu Tauwasser und Schimmelbildung führen. Hier arbeiten Saint-Gobain Unternehmen wie Saint-Gobain Glass, Isover und Weber mit weiteren Partnern aus der Industrie gemeinsam an Systemlösungen.

Ganzheitliche Betrachtungsweise
An den oben skizzierten "energetischen Stellschrauben" - von der Schichtenentwicklung über die Isolierglasproduktion bis hin zu den Fassadenanschlüssen - lässt sich erkennen, welche Parameter die Gesamtperformance der gläsernen Gebäudehülle beeinflussen. Natürlich geht allen technischen Lösungen eine detaillierte und intensive Auseinandersetzung aller am Projekt Beteiligten - Planer, Verarbeiter, Bauherren und uns, der Industrie - voraus. Bauphysik und Baukosten sind somit zwei Seiten ein und derselben Medaille: Einfach "nur dämmen" greift zu kurz. Denn: Der bauliche Wärmeschutz - ausgedrückt durch den U-Wert - folgt einem mathematisch-physikalischen Gesetz: Mit immer mehr zusätzlichem Aufwand für die Dämmung wird immer weniger Nutzen in Form von eingesparter Heizenergie erzielt.

Dies kann leicht rechnerisch nachvollzogen werden: In einer mathematischen Darstellung folgen U-Werte einer Hyperbelfunktion. Das bedeutet, dass im steilen Ast der Hyperbel - d. h. bei schlechten, also hohen U-Werten - mit wenig Dämmaufwand eine große Verbesserung der Wärmedämmung erreicht werden kann, während bei bereits guten, also niedrigen U-Werten zusätzliche Dämmung nur einen sehr geringen Zusatznutzen bewirkt. Vereinfacht ausgedrückt: Mit immer mehr Aufwand, sprich: Dämmung, wird immer weniger Nutzen, sprich: eingesparte Heizenergie, erreicht.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bauliche Wärmedämm-Maßnahmen schon funktionell dort an ihre Grenzen stoßen, wo Wärmeverluste aufgrund von transparenten Teilen wie Fenstern nicht mehr durch eine Verbesserung der nichttransparenten Teile wie Kellerdecke, Dach oder Außenwände ausgeglichen werden können. Denn je niedriger der mittlere U-Wert des Gebäudes sein soll, desto bedeutender werden die U-Werte der transparenten Teile und ihr flächenmäßiger Anteil.

Zielsetzung eines effizienten baulichen Wärmeschutzes muss es daher sein, nicht den niedrigsten technisch noch machbaren U-Wert anzustreben, sondern die energetisch, ökologisch und wirtschaftlich sinnvollste - und damit nachhaltigste - Lösung zu ermitteln. Grundlage einer solchen Ermittlung ist stets das Gegenüberstellen des Nutzens zum Aufwand, heißt: niedriger Energiebedarf zur zusätzlichen Dämmung.

Forschungsprojekte wie jene zur "Adaptivität" von Prof. Werner Sobek an der Universität Stuttgart (u.a. mit Dünnglas) oder zum "Fenster der Zukunft für Null-Energie-Gebäude" von Prof. Franz Feldmeier an der FH Rosenheim (Vierfach-Isolierglas) sind in diesem Zusammenhang äußerst spannend und allemal notwendig im Hinblick auf das Schärfen der ganzheitlichen Betrachtungsweise. Multifunktionale Gebäudehüllen sind das jetzt anstehende Thema. Da gibt es noch viel zu tun - und mit Dreifach-Isoliergläsern haben wir gute Voraussetzungen für weitere Verbesserungen.

Autor:
Andreas Bittis
Objektberater der Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH