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14.12.2011 | Energie

BGH-Urteil zu Fernwärme: Verträge prüfen lohnt sich für öffentliche Großabnehmer

Der Markt für Fernwärme-Versorgung ist in Bewegung: Ein Grundsatzurteil des BGH* hat die alleinige Bindung des Wärmepreises an den Preis für Heizöl untersagt. Manche Versorger drängen ihre Kunden nun zur Umstellung auf vermeintlich günstigere Neuverträge.

Dipl.-Ing. Markus Schnier, Inhaber des Ingenieurbüros ECOTEC Energie & Effizienz, rät, nicht vorschnell zuzustimmen. Stattdessen soll man die Angebote der Versorger sorgfältig analysieren. Besonders öffentlich-rechtliche Großverbraucher laufen sonst Gefahr, erhebliches Potenzial für Preissenkungen zu verschenken.

Herr Schnier, warum ist das Grundsatzurteil des BGH besonders für öffentlich-rechtliche Betriebe interessant?

Öffentlich-rechtliche Einrichtungen haben im Regelfall sehr langfristige Fernwärmelieferverträge, die die Entwicklungen seit Liberalisierung der Energiemärkte nicht angemessen berücksichtigen. Der BGH hat nun die meisten Fernwärme-Lieferverträge auf den Prüfstand gestellt und damit ein einmaliges Fenster für Neuverhandlungen, sprich Preissenkungsstrategien eröffnet.

Was genau hat der BGH geurteilt?

Der Arbeitspreis für Fernwärme war bisher überwiegend an den Preis für leichtes oder schweres Heizöl gekoppelt,. Daher führte ein Anstieg der Ölpreise regelmäßig zu Preiserhöhungen für Fernwärme, obwohl die Kosten des Versorgers nicht in gleichem Maß gestiegen sind, denn der Versorger setzt ja im Regelfall gar kein Heizöl ein. Diese Preisbindung hat der BGH nun als rechtswidrig untersagt. Langfristige Versorgungsverträge können also angepasst werden.

Das Urteil hat für Wirbel gesorgt. Wie reagieren die Versorger?

Wir beobachten, dass Versorger versuchen, ihren Kunden Neuverträge mit geänderten Preisformeln anzubieten: In der Tendenz sinkt der Arbeitspreis - also der Preis für die tatsächlich verbrauchte Menge - und der Grundpreis steigt. Der resultierende Preis wirkt auf den ersten Blick günstiger, kann aber bei sinkenden Primärenergieträgerpreisen geänderten Vorzeichen zu Preissteigerungen führen.

Was sollten die Beschaffungsverantwortlichen auf Kundenseite tun?

Sich nicht unter Druck setzen lassen und die künftige Preisentwicklung in Szenarien prüfen: Zu welchem Gesamtpreis wird die angebotene Formel führen, wenn das Energiepreisniveau am Markt steigt oder sinkt? Auch die Rückschau kann interessant sein: Was hätten wir bezahlen müssen, wenn uns diese Preisformel vor ein paar Jahren angeboten worden wäre? Schließlich sollte auch ein Benchmark mit vergleichbaren Verbrauchern erfolgen, um eine relative Einordnung seines Preises vornehmen zu können.

Sie raten öffentlich-rechtlichen Betrieben auch, die Wärme-Erzeugung in Eigenregie zu prüfen.

Ja, aufgrund der künftigen Rahmenbedingungen, zum Beispiel durch die steigende EEG-Belastung, kann die Eigenerzeugung mit effizienter und umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sehr lohnen. Das gilt ab einem Wärmeverbrauch von etwa 10 Mio. kWh/a. Zudem hat man mit einem entsprechenden Szenario ein weiteres Argument für eine realistische Preisgestaltung in der Hand. Bei einem von uns beratenen Kunden, der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, hat dieses Argument schließlich den Weg frei gemacht für eine befriedigende Vertragsanpassung.

Sie kritisieren das Preisniveau als insgesamt zu hoch. Was ist aus Ihrer Sicht ein realistischer Preis?

Wir sehen noch erhebliche Einsparmöglichkeiten in vielen Verträgen, denn durch die Ölpreisbindung war die Preisbildung willkürlich verzerrt. Ein unter Wettbewerbsbedingungen gebildeter Gesamtpreis sollte nicht deutlich über 5 ct pro kWh bei einer Abnahmemenge von 10 Mio. kWh/a liegen.

*Quelle: Urteil des VIII. Zivilsenats vom 6.4.2011 - VIII ZR 273/09 //

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