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08.10.2012 | Allgemeine Meldungen, Beschaffungspraxis

EMI: Deutsche Industrie kann Talfahrt vorerst stoppen

Die deutsche Industrie hat ihren Abwärtstrend im September deutlich verlangsamt. Damit scheint die wirtschaftliche Talfahrt vorerst gestoppt. Das zeigt der saisonbereinigte Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI), der sich gegenüber August um 2,7 Punkte auf 47,4 verbesserte und gleichzeitig den höchsten Wert seit März dieses Jahres erreichte.

Dennoch liegt der wichtige Konjunktur-Frühindikator nun schon den siebten Monat in Folge unter der magischen Grenze von 50, ab der Wachstum signalisiert wird. Der jüngste Anstieg des EMI ergab sich hauptsächlich aus dem verlangsamten Rückgang von Auftragseingang und Produktion sowie der Stabilisierung des Beschäftigungsniveaus. Der aktuelle Produktionsabbau war nur noch moderat und gleichzeitig der niedrigste seit April 2012.

"Die jüngsten EMI-Daten deuten darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft schon bald wieder Fahrt aufnehmen könnte. Allerdings bestehen die Risiken für einen Abschwung fort", betonte Dr. Holger Hildebrandt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), in Frankfurt.
So zeigten die erstmals seit drei Monaten wieder anziehenden Einkaufspreise, dass der Kostendruck nach einer kurzen Erholungsphase im Sommer zurückgekehrt sei.

"Der aktuelle EMI ist einer der ersten Indikatoren für eine konjunkturelle Trendwende in den kommenden Monaten. Zwar herrscht noch große Unsicherheit in der Wirtschaft, allerdings sind die Rahmenbedingungen für eine weitere Aufwärtsbewegung günstig", sagte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), dem BME.

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt werde im zweiten Halbjahr zwar geringer wachsen, 2013 könnte die deutsche Wirtschaft aber bereits wieder um 1,5 Prozent zulegen. International gehe es ebenfalls aufwärts. So schiebe China die Konjunktur mit einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik an; gleichzeitig mehrten sich in der Eurozone die Anzeichen für eine Entspannung der Staatsschuldenkrise.

Für DIHK-Chefvolkswirt Dr. Alexander Schumann ist "Wirtschaft zu einem erheblichen Teil auch Psychologie". Das zeigten die Einschätzungen der befragten Einkaufsmanager deutlich - insbesondere bei den EMI-Teilindizes Auftragseingang Export, Auftragsbestand und Beschäftigung.
"Die jüngste EZB-Entscheidung zu konditionierten Zins-Stützungskäufen von Staatsanleihen der Euro-Krisenländer sowie das 'Ja, aber' des Bundesverfassungsgerichts zum ESM haben positive Spuren nicht nur auf den Finanzmärkten, sondern auch bei den Unternehmen hinterlassen", teilte Schumann auf Anfrage des BME mit.
Noch sei aber Vorsicht angebracht, denn die Daten deuteten auf eine nachlassende Dynamik für den Rest dieses Jahres sowie auf einen vorerst verhaltenen Konjunkturschwung 2013 hin. Wenn die Politik allerdings ihre Strategie zur Stabilisierung der Euro-Schuldenkrise engagiert fortsetze, würden sich die Erwartungen der Wirtschaft weiter aufhellen.

Der Teilindex Auftragseingang entfernte sich im September weiter von seinem im Juli gemessenen 39-Monatstief, blieb aber nach wie vor deutlich unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
Seit 15 Monaten hält der Rückgang bei den Bestellungen nun schon an. Die deutschen Exporteure verzeichneten seit Juli 2011 Einbußen beim Auftragseingang. Obwohl die September-Rate die schwächste seit 3 Monaten war, signalisierte der Teilindex auch im Berichtsmonat eine deutliche Schrumpfung des Auftragsniveaus. Am stärksten vom Rückgang betroffen war die Investitionsgüterindustrie. Die Auftragsbestände der meisten Unternehmen sanken im September erneut deutlich - ein Beleg für die abermals mangelhafte Auslastung ihrer Produktionskapazitäten. Der Rückgang hält mittlerweile seit über einem Jahr an. Allerdings schwächte sich die Rate seit dem Tief im Juni weiter ab.

Positiv:
Die Lage am industriellen Arbeitsmarkt stabilisierte sich im September nach fünf Monaten anhaltenden Personalabbaus. Der gemessene Wert lag sogar über dem Langzeitdurchschnitt von 49,6.

Die Einkaufsmanager bleiben bei ihren Beschaffungsaktivitäten weiter äußerst vorsichtig. So konnte sich der Teilindex Einkaufsmenge zwar leicht von seinem 38-Monatstief im August erholen. Dennoch weitete sich die Schrumpfungsperiode aufgrund der anhaltend schwachen Nachfrage auf acht Monate aus. Gleichzeitig fielen die Bestände der Fertigwarenlager so stark wie seit März 2011 nicht mehr. Die Vormateriallager nehmen ebenfalls schon seit mehr als zwölf Monaten kontinuierlich ab. Wegen der schwachen Nachfrage verminderten sich die Lieferzeiten im September erneut, was zur längsten Periode verkürzter Lieferzeiten seit 2008/2009 führte.

Während die Einkaufspreise im Industriesektor in den vergangenen drei Monaten nachgaben, stiegen sie im September saldiert erstmals wieder kräftig an. Die Hersteller von Konsumgütern vermeldeten die stärksten Zuwächse, namentlich bei Nahrungsmitteln. Branchenübergreifend stellten viele Unternehmen im Berichtszeitraum Preiserhöhungen bei Mineralölprodukten fest. Trotzdem sahen sich die meisten von ihnen gezwungen, ihre Angebotspreise zu senken. Der starke Wettbewerb bei der Auftragsgewinnung und die geringe Preismacht der Anbieter wurden dabei als Hauptgründe genannt.

Der "Markit/BME-Einkaufsmanager-Index" (EMI) ist ein monatlicher Frühindikator zur Vorhersage der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), Frankfurt. Er wird von der britischen Forschungsgruppe Markit Economics, London, erstellt. Der Index beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern/Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (PMI).