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24.11.2010 | Verwaltungsmodernisierung

Nationaler Normenkontrollrat kritisch: Der Koalitionsbeschluss zum ELENA-Verfahren lässt viele Fragen offen

Das ELENA-Verfahren wird häufig unterschätzt. Es bietet die Möglichkeit, unnötige Bürokratie durch Digitalisierung von Informations- und Verwaltungsvorgängen nachhaltig abzubauen. Das Entlastungspotenzial ist erheblich. Ich gehe davon aus, dass die jetzt zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales diese Chance ergreift und das ELENA-Verfahren zum Erfolg führt, - so Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates.

Der Normenkontrollrat hat dem Bundeswirtschaftsminister vor rund zwei Monaten ein Gutachten zum ELENA-Verfahren abgegeben. Das Fazit war:

Das ELENA-Verfahren kann einen wichtigen Beitrag für eine bürokratiearme, moderne Verwaltung leisten. Es ist die Chance für Millionen von Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, schneller als bisher an die beantragten Sozialleistungen zu kommen, ihnen Nachweise und zusätzliche Behördengänge zu ersparen. Für die Wirtschaft entfallen lästige Papierbescheinigungen, die jedes Jahr millionenfach für Ämter und Behörden ausgestellt werden müssen. So können mehr als 90 Mio. Euro eingespart werden. Behörden können Anträge auf Sozialleistungen schnell und unbürokratisch bearbeiten.

Der Vorsitzende unterstreicht allerdings auch: "Es gibt es noch viel zu tun, und die kommenden Monate müssen dringend genutzt werden, um bestehende Hürden aus dem Weg zu räumen. Allein durch eine besser handhabbare EDV könnte das ELENA-Verfahren so verschlankt werden, dass die Unternehmen die notwendigen Daten künftig quasi auf Knopfdruck versenden können - zusammen mit den ohnehin notwendigen monatlichen elektronischen Meldungen zur Sozialversicherung. Dadurch könnten insbesondere kleinere Unternehmen rund 10 Mio. Euro Bürokratiekosten einsparen. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.

Darüber hinaus lässt der Koalitionsausschuss eine ganze Reihe weiterer Fragen offen. Was wird beispielsweise aus den bereits gesammelten Daten? Müssen die Unternehmen weiter melden oder soll die Übermittlung von Daten nunmehr freiwillig erfolgen?

Hier sind schnelle Antworten erforderlich, um den Unternehmen die notwendige Planungssicherheit zu geben. Dies ist man nicht zuletzt den 2 Mio. Unternehmen schuldig, die regelmäßig Daten an die Zentrale Speicherstelle in Würzburg liefern. Sie haben bereits erheblich in die Umsetzung des ELENA-Verfahrens investiert. Jetzt kommt es darauf an, das damit entstandene Vertrauen nicht zu enttäuschen. Andernfalls könnte die Bereitschaft der Unternehmen, künftig bei der Umsetzung von größeren IT-Projekten mitzuwirken, nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen werden."

Seit 1. Januar 2010 sind Arbeitgeber verpflichtet, regelmäßige elektronische Entgeltnachweise (ELENA) an eine Zentrale Speicherstelle zu übermitteln, um die Gewährung von Sozialleistungen (z.B. Arbeitslosengeld I) zu erleichtern.

Der Normenkontrollrat hat in seinem Gutachten ausführlich zu den Kosten des ELENA-Verfahrens Stellung genommen.

Dabei hat er auch unbequeme Fakten rund um das kontrovers diskutierte ITGroßprojekt transparent gemacht:

 Bei Privatpersonen ist die qualifizierte elektronische Signatur gegenwärtig noch nicht so flächendeckend verbreitet, wie man bei der Einführung des ELENA-Verfahrens angenommen hatte.

  •  Das Verfahren wird für die Antragsteller dadurch komplizierter.
  •  Der Mehraufwand in der Verwaltung ist mit 82 Mio. Euro erheblich; allein 70 Mio. Euro entfallen auf einen wesentlichen Kostentreiber: die qualifizierte elektronische Signatur.

Das ELENA-Verfahren bleibt damit insgesamt unter seinen Potenzialen: Unterm Strich bleibt in den Anfangsjahren nur eine relativ geringe Gesamtentlastung von rund 8 Mio. Euro pro Jahr

Der Normenkontrollrat hat nicht nur die laufenden Kosten der Wirtschaft, der Verwaltung und den Aufwand der Bürgerinnen und Bürger analysiert, sondern auch eine Reihe von Nachbesserungen beim ELENA-Verfahren angemahnt:

Die aus den Reihen der Wirtschaft vorgebrachte Kritik ist - zumindest teilweise - gerechtfertigt. Durch die Einbeziehung weiterer Bescheinigungen (z.B. für das Arbeitslosengeld II) könnten die Unternehmen um weitere 15 Mio. Euro entlastet werden.

Notwendig sind insbesondere Maßnahmen zur Nachbesserung für die rund 270.000 kleineren Unternehmen, die die monatliche Meldung ohne Entgeltabrechnungsprogramm vornehmen.

Das Verfahren muss insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger noch anwenderfreundlicher werden. Zusätzlicher Aufwand ist zu vermeiden. Insbesondere für diejenigen, die nicht im Besitz einer Signaturkarte sind oder die nicht persönlich bei der Behörde erscheinen können (z.B. weil sie krank sind), muss eine Stellvertreter-Regelung getroffen werden, um den Datenabruf praktikabel zu gestalten.