Public Manager
28.05.2010 | Messen

Zukunft Kommune: Aktive Bürgerschaft, moderne Verwaltung und Public Private Partnership als Top-Themen

Städte und Gemeinden haben mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Aktuellen Einblick in zahlreiche kommunale - Baustellen - gab die Zukunft Kommune, 7. Fachmesse für kommunale Lösungen, Dienstleistungen & Beschaffung, am 18.und 19. Mai in Stuttgart.

Die Lage der Kommunen ist ernst. Daran ließ Dr. Wolfgang Schuster, Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, bei der Eröffnung der Fachmesse Zukunft Kommune keinen Zweifel. Auf dem kommunalen Gipfel am 18. und 19. Mai 2010 in der Landesmesse zeigte sich jedoch, dass es auf drängende Herausforderungen wie die Standortsicherung, die Ressourcenknappheit, den Klimaschutz und den demografischen Wandel durchaus Antworten gibt.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei eine aktive Bürgerschaft, wie zahlreiche Beiträge in den Praxisforen belegten. Denn in der Bevölkerung steckt allerhand Potenzial, das angesichts der neuen technischen Vernetzungsmöglichkeiten jetzt auch leichter zum Vorschein kommt.

Insgesamt befassten sich 189 Aussteller und 2.425 Fachbesucher mit der kommunalen Zukunft. "Es ist wichtig zu überlegen, wie ein Generationenvertrag vor Ort aussehen könnte", erklärte Oberbürgermeister Schuster. "Dazu müssen wir neue Netzwerke kreieren."

Während das Stadtoberhaupt angesichts des starken Trends zur Individualisierung vor einer "Atomisierung der Gesellschaft" warnte, sammelten sich im weiteren Messeverlauf die Beispiele für gelungenes bürgerschaftliches Engagement. "Es gibt überall Menschen, die überlegen, wie ihre Kommune weiterentwickelt werden kann", freute sich etwa der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz Rudolf Köberle anlässlich der Bekanntgabe der Gewinner der ausgeschriebenen EU-Leuchtturmprojekte.

Von ursprünglich 61 Bewerbern erreichten neun Kommunen und Kommunalverbünde das Ziel: Mit Fördermitteln der EU und des Landes können sie nun ihre innovativen Projekte im Rahmen der geforderten nachhaltigen integrierten kommunalen Entwicklungsstrategie (NIKE) umsetzen.

Lokale Projekte verwandeln Krise in Chance
Engagierte Bürger sind auch in der Lage, die Grundversorgung vor Ort zu sichern. Das haben die Einwohner von Jülich-Barmen mit ihrem DORV-Zentrum (Zentrum für Dienstleistung und Ortsnahe Rundum Versorgung) eindrucksvoll bewiesen. Der selbst betriebene Dorfladen führte zunächst Lebensmittel und Waren für den täglichen Bedarf, hält aber inzwischen auch diverse Dienstleistungen von der Paketannahme über die Kleiderreinigung bis zur Kfz-Zulassung vor.
"Vernetzung ist das wichtigste überhaupt", erklärte DORV-Projektleiter Jürgen Spelthann auf der Messe.

Ein weiteres herausragendes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement steuerte Ingrid Engelhart, Geschäftsführerin des Vereins SPES Zukunftsmodelle, bei.
Um schwer pflegebedürftige und demente Einwohner nicht aus ihrer vertrauten Umgebung reißen zu müssen, hat die Bürgergemeinschaft in Eichstetten am Kaiserstuhl eine Pflegewohngruppe ins Leben gerufen und damit zugleich rund 30 familienfreundliche Arbeitsplätze vor Ort geschaffen.
"Wenn Bürger, Unternehmen und Gemeinde vernetzt arbeiten, kann eine Krise wie der demografische Wandel auch zur Chance werden", konstatierte Engelhart.

Alternativlos: Umstellung auf erneuerbare Energien
Auch in der Energieversorgung zögen Bürger, Gewerbe, Handel und Kommunen mancherorts bereits erfolgreich an einem Strang. Vor allem der Umweltgedanke veranlasst Privatpersonen und Gemeinden dazu, Genossenschaften zur Selbstversorgung mit alternativen Energien zu gründen.
"Es gibt im Kleinen viele Beispiele für die Nutzung erneuerbarer Energien", bestätigte Ulrich Burr in der Podiumsdiskussion zum Thema kommunales Umweltmanagement und Energiewirtschaft. Diese unzusammenhängenden Aktionen und Projekte reichten aber bei weitem nicht aus, betonte der Niederlassungsleiter Süd der Süwag Energie AG. "Die regenerative, dezentrale Erzeugung muss Vorrang bekommen. Fossile Brennstoffe sind endlich - davor darf man die Augen nicht verschließen."

Um die Problematik systematischer anzugehen, plädierte Burr für mehr Aufklärung, kreative Klimmzüge und Förderprogramme, die auch Kooperationen mit Wirtschaftspartnern unterstützten,. "Wir haben keine Hemmungen, über Energieeinsparungen zu reden", versicherte Burr für sein Unternehmen, das mit einem Elektroauto an seinem Stand Flagge zeigte.

Zertifizierung und Contracting in der evangelische Kirche
Auf die Förderung des Umweltbewusstseins setzt auch die Evangelische Landeskirche in Baden. "Die CO2- Reduzierung ist bei uns beschlossene Sache", erklärte Oberkirchenrat Stefan Werner in der Diskussion. Zur Aufklärung und Information habe die Kirche ein eigenes Büro für Umwelt und Energie eingerichtet; viele Gemeinden ließen sich bereits nach EMAS-Standard zertifizieren.
"Die damit verbundenen Einsparmöglichkeiten sind ein gutes Zugargument." Einige Kirchengemeinden betrieben auch Contracting.

"Grundsätzlich eine interessante Sache", urteilte Werner. Noch besser sei es, wenn Kommunen oder Gemeinden ohne Dienstleister auskämen, meinte Cornelia Rösler vom Deutschen Institut für Urbanistik. "Selber machen heißt auch selber Profit machen", so ihre Begründung.

Kein Patentrezept: Public Private Partnership
Auch Public Private Partnership (PPP), die vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen Öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, kennt Fürsprecher und Vorbehalte. Das wurde auf der in das Messeprogramm integrierten PPP-Konferenz Baden-Württemberg 2010 des Wirtschaftsministeriums deutlich. Rund 400 Teilnehmer zeigten das große Interesse an diesem Thema, das in zahlreichen Erfahrungsberichten konkrete Gestalt annahm.

"Ich bin kein Glaubensbruder von PPP. Es ist für mich nur Mittel zum Zweck", erklärte etwa Gunter Czisch. Die nüchterne Einschätzung des Ersten Bürgermeisters der Stadt Ulm resultiert aus schlechten Erfahrungen. "Wir sind schon einmal damit reingefallen", räumte er offen ein.

Ernüchterung und Euphorie halten sich die Waage
Im Fall der neuen Multifunktionshalle scheint das Konzept jedoch aufzugehen. Grundstück, Halle und Parkierung verbleiben im Eigentum der Städte Ulm und Neu-Ulm, gesucht wurde lediglich ein Partner zum Betrieb des neuen Veranstaltungsortes.
"Das ist für uns kein Finanzierungsmodell, sondern ein Partnerschaftsmodell", erläuterte Czisch. Die Verwaltung habe zwar Kompetenzen im Facility Management, in so einer Halle müsse aber weit mehr passieren. "Das können andere besser."

PPP insgesamt sei "extrem anspruchsvoll" und benötige vor allem gute Berater, bilanzierte das ‚gebrannte Kind‘ Czisch. "Man muss sehr genau darauf schauen, was man miteinander vereinbart."

Eine "Geschichte des Scheiterns und des Neuanfangs" steuerte auch Dr. Lothar Barth, Oberbürgermeister von Bad Mergentheim, bei: Mit dem sanierungsbedürftigen Freizeitbad Solymar sei die Stadt "vollkommen überfordert" gewesen.
Nachdem ein sechsstelliger Betrag allein für Planungen "quasi in den Sand gesetzt" worden sei, brachte ein versierter Verfahrensmanager die Wende. "Sie brauchen einen Experten, der sie durch das gesamte Verfahren führt", erklärte Barth.

Weniger kritisch urteilte Eppelheims Stadtoberhaupt Dieter Mörlein über das Modell, mit dessen Hilfe die Stadt fünf Schulen und zwei Sporthallen auf Vordermann gebracht hat. "PPP ist ein wunderbarer Weg in die Zukunft", schwärmte der Bürgermeister. Allerdings sei es mit viel Arbeit verbunden, räumte er ein.

Der Öffentliche Dienst - ein gut aufgestellter Arbeitgeber?
Viel Arbeit und Erneuerung ist auch in den Verwaltungen selbst angesagt - mündige Bürger und der technologische Wandel stellen veränderte Ansprüche an den Öffentlichen Dienst. Doch für ein fortschrittliches Erscheinungsbild nach außen braucht es eine entsprechend geschulte und motivierte Mannschaft.

Wie sieht es aus mit der Personalentwicklung in Ämtern und Behörden? Keine Frage wurde auf der Messe so kontrovers diskutiert wie diese. "Wir haben in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren einen großen Paradigmenwechsel erlebt", bedeutete Dr. Gerhard Mersmann, Leiter der Fachgruppe Verwaltungsarchitektur 2013 der Stadt Mannheim. Geklärt werden müsse vor allem, welchen Führungstyp eine moderne Verwaltung benötige. Es habe sich jedenfalls als Trugschluss erwiesen, Führungstypen aus der Wirtschaft auf den Öffentlichen Dienst zu übertragen.

Ebenfalls gefloppt seien neue Steuerungssysteme wie die leistungsgerechte Bezahlung, meinte Volker Stich vom Beamtenbund Baden-Württemberg. Insgesamt sei der Öffentliche Dienst gut aufgestellt und "eindeutig zukunftsfähig", attestierte Stich ihm eine positive Entwicklung. "Die Verwaltung verwaltet sich selbst - das war vor 30 Jahren.".

Voller Sprengkraft: Fehler in der Rekrutierung
Die übrigen Gesprächsteilnehmer sahen jedoch noch großen Handlungsbedarf: "Führungskompetenz erwirbt man üblicherweise in der Praxis, indem man aus Fehlern lernt", erklärte Dr. Mersmann. Im Öffentlichen Dienst sei die Fehlertoleranz allerdings gleich Null. "Es gibt keine Spielräume für Entscheidungen." Daraus resultiere die verbreitete Neigung, sich abzusichern und Entscheidungen hinauszuzögern.
Wegen der vielfältigen Aufgabenbereiche der Verwaltung benötige die Führungsriege zudem ein entsprechend heterogenes Spektrum an Fähigkeiten. Diese vorhalten zu können, sei auch eine Frage der Rekrutierung. Schon nach ein oder zwei Jahren werde schmerzlich bemerkbar, wenn keine jungen Leute nachrückten. "Wenn man das zehn Jahre macht, kommt das einer Neutronenbombe gleich", unterstrich Mersmann die Brisanz der Personalarbeit. In jedem Fall sollte nicht nur eine Altersgruppe vertreten sein.

"Bitte stellen Sie nicht auf einen Schlag nur noch junge Leute ein!" Insgesamt müssten alle Arbeitgeber "mit weniger Fachkräften und mehr Gebrechen" auskommen, erinnerte Dr. Rainer Thiehoff vom Deutschen Demographienetzwerk an die Auswirkungen des demografischen Wandels. Der Experte sieht ebenfalls in der Zusammenarbeit von Jung und Alt den Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit. "Das muss man lernen."

Bürgermeisterwahl: Blogger mischen kräftig mit
Einstellen muss sich die Verwaltung auch auf den technologischen Wandel, der unter anderem ganz neue Formen der Bürgerbeteiligung mit sich bringt. Eine Folge davon beleuchteten Ulrich Heckmann (konzept-h) und Dirk Spahn (web://Contact) im Forum Internetdorf: den Bürgermeister-Wahlkampf im Netz.

"Im Wahlkampf 2.0 gilt es, nicht die Lufthoheit über den Stammtisch, sondern über das Internet zu gewinnen", erklärte Heckmann. Mit Hilfe der sozialen Netzwerke lasse sich der Bekanntheitsgrad eines Bewerbers in kürzester Zeit "hochzoomen". Wer diese Instrumente nutze, müsse jedoch wohl überlegt damit umgehen.

"Twitter hat einen guten Multiplikator-Effekt. Das funktioniert aber nur, wenn die eigenen Botschaften authentisch sind", erklärte Dirk Spahn. Ein weiterer Fallstrick sei, Aktivitäten im Netz nach gewonnener Wahl zu vernachlässigen - damit entlarve sich der Kandidat als unehrlich. "Die Geister, die ich rief, werde ich so schnell nicht wieder los", gab Dirk Spahn zu bedenken.

Die Macht der Blogger sei dabei keineswegs zu unterschätzen: Gegnerische Stimmen könnten es schaffen, eine nahezu gewonnene Wahl noch kurz vor knapp zu kippen, berichtete Berater Heckmann aus leidvoller Erfahrung.

People’s Theater ist Verein des Jahres 2010
Hervorragende Beispiele für erfolgreiches bürgerschaftliches Engagement förderte auch die gemeinsame Ausschreibung des Internet-Portals meinverein.de und des Veranstalters der Zukunft Kommune um den Verein des Jahres 2010 zutage.
"Das ist eine große Ehre und Überraschung für uns. Viele Vereine haben mich voll überzeugt. Es ist einfach Klasse, was so ein Land auf die Beine stellen kann", schwärmte Boys Bangura vom glücklichen Sieger People’s Theater.
Der gemeinnützige Verein aus Offenbach fördert mit seinen interaktiven Theatereinlagen die Sozialkompetenzen von Kindern und Jugendlichen und leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Gewaltprävention und Integration.

Zukunft Kommune 2011: Der kommunale Gipfel zieht nach Köln
Nächster Termin für die Zukunft Kommune ist am 16. und 17. März 2011. Im Verbund mit der public11, 3. Internationale Fachmesse für Stadtplanung und öffentliche Raumgestaltung, und der PUBLIC Energy, Fachmesse für kommunale Energielösungen, präsentiert sich der kommunale Gipfel dann erstmals in der Koelnmesse.

www.zukunft-kommune.de