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28.05.2010 | Beschaffungspraxis

VOL/A: Neue Regelungen für europaweite Ausschreibungen: Was öffentliche Auftraggeber jetzt beachten sollten

Gleich von zwei wichtigen Änderungen im Vergaberecht sind Institutionen der öffentlichen Hand in diesem Jahr betroffen. Bereits seit Januar sind Gemeinden und Behörden verpflichtet, Aufträge ab einem Volumen von 193.000 Euro europaweit auszuschreiben. Bis dato lag diese Summe bei 206.000 Euro.

Am 28. April 2010 hat das Bundeskabinett nun endlich die Änderung der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A, Ausgabe 2009) beschlossen. Das Ziel: Bürokratieabbau und transparente Vergabeverfahren. Welche Vor- und Nachteile diese Neuerungen für öffentliche Auftraggeber haben, erläutert der langjährige Ausschreibungsexperte Roland Mayer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens KIS, im Interview.

Die neue VOL/A soll die Bürokratiekosten um rund 40 Prozent reduzieren. Wie will der Gesetzgeber das erreichen?

"Da gibt es mehrere Aspekte. Zukünftig wird es für Anbieter beispielsweise einfacher sein, Leistungsnachweise zu erbringen. Das bedeutet konkret: Möchte ein Auftraggeber Fremdnachweise statt Eigenerklärungen sehen, muss er dies ausführlich begründen. Hinzu kommt die allmähliche Umstellung auf ein elektronisches Verfahren, das die üblichen Prospekte überflüssig macht. Beide Entwicklungen stellen für Auftraggeber wie Dienstleister eine erhebliche Entlastung dar."

Die Senkung des Schwellenwerts auf 193.000 Euro führt dazu, dass immer mehr Kommunen ihre Aufträge europaweit ausschreiben müssen. Viele haben Angst davor, dubiose Billiganbieter aus Deutschland und anderen europäischen Ländern ortsansässigen Unternehmen vorziehen zu müssen. Ist diese Angst berechtigt?

"Tatsächlich ist der Schwellenwert von 193.000 Euro schnell erreicht. Da bei zeitlich unbefristeten Verträgen oder bei Verträgen mit Verlängerungsoption - wie es bei der Gebäudereinigung oft üblich ist - die Kosten für vier Jahre angesetzt werden, sind oft bereits kleine Städte und Gemeinden von dieser Neuerung betroffen. Angst davor brauchen sie jedoch keine zu haben. Es war schon immer wichtig, in Ausschreibungsunterlagen konkrete Zuschlagskriterien zu definieren. Schließlich möchte man mit dem wirtschaftlichsten und nicht mit dem billigsten Anbieter zusammenarbeiten.
Auch bei europaweiten Ausschreibungen sind Kriterien wie Referenzen aus Deutschland oder ein schneller Vor-Ort-Service zulässig. Damit schränkt man den Bieterkreis bereits erheblich ein."

Bei europaweiten Ausschreibungen haben Lieferanten die Möglichkeit, Einspruch bei der Vergabekammer einzulegen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Wie groß ist die Gefahr, dass das tatsächlich geschieht und wichtige Projekte ins Stocken geraten?

"Auch das hängt wieder von der Genauigkeit der Ausschreibung ab. In der Tat nehmen die Einsprüche vor Vergabekammern stetig zu. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass allein in Deutschland von öffentlicher Seite jährlich Aufträge im Wert von rund 360 Milliarden Euro vergeben werden. Auftraggeber sollten deshalb bei der Erstellung der Unterlagen sehr detailliert und genau vorgehen. Zum einen, wenn es um die Beschreibung der angeforderten Leistung geht, zum anderen aber auch, was die bereits erwähnten Zuschlagskriterien betrifft. Wenn die Kriterien in einer Bewertungsmatrix klar definiert sind, haben Klagen vor der Vergabekammer gar keine Chance."

Wie sieht eine solche Bewertungsmatrix denn konkret aus?

"Das kommt natürlich immer auf die Dienstleistung an, die ausgeschrieben wird. Im Bereich Drucken und Kopieren legt die Matrix beispielsweise fest, zu welchem Anteil Preis, Druckqualität, aber auch Energieverbrauch und Umweltdaten in die Vergabe des Auftrags einfließen. Bei der Gebäudereinigung spielt die Qualitätskontrolle dann eine größere Rolle. Wichtig ist immer, dass durch genau aufgeschlüsselte Kriterien das Vergabeverfahren nachvollziehbar wird.
Deshalb meine Empfehlung: Stellen Sie Ihre Bewertungsmatrix allen Bietern zur Verfügung. So erhalten Sie nur maßgeschneiderte Angebote und gehen Klagen aus dem Weg."

Das hört sich sehr aufwendig an. Haben die Kommunen überhaupt genügend Zeit, um sich so ausführlich mit Ausschreibungen zu beschäftigen?

"Meist ist es sinnvoll, sich für eine Ausschreibung Unterstützung von außen zu holen. Es geht ja nicht nur um die zeitlichen Ressourcen, sondern auch um technisches und juristisches Wissen. Das fehlt oft, ist aber notwendig, um eine ausführliche Bewertungsmatrix und ein exaktes Leistungsverzeichnis zu erstellen. Die Experten von KIS unterstützen Institutionen der öffentlichen Hand gern mit ihrem Fachwissen in den Bereichen Office, Facility. und Logistik"

Die Änderungen der VOL/A auf einen Blick:

Die Abschnitte 3 und 4 der VOL/A sowie die Basis- und a-Paragrafen entfallen. Kürzung von 45 auf 24 Paragrafen
Das dynamische elektronische Verfahren für marktübliche Waren und Dienstleistungen löst das derzeitige ab.
Ab 25.000 Euro Auftragsvolumen müssen Auftraggeber nach Beschränkten Ausschreibungen oder Freihändigen Vergaben ohne Teilnahmewettbewerb drei Monate lang über gewisse Mindestangaben informieren (ex post).
Verschärfte Begründungspflicht, wenn Fremdnachweise zur Eignungsfeststellung verlangt werden.
Deutschlandweite Bekanntmachungen müssen über www.bund.de ermittelbar sein (ex ante).

Mehr Informationen unter www.kis-experten.de.