Public Manager
08.04.2010 | Beschaffungspraxis

Outsourcing von Dienstleistungen und die neue VOL/A 2010

Vergabe, Wirtschaftlichkeit und Kooperation. Nachlese zum Vergabenachmittag Mitte März 2010 für öffentliche Auftraggeber. Mitte März informierte der VOL/A-Infonachmittag in München umfas­send über die Neuerungen der VOL/A sowie über die praktischen Herausforderungen einer Ausschreibung von infrastrukturellen Service-Dienstleis­tungen wie Reinigung, Wäscherei und Catering.

Eingeladen hatten HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK, Partnerschaft von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Attorney-at-law, und Neumann & Neumann Projekt- und Beratungs GmbH, Ausschreibungs- und Dienstleistungsspezialist aus Steingaden/Oberbayern.

Das Vergaberecht ist seit einigen Jahren kontinuierlich in der Überarbeitung. Aktuell geht die Reform der VOL/A in eine neue Runde. Die VOL/A 2010 wurde am 29. Dezember 2009 im Bundesanzeiger Nr.196a veröffentlicht: Sie bringt eine Reform innerhalb des Systems, das heißt das umstrittene Kaskadenprinzip bleibt. In Kraft treten wird sie erst mit Inkrafttreten der neuen Vergabeverordnung (VgV), die die Anwendung der VOL/A oberhalb der Schwellenwerte bestimmt, das heißt nach momentaner Einschätzung von Fachleuten frühestens zum 1. Mai 2010.

Vorbereitungsaufgaben
Bevor aber eine Dienstleistung ausgeschrieben wird, im Fall der öffentlichen Hand gemäß VOL/A, muss der Ausschreiber eine ganze Reihe von Hausaufgaben machen. Diese erläuterte Eva Neumann, Geschäftsführerin von Neumann & Neumann Projekt- und Beratungs GmbH, Steingaden, anhand des so genannten Qualitätskreislaufes für infrastrukturelle Serviceleistungen:

Es gilt, den Ist-Zustand sowie den Soll-Zustand der zu beschaffenden Leistung zu definieren, die wichtigsten Eckdaten für die einzukaufenden Leistungen zu erheben und die Frage nach der künftigen Qualitätssicherung zu stellen. Von all diesen Daten und Anforderungen hängen letztlich die Kalkulation und die Sinnhaftigkeit eines Wirtschaftlichkeitsvergleichs ab, der auch für die Entscheidung zwischen Outsourcing und interner Leistungserbringung wesentlich ist.

Auf der Suche nach dem Marktpreis wiederum müssen ähnliche Objekte verglichen werden: also die Reinigung von Kliniken, das Catering in einem Ministerium, die Wäscherei für Altenheime.

Für Gebäudereinigung, Wäscherei und Catering sind die Kalkulationsgrundlagen zum Teil die gleichen - u.a. Vertragsbedingungen, Leistungsverzeichnis, Preisblätter, Kalkulationsvorgaben - zum Teil unterschiedlich: Während etwa für die Gebäudereinigung die zu reinigenden Quadratmeterzahlen abhängig vom Gebäudealter, von den Reinigungsgruppen und -turni wichtig sind, ist bei der Ausschreibung der Wäscherei die Entscheidung für Lohn- bzw. Mietwäsche oder auch Inhouse-Leistung gefragt, die Beschäftigung mit Logistik und Transport, was etwa bei personalisierter Kleidung sehr aufwendig sein kann.

Um einen Wirtschaftlichkeitsvergleich im Vorfeld der Ausschreibung anzustellen, stehen durchschnittliche Erfahrungswerte zur Verfügung, u.a. für die Wäscherei, so Eva Neumann. Für das Outsourcing des Caterings wiederum ist u.a. zu definieren, wie viele Mitarbeiter ein Dienstleister in der Kantine einsetzen soll, wie der Speiseplan auszusehen hat, eventuell auch für den Fall von Events. Nötig sind eine Kalibrierungsliste, eine Einkaufsdefinition, der Wareneinsatz, also die Festlegung, wie viele Gramm von welchem Produkt in welcher Qualitätsstufe in welcher Zubereitungsart auf den Teller der Kantinenbesucher kommen sollen. Die Wareneinsatzpreise zuzüglich der Personal- und Betriebsnebenkosten sowie der Betriebsführungsgebühr ergibt letztlich die Kosten für die Kantine.

Generell gilt, so zusammenfassend Eva Neumann: Zu den Vorbereitungen einer Ausschreibung von Leistungen gehört eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, also eine erste Einschätzung der Marktpreise, um Preise und Kalkulation in den abgegebenen Angeboten fundiert prüfen zu können. Voraussetzung dafür sind die erforderlichen fachlichen Unterlagen zu den Anforderungen, die Vorgaben für die Kalkulation, ein Kennzahlenvergleich sowie eine Budgetkontrolle.

Effizientere Verfahren durch VOL/A
Dr. Wolfgang Renner, LL.M, Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, erläuterte in seinem Vortrag zur VOL/A 2010, dass sie ganz im Zeichen der Steigerung von Effizienz und Praktikabilität von Vergabeverfahren stehe. Sie sei damit auch eine Reaktion darauf, dass die Rechtsprechung die Anforderungen an die Auftraggeber in den letzten Jahren stetig angehoben habe.

Ob die zugleich angestrebte Vereinfachung und Vereinheitlichung allerdings durch die derzeit in der Schlussfassung befindlichen Veränderungen der VOL erreicht werden, wird von Praktikern durchaus angezweifelt. Die Veränderungen betreffen beispielsweise die Begünstigungsklausel für Subunternehmer, die wegfallen wird - zulasten des oft als Subunternehmer eingesetzten Mittelstands - oder das "ungewöhnliche Wagnis", auf das Auftragnehmer nicht mehr werden zurückgreifen können.

Zu den Veröffentlichungspflichten kommt u.a. die zentrale Auffindbarkeit einer Ausschreibung via www.bund.de hinzu und die nachlaufende Veröffentlichung der erteilten Zuschläge. Bei der Losaufteilung werden die mittelständischen Interessen gestärkt, Reduzierung der Lose oder Verzicht auf Losaufteilung bleiben weiterhin möglich, betont Dr. Renner: als ausführlich und nachhaltig zu begründende Ausnahme.

Bieterfragen, Bietereignung, Nachfordern bei fehlenden Angaben:
Insgesamt machte der Vortrag von Dr. Renner zur VOL/A 2010 deutlich, dass sich jeder Ausschreiber im Detail mit den Änderungen wird befassen müssen. Hinauszögern muss keiner eine Ausschreibung mit Blick auf den noch offenen Termin, zu dem die VOL/A 2010 in Kraft treten wird. Denn es gilt stets die Version, die gültig war zum Zeitpunkt der Ausschreibung.

Effizienz durch Einkaufskooperation
Ein weiteres Thema der Effizienz-, aber auch der Wirtschaftlichkeitssteigerung ist die gemeinsame Vergabe mehrerer öffentlicher Auftraggeber, die auch die Aufwände und Risiken von Vergabeverfahren auf mehrere Schultern verteilt. Hier kommt das Kartellrecht ins Spiel, so Dr. Reinhard Siegert, Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Lange war klar: Das GWB mit seinen kartellrechtlichen Vorgaben erstreckt sich auch auf die öffentliche Hand, soweit sie eine unternehmerische Tätigkeit - unabhängig von der Rechtsform! - ausübt - einschließlich der Beschaffung. Die 7. GWB-Novelle passte das deutsche nun an das europäische Recht an. Und der EuGH unterstellt die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen NICHT dem Kartellrechtsverbot, wenn sie im Rahmen der Ausübung einer hoheitlichen Aufgabe erfolgt.

In Deutschland, so Dr. Siegert, zögere nun die öffentliche Hand, diese europäische Sichtweise für sich zu nutzen, obwohl viele Experten, wie auch Dr. Siegert, für die Übernahme der EuGH-Auslegung votieren, da die 7. GWB-Novelle ja gerade die Anpassung an die europäische Rechtsprechung vornehmen sollte.

Generell gilt:
Die Vorschriften über wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen gemäß § 101 AEUV § 1 GWB greifen, wenn beispielsweise Kommunen auf kooperative Beschaffung setzen, in welcher Form sie das auch immer tun. Denn dadurch wird der Nachfragewettbewerb eingeschränkt. Kommunen haben nichts zu befürchten, wenn die gebündelte Beschaffung keinen Marktanteil von mehr als 15 Prozent erreicht, darüber hinaus muss gemäß EU-Rechtslage eine Begründung abgegeben werden.

Keine Ausnahme vom Kartellrechtsverbot gibt es ganz klar, wenn mit 40 Prozent plus x Marktanteil eine marktbeherrschende Nachfrageposition erreicht wird.

Unabhängig von den Neuerungen des Vergaberechts und speziell der VOL/A bleibt festzuhalten: Schon jetzt ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, die VOL/A beispielsweise bei der Ausschreibung von Reinigungsdienstleistungen rechtssicher umzusetzen, weiß der Ausschreibungsspezialist Neumann & Neumann aus der Praxis. Der Beistand eines Rechtsanwalts mit entsprechendem fachlichem Schwerpunkt ist mittlerweile nahezu unverzichtbar, so Eva Neumann.

Das ist der Hintergrund für die Zusammenarbeit von Neumann & Neumann mit Heuking Kühn Lüer Wojtek in München bei vielen Ausschreibungen im Auftrag der öffentlichen Hand, ebenso wie für den Vergabenachmittag zum "Outsourcing von Dienstleistungen nach der neuen VOL/A 2010" im März 2010.