Preis Soziale Stadt 2012 in Berlin vergeben - Soziales Engagement in den Stadtquartieren vor dem Aus?
Bei der Preisverleihung zum Wettbewerb "Preis Soziale Stadt 2012" wurden heute in Berlin zehn herausragende Beispiele sozialen Engagements zur Verbesserung von Nachbarschaften mit einem Preis und zehn weitere Initiativen mit einer Anerkennung ausgezeichnet.
Die prämierten Projekte beschäftigen sich unter anderem mit der Förderung von Integration, dem Zusammenhalt durch Stärkung der lokalen Ökonomie, Bildung und Kultur, der direkten Hilfe für benachteiligte Menschen im Quartier sowie dem Miteinander verschiedener Eigentümer in einem Stadtteil.
Der seit dem Jahr 2000 alle zwei Jahre ausgelobte Wettbewerb hat auch in diesem Jahr mit 171 eingereichten Projekten ein großes bundesweites Echo gefunden.
"Eine positive und stabile Entwicklung von Städten in der Zukunft setzt eine bürgerorientierte und integrative Stadtentwicklung voraus. Bürger und Bürgerinnen müssen dazu als gestaltende Akteure gewonnen werden. Alle eingereichten Projekte zum Preis Soziale Stadt 2012 beweisen das Vorhandensein eines bedeutsamen Gestaltungspotenzials", erklärte Dr. Peter Kurz, Verbandsratsvorsitzender vhw e.V. und Oberbürgermeister der Stadt Mannheim stellvertretend für alle Auslober.
"Wir freuen uns sehr über die breite Beteiligung, die ein deutliches Zeichen dafür ist, dass sich die Zivilgesellschaft auch weiterhin für den sozialen Zusammenhalt einsetzt und die Gefährdung des sozialen Friedens in den Stadtquartieren nicht widerspruchslos hinnimmt", ergänzte Axel Gedaschko, Präsident des Mitauslobers GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen.
Unterstützt wird der Wettbewerb durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS).
"Die Vielfalt der eingereichten Projekte zeugt von großem Engagement und bemerkenswerter Kreativität vor Ort. Der Preis Soziale Stadt bietet Gelegenheit, diesen persönlichen und häufig ehrenamtlichen Einsatz anzuerkennen. Mit diesem Engagement vor Ort gelingt es, genau dort anzusetzen, wo die Probleme am größten sind. Es ist uns deshalb ein Anliegen, möglichst viele Partner für den Einsatz im Quartier zu gewinnen, dazu gehört auch unternehmerisches soziales Engagement", sagte Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
"Die ausgezeichneten Projekte belegen eindrucksvoll, welch großen Nutzen der strategische Ansatz des Programms 'Soziale Stadt' stiftet, baulich-investive und soziale Maßnahmen miteinander zu verknüpfen", erklärte Gedaschko auf der Pressekonferenz zur Preisverleihung. "Sie zeigen, wie dem sozialen Auseinanderdriften der Lebenslagen der Menschen und der damit einhergehenden sozialen Entmischung und krisenhaften Entwicklung ganzer Wohnquartiere begegnet werden kann."
"Die großen Herausforderungen des klimagerechten Stadtumbaus können nur dann sozialverträglich gestaltet und ganze Stadtquartiere nur dann energetisch saniert werden, wenn die dort lebenden Menschen beteiligt werden und sie die Erneuerung tatkräftig unterstützen. Für die Motivation der Menschen und lokalen Initiativen zum Mitmachen ist das Programm Soziale Stadt wie kein anderes geeignet und notwendig", ergänzte Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes.
Der Wettbewerb ist eine Gemeinschaftsinitiative unterschiedlicher Einrichtungen. Träger sind der AWO Bundesverband, der Deutsche Städtetag, der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Deutsche Mieterbund, die Schader-Stiftung und der vhw Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung. Er wird unterstützt durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS).
Überblick über die Preisträger:
Miteinander verschiedener Eigentümer im Quartier
• In der Lutherstadt Wittenberg hat sich die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WIWOG mit der Wohnungsgenossenschaft zusammengetan, um eine Wohnsiedlung der 1960er Jahre nicht nur baulich umzugestalten, sondern durch den gemeinsamen Betrieb eines Quartierszentrums den nachbarschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Bei allen Aktivitäten gilt das Prinzip, dass Senioren, junge Eltern und Kinder ihre Projekte gemeinsam durchführen, nach dem Motto "Alt werden und neu starten".
• Die Wohntheke in Berlin - Hellersdorf ist ein Zusammenschluss von acht Wohnungsunternehmen, die - obwohl in Konkurrenz zueinander stehend - seit mehr als 12 Jahren gemeinsame Initiativen starten, um die Attraktivität und das Image der mit 42.000 Wohnungen zweitgrößten Wohnstadt Deutschlands zu stärken.
Die Themen sind vielfältig: vom gemeinsamen Wohnstandortmarketing über die wohnungsnahe Versorgung und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen bis hin zur Organisation von Sportfesten und anderen Stadtteil-Events.
Hilfe im Quartier
• Mit der Vermietung eines modernisierten Wohngebäudes an den katholischen caritativen Fachverband für Prävention und Rehabilitation leistet die Landes-Bau-Genossenschaft Württemberg eG in Sigmaringen einen entscheidenden Beitrag, Wohnungslosen eine neue Lebensperspektive zu bieten. Hilfsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen nach dem Leitbild "Wieder selbständig wohnen - von der Obdachlosigkeit in ein geregeltes Leben" helfen den Betroffenen, sich im Alltag zu organisieren und wieder zurück ins eigene Leben zu finden.
• Das Gemeinschaftsprojekt für Alleinerziehende "Jule" vernetzt in Berlin - Marzahn die Bereitstellung von Wohnungen mit Kinderbetreuung, Qualifizierung und Arbeit. Es richtet sich an junge alleinerziehende Mütter und Väter im Alter zwischen 18 und 27 Jahren, die bisher aufgrund von Arbeitslosigkeit, fehlenden Schul- oder Ausbildungsabschlüssen und der besonderen Belastung aus Kindererziehung und beruflicher Qualifizierung von Sozialleistungen leben. Das Projekt wurde initiiert von dem kommunalen Wohnungsunternehmen degewo.
Zusammenhalt durch Stärkung der lokalen Ökonomie, Bildung und Kultur
• Die OstWerkStadt zielt mit der Konzeption "Standort stärken - Unternehmen entwickeln - Beschäftigung schaffen" im strukturschwachen Leipziger Osten darauf, die lokale Ökonomie im Stadtgebiet zielgenau und bedarfsorientiert zu fördern. Mit einem integrierten Ansatz ist es gelungen, Unternehmen und Arbeitsuchende zu beraten und zueinander zu führen. Schritte zur Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt wurden initiiert und begleitet. Die geschaffenen Beschäftigungsmöglichkeiten wirken als 'Integrationsmotor'. Damit wurde der Stadtteil stabilisiert und die Quartiersentwicklung positiv beeinflusst.
• Jugendliche der Schülerfirma "Veddelerleben" der Stadtteilschule in Hamburg - Wilhelmsburg betreiben eine Sporthalle in Eigenregie. Können 13- bis 14-Jährige ein Unternehmen leiten? - Wie kann das gelingen? Ein langfristig angelegtes Kooperationsprojekt von Schule, Wohnungsunternehmen und Stadtteilverein ermöglicht dieses besondere Ausbildungsprojekt.
• Der Circus Projekt Waldoni e.V. hat ein ehemaliges Bundeswehr-Areal in Erbpacht erworben, um dort seine gewaltpräventiv und gesundheitsorientiert ausgerichtete offene Kinder- und Jugendarbeit zu erweitern. Und zwar in enger Kooperation mit den Schulen aus dem benachbarten Stadtteil Eberstadt, dem in Darmstadt wesentliche Integrationsaufgaben zufallen. Für die vielfältigen, erlebnispädagogischen Angebote stehen u. a. eine Trainingshalle, ein Kunstwerkhaus, ein Sozialbetreuungshaus, eine Kindertagesstätte, eine Fitnessbude, ein Café, eine Bildhauerwerkstatt und ein Zirkuszelt zur Verfügung. Förderung der Integration
• In Köln unterstützt das durch die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, die Kölner Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung gemeinsam entwickelte Handlungskonzept "Lebenswerte Veedel - Bürger- und Sozialraumorientierung" die Nachbarschaften in 11 Gebieten. Insbesondere wird die Teilhabe von benachteiligten Bevölkerungsgruppen gefördert. Themenfelder sind: Kinder, Jugend und Familie, Soziales, Gesundheit, Bildung, Wohnen, Sport, Kultur, Wirtschaft und Arbeit, Gemeinwesen und Politik. Seit 2006 wurden ca. 1.000 Projekte und Maßnahmen durchgeführt.
• Im Stralsunder Wohngebiet Grünhufe sind Kommune, Kirche und Diakonie eine Partnerschaft eingegangen, um eine diakonische Kirche als Nachbarschaftszentrum zukunftsfähig zu machen. Das Zentrum in der ehemaligen Auferstehungskirche, dem letzten Kirchenneubau in der in der DDR, realisiert als Referenzstandort der Bundesplattform "Kirche findet Stadt" beispielhaft den Leitgedanken, die Kirche als zivilgesellschaftlichen Akteur in Netzwerke der Stadtentwicklung einzubinden.
• Selbsthilfe und Selbstorganisation, Beteiligung und Vernetzung werden durch die "Sozialistische Selbsthilfe Mülheim e.V." in Köln schon seit 1979 erfolgreich praktiziert. Die Akteure sind als Selbsthilfebetrieb zur Integration sozial benachteiligter und ausgegrenzter Menschen tätig. Der Lebensunterhalt der Gruppe wird durch Dienstleistungen am ersten Arbeitsmarkt in Form von Wohnungsauflösungen, Umzugshilfen, Transporten, Second- Hand-Handel und Raumvermietung ohne staatliche Zuschüsse und Transferleistungen erwirtschaftet.
Zehn weitere Initiativen wurden mit einer Anerkennung ausgezeichnet:
• Mit der Zukunftswerkstatt Mehringplatz stärkt die Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG im Bündnis mit anderen Partnern das bürgerschaftliche Engagement in Berlin-Kreuzberg.
• Der KNIF - Knoten interkultureller Familienbildung organisiert Hilfen für junge Familien mit Migrationshintergrund im Bahnhofsviertel in Hof.
• Die Wohnungsgenossenschaft München West hat mit Hilfe des Vereins "Generationengerechtes Wohnen" sieben Nachbarschaftstreffs eingerichtet.
• Die Nürnberger "Stadtteilpatenschaft" ist ein innovatives Modell der Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen mit der Kommune zugunsten ausgewählter Stadtteile.
• Mit einem Kindertreff hat die Lübbenauer kommunale Wohnungsbaugesellschaft in einem industriell errichteten Wohngebiet vielfältige Betreuungsangebote geschaffen.
• Die "Helfenden Hände am Berg" bieten haushaltsnahe Dienstleistungen für Migranten von Migranten in Marburg Richtsberg an.
• Durch den originellen Umbau eines ehemaligen Transformatorenhauses ist in Bischofsheim ein Vereins- und Quartierszentrum entstanden.
• 36 Kommunen haben sich freiwillig im Städtenetz Soziale Stadt NRW zusammengeschlossen, um die Interkommunale Zusammenarbeit systematisch zu gestalten.
• Ehrenamtlich engagierte Anwohner und Mieter haben sich in der "Stadtteilinitiative gegen Wohnmissstände" in Münster, Wohnquartier Brüningheide zusammengeschlossen.
• Mit der Qualifizierungsküche ist im Altländer Viertel in Stade ein neuer lokaler Wirtschaftsstandort als "kulinarisch-kommunikativer Verbinder" entstanden.