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18.11.2011 | Stadtplanung, Verwaltungsorganisation

Deutschlands Stadtwerke müssen mehr kooperieren

Öffentliche Unternehmen vor schwierigen Aufgaben: Kommunen erwarten höhere Ausgaben und drastisch sinkende Einnahmen - Turbulenzen am Finanzmarkt erschweren Investitionen in Klimaschutz und energieeffiziente Technologien

Energiewende und Atomausstieg, weltweite Finanzkrisen und Deutschlands Klimaziele verfehlen bei Stadtwerken und kommunalen Firmen hierzulande nicht ihre Wirkung.
"Wir haben schon vor Jahren angefangen, die Situation für deutsche Kommunalunternehmen zu analysieren. Besonders die ostdeutsche Kommunalwirtschaft steht angesichts des demografischen Wandels vor großen Veränderungen", sagt Prof. Michael Schäfer, Initiator und Tagungsleiter des Verbundnetzes für kommunale Energie (VfkE).

In diesem Forum und Netzwerk setzen sich ostdeutsche Kommunal- und Wirtschaftspolitiker sowie -entscheider seit 2002 mit der Wirtschaftstätigkeit der Kommunen auseinander. Unterstützt wird das Netzwerk von der VNG - Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft (VNG) aus Leipzig.
"Als regional verankertes Unternehmen wollen wir Kommunen bei ihren künftigen Herausforderungen unterstützen. Deshalb fördern wir auch das Verbundnetz für kommunale Energie", sagt der Vorstandsvorsitzende von VNG, Dr. Karsten Heuchert.
"Bei der künftigen Energieversorgung wird die Dezentralität vor allem mit einer zunehmenden Kombination von Strom- und Wärmeerzeugung immer mehr im Mittelpunkt stehen. Auch hier stehen wir unseren kommunalen Partnern bei der Umsetzung einer nachhaltigen und klimafreundlichen Energieversorgung zur Seite", so Heuchert weiter.

Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz erschwert
Eine aktuelle VfkE-Studie hat festgestellt, dass weniger Einwohner, klamme öffentliche Kassen und die mit der Energiewende nötigen Investitionen kommunalen Unternehmen zu schaffen machen. Egal ob Stadt- oder Wasserwerke, Wohnungsunternehmen oder Entsorger: In Zukunft stehen sie alle vor großen Problemen. Besonders in den Neuen Bundesländern führt der demografische Wandel zu geringeren Einnahmen für Kommunen und sinkenden Erträgen in der Kommunalwirtschaft.

"Vor diesem Hintergrund und den Turbulenzen an den weltweiten Finanzmärkten sind Investitionen in Energieeffizienz und umweltfreundliche Technologien immer schwieriger zu realisieren", sagt Prof. Schäfer vom VfkE. "Besonders die Situation am Finanzmarkt und der Atomausstieg haben die Lage zusätzlich verschärft und den Handlungsdruck erhöht."

Bei dem Treffen von etwa 150 Kommunalpolitikern, Entscheidern aus der kommunalen Wirtschaft sowie Landes- und Bundespolitikern am 17. November 2011 in Schönebeck/Elbe ging es um die Zukunft kommunalwirtschaftlicher Aktivitäten.
Bei der größten kommunalwirtschaftlichen Tagung in Ostdeutschland waren unter anderem Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU) sowie Andreas Jung (Geschäftsführer Deutsche Energie-Agentur, Berlin) prominente Redner. Experten aus Wirtschaft, Recht, Soziologie, Politik und Finanzen präsentierten ein für den Kongress erarbeitetes "Pflichtenheft": Daraus gehen konkrete Handlungsempfehlungen für die anstehenden Veränderungsprozesse hervor.

In dieser Studie werden für alle Ebenen - von den Kommunen bis zum Bund - erstmals konkrete Handlungsoptionen definiert. "Es ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung, die Kommunalwirtschaft im Bereich der Daseinsvorsorge zu stärken. Wer die Kommunalwirtschaft stärkt, der stärkt die Kommunen", sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.

Kooperation und Abbau bürokratischer Hürden
"Aus meiner Sicht gibt es dabei gute Chancen, Effizienzreserven durch Kooperationen zwischen Kommunen zu erschließen. Langfristig werden alle Beteiligten von solchen Kooperationen profitieren", betonte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.
Um die Herausforderungen gerade in den strukturschwächeren Gebieten zu schultern, sollen Kommunen und deren Unternehmen intensiver kooperieren: Dabei sind ein gemeinschaftlicher Stördienst, gemeinsame IT-Infrastruktur- und Dienstleistungen oder Buchhaltungs- und Abrechnungsservices denkbar. Besonders bei der Daseinsvorsorge ist der Ausbau interkommunaler Kooperationen ohne Alternativen. Doch dazu ist eine Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen dringend notwendig. Außerdem sollten zu starre Vorgaben für Leistungen zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr und der Wasserversorgung gelockert werden.

Für Energieversorger spielt das Thema "Kontinuität von Investitionen" eine wichtige Rolle. "Klug handelnde kommunale Gesellschafter sollten zum Beispiel ihre Stadtwerke hinsichtlich der Eigenkapitalausstattung und Investitionen unterstützen", sagte Juliane Hauskrecht, kommunale Energieexpertin aus Berlin.

Kommunale Daseinsvorsorge neu definieren
Einig sind sich die Fachleute, dass Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge (Wasser / Abwasser, Energie, Abfall, Wohnungswirtschaft) künftig regional differenziert erbracht werden müssen. Ziel müsse es sein, die existentielle Versorgung der Menschen auch unter deutlich schlechteren Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Das komplette Angebot könne es aber nicht überall geben, sagte Prof. Schäfer und wies auf die zunehmende Bedeutung von Mittelzentren hin.

Neuordnung der Kommunalfinanzen
Das VfkE fordert eine Reform der Kommunalfinanzen und die Modernisierung des Finanzausgleichs von Ländern und Kommunen. Besonders die Mehrbedarfe dünner besiedelter bzw. dichter urbaner Regionen müssen genauer untersucht werden.
Dr. Tony Mudrack von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, der intensiv zum Thema Kommunalfinanzen forscht, sagte dazu: "In den kommenden Jahren stehen die Gemeinden vor immensen Herausforderungen. Die demografischen Entwicklungen sorgen für nachhaltige Urbanisierungseffekte, die zu notwendigen Ausgabenanpassungen in allen betroffenen Gemeinden führen", so der Finanzexperte.
"Diese erforderlichen Anpassungen bedingen jedoch auch eine Neuorientierung der Finanzausgleichssysteme an die sich rasant ändernden Voraussetzungen. So muss der Solidargedanke als integraler Bestandteil der Finanzausgleichssysteme zu einer entsprechenden Berücksichtigung von Mehrbedarfen dicht aber auch sehr dünn besiedelter Regionen führen. Jedoch steckt die Anerkennung der Mehrbedarfe dünn besiedelter Regionen noch in den Kinderschuhen - zu Unrecht!", erklärte Dr. Tony Mudrack.

*Titel:
"Maßnahmen zur Anpassung der Kommunalwirtschaft an die zukünftigen demografischen, fiskalischen und energiepolitischen Realitäten auf der Grundlage der Analysen der 2010 vorgelegten Studie "Kommunalwirtschaft 2025".
Ein Pflichtenheft für Entscheidungsträger im Bund, den Ländern und den Kommunen."

Download unter www.vfke.org