Deutsche Industrie wächst im Juli dank voller Auftragsbücher
Die deutsche Industrie ist im Juli wieder dynamischer gewachsen. Sie profitiert von rekordverdächtigen Produktions- und Auftragszuwächsen. Der saisonbereinigte Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) kletterte gegenüber dem Vormonat um 2,8 Zähler auf 61,2. Das ist der zweithöchste Wert seit Umfragebeginn im April 1996. Lediglich im April 2010 hatte der Index mit 61,6 Punkten noch höher notiert (Werte über 50 signalisieren Wachstum).
Die Produktion legte im Juli stärker zu als in den beiden Vormonaten. Der Teilindex Leistung stieg von 60,3 im Juni auf aktuell 63,6 Punkte. Alle drei Industriebereiche erzeugten mehr als im Vormonat. Dabei ließen die Investitions- und Vorleistungsgüterhersteller den Konsumgüterbereich hinter sich. Die Auslandsbestellungen hielten sich mit 56,1 zwar auf hohem Niveau, der entsprechende Index wies jedoch das niedrigste Plus seit fünf Monaten aus.
"Verantwortlich hierfür waren der nachlassende Welthandel und die gedämpfte Nachfrage nach Industrieerzeugnissen ‚Made in Germany‘ innerhalb der Eurozone", kommentierte BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Holger Hildebrandt am Donnerstag die aktuelle EMI-Statistik.
"Das Sommermärchen 2010 der deutschen Industrie hält an. Im Wettbewerb der konjunkturellen Erholung belegt Deutschland einen der vordersten Plätze", sagte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirt der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), am Donnerstag dem BME in einer ersten Bewertung der jüngsten EMI-Zahlen.
Die meisten anderen Länder hätten ihre beschleunigende Erholungsphase bereits beendet. Aber auch in Deutschland sei absehbar, dass aufgrund der hohen Exportabhängigkeit spätestens im Herbst das Sommermärchen sein Ende finde. Die Dynamik werde dann nachlassen. "Das bedeutet aber noch keinen Abstieg aus der ersten Liga", so Dr. Traud abschließend.
Die Vorleistungs- und Investitionsgüterhersteller verzeichneten im Berichtszeitraum robuste Zuwächse bei den Exportaufträgen, während im Konsumgüterbereich ein Minus zu Buche schlug. Sowohl Global Player als auch KMU konnten sich mit 63,2 (Juni: 58,1) erneut über ein hohes Plus an Neuaufträgen freuen. Dabei legten nicht nur die Auftragsbestände (Juli: 62,3) rasant zu, auch die Beschäftigtenzahl in den Unternehmen stieg den vierten Monat in Folge so stark wie zuletzt im Mai 2008. Sie profitierte von der höheren Kapazitätsauslastung und den wachsenden Produktionsanforderungen. Vor allem im Vorleistungs- und Investitionsgüterbereich wurden zahlreiche neue Stellen geschaffen. Gleichzeitig stagnierte die Beschäftigung im Konsumgüterbereich.
Index Einkaufspreise: Der Preisauftrieb verlangsamte sich im Juli zum dritten Mal in Folge. Er blieb jedoch im historischen Vergleich ausgesprochen hoch. Verantwortlich hierfür waren einerseits Lieferengpässe, andererseits aber auch der nach wie vor vergleichsweise niedrige Außenwert des Euro. Die anhaltende Talfahrt der europäischen Leitwährung führte zu einer generellen Verteuerung der Importe. Die Verkaufspreise (53,0) wurden zwar zum sechsten Mal hintereinander angehoben, doch auch hier fiel die Rate niedriger aus als im Juni (55,7).
Die durchschnittlichen Lieferzeiten verlängerten sich im Berichtsmonat mit der zweithöchsten Rate (32,1) seit Umfragebeginn vor 14 Jahren. Verantwortlich hierfür waren zu niedrige Lagerbestände und Kapazitätsengpässe auf Lieferantenseite. Folglich setzten die Branchenakteure alles daran, ihre Vormateriallager aufzustocken. Dies gelang ihnen auch zum vierten Mal hintereinander. Die Fertigwarenlager nahmen hingegen dank guter Umsätze leicht ab. Dass die Bestände mit 48,2 im Juni und 49,2 Zählern im Juli den zweiten Monat in Folge leicht sanken, lag zum einen an der starken Nachfrage, zum anderen aber auch an Produktionsverzögerungen infolge der Lieferschwierigkeiten für Vormaterialien.
Der "Markit/BME-Einkaufsmanager-Index" (EMI) ist ein monatlicher Frühindikator zur Vorhersage der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), Frankfurt. Er wird von der britischen Forschungsgruppe Markit Economics, London, erstellt. Der Index beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern/Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (PMI).