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14.02.2013 | Stadtplanung

Wirtschaftsflächen der Zukunft: Urbane Standorte statt "grüner Wiese"

Immer mehr Unternehmen verabschieden sich vom Konzept der "grünen Wiese" und suchen nach neuen, urbanen Quartieren. Das ist das Ergebnis einer Fachtagung in Heidelberg.

Mehr als 150 Experten aus kommunaler Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten darüber, welche besonderen Anforderungen wissensbasierte und forschungsintensive Unternehmen an neue Wirtschaftsstandorte haben.
Gemeinsame Veranstalter der Tagung waren das Deutsche Institut für Urbanistik (DIfU) und die Stadt Heidelberg.

Neben dem reinen Flächenbedarf achten Unternehmen verstärkt auf das Image und die Infrastruktur der Standorte. Immer mehr Firmen suchen gezielt nach Ansiedlungsmöglichkeiten in räumlicher Nähe zu Forschungseinrichtungen, Kunden, Zulieferern und Kooperationspartnern. Besonders gefragt sind Wirtschaftsstandorte, andenen sich Arbeiten, Wohnen und Leben verbinden lässt. Dieser Trend zeigt sich auch in Heidelbergs neuem Stadtteil Bahnstadt. Auf dem ehemaligen Gelände des Heidelberger Güter- und Rangierbahnhof entsteht zurzeit ein Quartier, in dem 12.000 Menschen leben, arbeiten und ausgehen.

In Heidelberg gibt es besonders viele wissensintensive Unternehmen. Hier lässt sich der Trend zu urbanen Standorten schon heute beobachten. Im Vergleich zu anderen Städten sieht Daniel Zwicker-Schwarm vom Deutschen Institut für Urbanistik Vorteile für den Wirtschaftsstandort Heidelberg: "Mit der Bahnstadt und den frei werdenden Flächen der US-Armee bietet sich hier die Chance, wissensbasierte Wirtschaft und urbane Qualitäten miteinander zu verbinden und damit neue Technologiefelder wie die Organische Elektronik zu fördern."

In einem gemeinsam entwickelten Wirtschaftsflächenkonzept für die Stadt Heidelberg zeigen die Gutachter des Deutschen Instituts für Urbanistik und die CIMA Beratung + Management GmbH in Leipzig jetzt auf, worauf bei der Entwicklung neuer Flächen geachtet werden sollte.
In ihrer Studie empfehlen die Gutachter eine Fortsetzung nachhaltiger Flächenentwicklung und eine Stärkung von urbaneren Standorten. Weiterhin solle Heidelberg seine Gewerbeparks aufwerten und auf flächenintensive Betriebe mit wenigen Beschäftigten verzichten. Wichtig bleiben dabei aber - auch wenn der Trend hin zu urbanen Standorten gehe - stets die Bedürfnisse der jeweiligen Unternehmen: "Es wird auch weiter Gewerbegebiete geben, Industrie muss manchmal auch laut sein dürfen", so Zwicker-Schwarm.

Letztlich könne man nur eine Standortbestimmung vornehmen und Handlungsempfehlungen geben, bauliche Entscheidungen treffe dann die Stadt selbst, erklärt Uwe Mantik von der CIMA Beratung + Management GmbH.

Heidelbergs Wirtschaft wächst weiter
Die wirtschaftliche Prognose für den Standort Heidelberg ist sehr gut: In den kommenden Jahren rechnen CIMA und DIfU in ihrer Studie mit einem Zuwachs von rund 6.200 Beschäftigten im Bereich wissensintensiver Dienstleistungen und Forschung. Aktuell arbeiten bereits 83 Prozent der Beschäftigten in Heidelberg im Dienstleistungssektor.
Die positive Wirtschaftsentwicklung bleibt aber nicht ohne Folgen: In Heidelberg gibt es bereits seit Jahren nur wenige freie Flächen für gewerbliche Nutzung. 2012 verfügte die Stadt nur noch über rund 22 Hektar sofort verfügbare Fläche - ein historisch niedriges Niveau war erreicht, so die Experten der CIMA und des Deutschen Instituts für Urbanistik. Wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung Heidelbergs in den kommenden Jahren fortsetzt, zeichnet sich bis zum Jahr 2025 ein zusätzlicher Bedarf an Wirtschaftsflächen von mehr als 70 Hektar ab.
Schon heute kann die Stadt Heidelberg laut eigenen Angaben viele Anfragen nicht bedienen. Durch den Mangel an freien, geeigneten Wirtschaftsflächen sind Stadtplaner, Politiker und Wirtschaftsförderer darauf angewiesen, besonders auf die Qualität der Unternehmen zu achten. Ansiedeln sollen sich vor allem Unternehmen, "die wenig Fläche brauchen, dabei aber eine hohe Arbeitsplatzdichte aufweisen", sagt Ulrich Jonas, Leiter der städtischen Wirtschaftsförderung.

Die Heidelberger Bahnstadt:
Eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands
Wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt entsteht ein neues Wissensquartier: die Heidelberger Bahnstadt. Das Besondere: Der Stadtteil umfasst Wissenschaft und Wirtschaft genauso wie Wohnraum und Kultur. 12.000 Menschen werden hier künftig leben, forschen und ausgehen. Herz des Quartiers ist der Campus, Forschungsinstitute und wissensintensive Unternehmen. Dazu entstehen Wohnquartiere, Geschäfte, zwei städtische Kitas, eine Grundschule, Spielplätze, Grünanlagen, eine Kulturhalle und ein Kino. Die Bahnstadt bietet damit eine Mischung, wie sie sich seit Jahrhunderten in den Altstädten europäischer Universitätsstädten bewährt.
In den vergangenen Jahrzehnten dagegen war die Stadtentwicklung in eine andere Richtung gegangen. Die Funktionen wurden getrennt in Wohnsiedlungen, Gewerbegebiete und Freizeitanlagen.

"Wir dachten daran, dass wir hier einen der dynamischsten und aktivsten Orte für wissenschaftliche Zusammenarbeit in ganz Europa schaffen können, ein Hotspot für Entdeckungen und Innovation", erklärt Dr. Henry Jarecki. Der amerikanische Unternehmer ist seit vielen Jahrzehnten Heidelberg freundschaftlich verbunden und hat über die Max-Jarecki-Stiftung 60 Millionen Euro für den Bau der SkyLabs zur Verfügung gestellt.
SkyLabs bietet 19.000 Quadratmeter an Büros und Laborflächen für Unternehmen und Institutionen aus dem Bereich der Lebenswissenschaften. Rund zwei Milliarden Euro, so Schätzungen, werden in den neuen Stadtteil investiert. Partner der Stadt ist die Entwicklungsgesellschaft Heidelberg (EGH), die einen Großteil der Flächen entwickelt und vermarktet. Mit 116 Hektar ist das Areal größer als Heidelbergs Altstadt.

"Das Konzept der Bahnstadt geht vollauf", freut sich Heidelbergs Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner. "Wir setzen mit der Bahnstadt auf eine nachhaltige Stadtentwicklung, in puncto Wissensquartier genauso wie beim Klimaschutz oder der Familienfreundlichkeit. Das wird ganz offensichtlich honoriert: Die Entwicklung liegt zwei Jahre vor Plan."