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13.11.2013 | Beschaffungspraxis, Veranstaltungen und Wettbewerbe

BME: Die Märkte bleiben unberechenbar

Eine langsam wieder auf Touren kommende Weltwirtschaft, sinkende Rohstoffpreise sowie erste Erholungstendenzen in der Industrie der Eurozone lassen die Beschaffungsabteilungen in den Unternehmen optimistisch ins neue Jahr blicken.

Es gilt, Chancen zu gestalten und zugleich gegenwärtige und zukünftige Risiken im Blick zu behalten. 2.200 Einkaufsmanager diskutieren noch bis zum 15. November auf dem 48. BME-Symposium Einkauf und Logistik in Berlin über Anforderungen und Potenziale in der Beschaffung.

Horst Wiedmann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), warnte vor der Presse allerdings davor, das derzeit vermeintlich ruhige Fahrwasser zu unterschätzen: "Die Märkte sind unberechenbar und sie werden die deutsche Wirtschaft auch in der kommenden Dekade weiter beschäftigen."
Wer unvorbereitet erst in der Krise reagiere, handele fahrlässig. "Naturkatastrophen, politische Unruhen, Rohstoffengpässe und Währungsschwankungen werden weltweit zunehmen und somit negativ auf die Lieferketten der Unternehmen einwirken", so Wiedmann.

Um jederzeit die gesamte Supply Chain mit allen Risiken im Blick zu behalten, sei es unerlässlich, sich täglich mit Börsenkursen, Preisprognosen, Marktanalysen und anderen Wirtschaftsdaten sowie mit finanziellen Absicherungselementen (etwa Hedging) auseinanderzusetzen.

Wiedmann: "Ein professionelles Tool zur Marktbeobachtung ist beispielsweise der monatlich erscheinende Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI), den Einkäufer, Geschäftsführer und übrigens auch Marketingfachleute nutzen sollten."

Einkäufer müssten heute weitreichende Expertise in Sachen Märkte, Preise, Abhängigkeiten und Auswirkungen vorweisen. Andernfalls seien sie keine adäquaten Partner bei wichtigen Entscheidungen des Unternehmens, beispielsweise bei der Standortwahl von Produktionsstätten. Wiedmann forderte die Unternehmen auf, mehr marktwirtschaftliches Zusatzwissen zu generieren und die Mitarbeiter laufend entsprechend der steigenden Anforderungen zu qualifizieren, um im Wettbewerb mithalten zu können.

Wiedmann: "In vielen Unternehmen ist das Verständnis über das neue Anforderungsprofil an Einkäufer längst noch nicht hinreichend verankert." Der Blick über den Tellerrand hinaus und die Transparenz über Prozesse fehlten vielfach. "Wir wissen aus unseren BME-Benchmark-Vergleichen, dass so mancher Konzern im Vergleich mit größeren KMU schlechtere Preise verhandelt. Kennzahlen in Sachen Qualität, Struktur, Prozesse und Kosten sollten eigentlich für Einkäufer zum Tagesgeschäft gehören", betonte Wiedmann.

Erst Vergleiche mit Anderen machten einen verlässlichen Überblick über die eigene Performance möglich. "Wir sind sehr verwundert darüber, dass in den Unternehmen noch so viel Unwissenheit besteht, hier wird wertvolles Potenzial verschenkt", unterstrich der BME-Vorstandsvorsitzende abschließend.

Thesen/Trends

Hohe Marktrisiken trotz sinkender Rohstoffpreise
Trotz zuletzt sinkender Notierungen an den Rohstoffmärkten bestehen weiterhin zahlreiche Preis- und Lieferrisiken. So führt beispielsweise der spekulationsgetriebene Handel von Finanzinvestoren wie Investmentbanken und Hedgefonds zu wachsender Preisvolatilität. Firmen, die selbst aktiv Rohstoffe abbauen, kämpfen mit höheren Investmentkosten und steigenden Umweltauflagen in den Förderländern. Zudem sind viele wichtige Lagerstätten häufig in politisch instabilen Regionen konzentriert.
Und: Die verpflichtende Sicherstellung von Herkunftsnachweisen für sogenannte Konfliktmineralien betrifft auch deutsche Unternehmen. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer entsprechenden Regelung, die bis Ende 2013 vorliegen soll. Als Blaupause dient der US-amerikanische Dodd-Frank-Act. Mit diesem Gesetz soll der Einsatz von Konfliktmineralien wie Gold, Zinn, Tantal- und Wolframerz verhindert werden, die eine wesentliche Finanzressource von Rebellen in Zentralafrika darstellen. Von Entwarnung an den Rohstoffmärkten kann deshalb keine Rede sein.

BME-Vorstandsvorsitzender Horst Wiedmann: "Wir empfehlen unseren Einkäufern, das Rohstoffthema langfristig im Blick zu behalten - und nicht nur dann, wenn es um den Hype der Seltenen Erden geht. Hiesige Unternehmen sollten die derzeit moderaten Rohstoffpreise dazu nutzen, in lukrative Rohstoffprojekte zu investieren oder sich im Rahmen von Einkaufsgemeinschaften daran zu beteiligen."

Neustrukturierung der Lieferantenstruktur
Die Reduzierung des Lieferantenportfolios, die gezielte Steuerung von Vergaben und die Bündelung von Volumen haben sich viele Unternehmen auf die Fahnen geschrieben. Horst Wiedmann: "Das bedeutet zugleich: Zulieferer werden in vielen Unternehmen einen höheren Wertbeitrag zu leisten haben, wenn sie am Wachstum ihrer Kunden partizipieren wollen."

Potenzialhebung durch Kennzahlen und Benchmarking
Voraussetzung für belastbare Entscheidungen im Unternehmen ist Transparenz über verhandelte Preise, Prozesse und Kennzahlen. Viele Einkaufsorganisationen wissen nicht, wo sie stehen und wie sie sich verbessern können. Der aktuelle BME-Benchmark-Report hat ergeben, dass ein nicht unerheblicher Teil des Gesamtbeschaffungsvolumens noch immer "unsystematisch" beschafft wird, das gilt insbesondere für das Produzierende Gewerbe, wo nicht selten die Betriebsleitung Entscheidungen über bevorstehende Anschaffungen fällt. Hier werden noch große Potenziale verschenkt.

Weitere Erkenntnis: Der Einkauf ist zwar bei gut zwei Drittel des Beschaffungsvolumens rechtzeitig eingebunden, in der ganz frühen Phase der Bedarfsentstehung aber nur bei ca. 45 Prozent. Das heißt, dass er beim Rest des Spends lediglich für Vertragsgestaltung und Bestellauslösung verantwortlich ist. Auch hier liegt noch enormes Potenzial brach, wenn man bedenkt, dass sich bei frühzeitiger Einbindung des Einkaufs in die Beschaffungsvorgänge im Schnitt 6 Prozent einsparen lassen.

Internationalisierung
Viele Unternehmen forcieren ihre weltweiten Geschäftsaktivitäten. Beim Global Sourcing geht es längst nicht mehr nur um die niedrigsten Preise. Die Firmen setzen auf wachsende Absatzmärkte im Ausland. Für ihre Produktionsstätten oder Vertriebseinheiten wird darum zunehmend am jeweiligen Auslandsstandort selbst beschafft - in manchen Fällen sind 100 Prozent angestrebt (local for local). Zum einen, um die Kunden zeitnah bedienen zu können, und zum anderen, um hohen Transportkosten, volatilen Wechselkursen, Rechtsrisiken und der Zoll- und Ausfuhrproblematik zu begegnen.

China ist nach wie vor im Fokus vor allem größerer Unternehmen mit hohen Bedarfen. Sie sondieren zunehmend neue Regionen wie den Westen und Norden der Volksrepublik, um hier mittelfristig Kostenvorteile realisieren zu können, die sich in den entwickelten östlichen und südlichen Industriezonen nicht mehr erzielen lassen. Europäische Zulieferer folgen den Spuren der OEMs, um weiterhin als Lieferpartner im Boot zu blieben. Das gilt insbesondere für den Bereich Automotive.

Der BME unterstützt Einkäufer bei ihren Auslandsaktivitäten. Gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftministerium, dem Auswärtigen Amt, dem Bundeskanzleramt und den Auslandshandelskammern werden die Bereiche Beschaffung und Absatz zusammengebracht.

Partnerland des 48. BME-Symposiums Einkauf und Logistik ist Spanien. Der spanische Botschafter Pablo García-Berdoy hat sein Land am 12.11.2013 einem Kreis von Vorständen, Geschäftsführern und Einkaufsleitern aus BME-Mitgliedsunternehmen vorgestellt.
Am Freitag (15.11.2013) kommt es zu Gesprächen mit dem portugiesischen Wirtschaftsminister António Pires de Lima, um BME-Aktivitäten für 2014 zu sondieren.

www.bme.de