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20.05.2010 | Stadtplanung

IHKs im Ruhrgebiet stellen "Handelsreport Ruhr 2010" vor /Großflächiger Einzelhandel in der Wirtschaftsregion legt um eine Million Quadratmeter Verkaufsfläche zu

Der großflächige Einzelhandel im Ruhrgebiet ist weiter auf dem Vormarsch: In den letzten zehn Jahren ist die Verkaufsfläche in den IHK-Bezirken zwischen Duisburg und Hagen um eine Million Quadratmeterangestiegen. Das Wachstum in diesem Segment verschärft den Verdrängungswettbewerb im Handel. Leidtragende sind unter anderem Orts- und Stadtteilzentren.

Dies sind wesentliche Ergebnisse des "Handelsreport Ruhr 2010", den die Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet am 20. Mai bei der für den Report federführenden Niederrheinischen IHK in Duisburg vorgestellt haben.

Mit der Untersuchung, die sich auf das Ruhrgebiet sowie den Kreis Kleve und den Märkischen Kreis erstreckt, haben die IHKs erstmals seit 2001 wieder eine Vollerhebung des Einzelhandels ab 650 m² Verkaufsfläche durchgeführt. Seitdem ist der großflächige Einzelhandel im Ballungsraum auf fast 6,8 Millionen Quadratmeter angewachsen.
Dies, obwohl die Wirtschaftsregion deutlich an Bevölkerung verliert. Inzwischen kommen hier auf jeden Einwohner 1,14m² Verkaufsfläche allein im untersuchten Handelssegment. Das sind rund 17 Prozent mehr als noch bei der Vorgänger-Studie aus dem Jahr 2001.

Duisburgs IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Stefan Dietzfelbinger: "Die Ergebnisse unterstreichen eindrucksvoll die Investitionskraft der Unternehmen im Ruhrgebiet. Durch die Auswirkungen auf Nahversorgung und Zentrenstrukturen ist und bleibt diese Entwicklung aber nicht ohne politische Brisanz. Es geht schlichtweg um die Frage: Wie sehen unsere Städte von morgen aus? Wünschen wir uns eine attraktive City europäischer Prägung mit Marktplatz und Kirche, oder genügt uns der Zuschnitt amerikanischer Städte mit uniformen Malls irgendwo in der Stadt?"

Laut Handelsreport liegt der Anteil der Betriebe ab 650 m² schon heute bei über 70 Prozent. Standorte mit zu kleinen Flächen oder geringer Einwohnerzahl fallen brach. Im schlimmsten Fall stehen Ladenlokale leer und veröden. Alleine die Leerstände in den großflächigen Betrieben summieren sich auf 390.000 m² Verkaufsfläche.

Vor diesem Hintergrund gelte es, durch entsprechende Strategien gegenzusteuern. Ein Ansatz hierbei: Die Standorte müssten zukünftig noch stärker ihr eigenes Profil entwickeln. Individualität werde angesichts der zunehmenden Uniformität in den Städten zum Wettbewerbsvorteil. Zunehmend sei auch das Phänomen zu beobachten, dass die Kommunen ihre Hoffnung auf innerstädtische Einkaufszentren setzen.
Angesichts dieser Entwicklung fordern die Ruhr-IHKs, die Innenstadtverträglichkeit solcher Vorhaben immer auch in Bezug auf Größe sowie die Integration in die bestehende Stadtstruktur zu prüfen.

Besondere Sorge bereitet den Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet die Entwicklung der Stadtteil- und Nebenzentren. Durch Flächenentwicklung an anderen Standorten - grüner Wiese, Innenstadt oder in Randlage - haben sie erheblich an Bindungskraft verloren. Sie bringen häufig nicht mehr die Voraussetzungen für die Ansiedlung größerer Frequenzbringer, wie etwa Lebensmittelanbieter, mit. Dadurch geraten auch die inhabergeführten Fachgeschäfte unter Druck. Die Leerstandsquote an manchen Standorten ist zum Teil jetzt schon bedrohlich. Nicht zu unterschätzen seien auch die Auswirkungen auf die Nahversorgung. Diese sei vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel und eine alternde Gesellschaft sicherzustellen. Gleichzeitig dürfe man die innovativen Konzepte der Unternehmen nicht vernachlässigen.

Klare Rahmenbedingungen durch kommunale und regionale Einzelhandelskonzepte seien Voraussetzung dafür, dass der ruinöse Flächenwettbewerb zwischen Städten und Kommunen eingedämmt werden könne.
Die IHKs empfehlen deshalb, Entwicklungspotenziale auf solche Zentren zu konzentrieren, die tatsächlich zukunftsfähig sind.
Dietzfelbinger: "Das in der Vergangenheit häufig praktizierte Gießkannenprinzip muss überprüft werden, da vor allem auch die Zahl der Stadtteil- und Nahversorgungszentren insgesamt abnehmen dürfte."

Zum "Handelsreport Ruhr 2010":
Mit der Studie stellen die Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet eine Datenbasis zur Entwicklung des großflächigen Einzelhandels bereit. Sie soll als Diskussionsgrundlage für Politik, Verwaltung und Unternehmen dienen. Die Daten ermöglichen eine Analyse der Einzelhandelssituation in den Kommunen sowie ruhrgebietsweite Vergleiche. Obwohl heute im rechtlichen Sinne erst ab einer Größe von 800 m² von "Großflächigkeit" gesprochen wird, wurden aus Gründen der Vergleichbarkeit mit der Vorgänger-Studie aus dem Jahr 2001 erneut alle Einzelhandelsbetriebe ab 650 m² im Ruhrgebiet (einschließlich des Kreises Kleve und dem Märkischen Kreis) mit einbezogen.