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29.10.2009 | Krankenhaus

Kampf gegen Krankenhauskeime erfordert ganzheitliche Betrachtung von Hygienesystem und Werkstoffen

Gefährliche Krankenhauskeime sind nach Einschätzung des Europäischen Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) eine der größten medizinischen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Jeder zehnte Patient, der in der Europäischen Union (EU) in ein Krankenhaus eingeliefert wird, infiziert sich dort.

Von rund drei Millionen Menschen, die in der EU pro Jahr eine nosokomiale - also eine im Krankenhaus erworbene - Infektion bekommen, sterben 37.000 daran. Allein in Deutschland infizieren sich nach Erhebungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) jährlich über 500.000 Patienten im Krankenhaus mit einem der hochresistenten Keime.
Weltweit arbeiten Forscher und Hersteller auf Hochtouren, um geeignete Maßnahmen zur Prävention gegen die gefährlichen Mikroben zu finden. Nicht nur in der Fachwelt wird aktuell wieder einmal die seit Jahrtausenden bekannte, oligodynamische - keimtötende - Wirkung von Kupfer als neue Wunderwaffe auf Kontaktoberflächen gegen Problemkeime diskutiert.
Stand der Wissenschaft ist jedoch der in Hygiene und Gesundheitswesen bewährte, klassische Werkstoff Edelstahl Rostfrei.

Auch nach einer aktuellen Studie des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH) an der Universität Bonn rechtfertigen die antibakteriellen Eigenschaften von Kupfer es nicht, den Werkstoff Kupfer derzeit ohne Einschränkung zur Keim-Prophylaxe zu empfehlen. Entscheidender Systemfaktor Oberflächenbeschaffenheit Ursache der gefürchteten Krankenhausinfektionen sind gegen gebräuchliche Antibiotika zunehmend hochresistente Keime. Die Wirkungsweise von Antibiotika beruht darauf, dass sie in das Innere eines Bakteriums eindringen, dort die Bildung neuer Zellen und somit ihre Vermehrung verhindern. Auf häufigen Einsatz von Antibiotika reagieren Bakterien durch Mutation zu resistenten Erregern.

Fünf solcher Keime gelten als besonders verbreitete Auslöser für Krankenhausinfektionen: MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus Aureus), ORSA (Oxaxillin-resistenter Staphylococcus Aureus), VRSA (Vancomycin-resistenter Staphylococcus Aureus), VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) und ESBL (Extended Spectrum β-Lactamasen).
Häufigste Komplikationen beispielsweise einer MRSA-Infektion sind Blutvergiftungen, Lungenentzündungen und Harnwegsinfekte. Hauptübertragungsweg der gefürchteten Erreger ist der direkte Kontakt über die Hände. Eng damit verbunden ist in Kliniken und Praxisräumen das Kontaminationsrisiko oft berührter Oberflächen wie Türklinken, Lichtschalter, Bettgestelle, Nachttische oder auch Sanitärarmaturen. Dort können die Keime sogar über längere Zeiträume überleben. Neben dem systematischen Einsatz der verschiedenen Reinigungs- und Desinfektionsmittel ist deshalb auch die Beschaffenheit der Oberflächen als Ort der Bakterienansiedlung und -übertragung Gegenstand zahlreicher Untersuchungen.

Seit dem Altertum weiß die Menschheit um die antibakterielle Wirkung von Kupfer. Diese im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Krankenhauskeimen derzeit als bahnbrechender Lösungsweg proklamierte antimikrobielle Wirkung von Kupfer lässt verschiedene Faktoren unberücksichtigt. Deshalb gibt es gute Gründe für die seit Jahrzehnten führende Position von Edelstahl in all jenen Einsatzfeldern, wo kompromisslose Hygiene dauerhaft gleich bleibend zuverlässig gewährleistet sein muss.

Langfristig inert statt ungeklärte Resistenzbildung
Edelstahl Rostfrei zeichnet sich durch eine besonders glatte und inerte Oberfläche aus, die keine Ionen abgibt. Im Gegensatz hierzu beruht die unbestritten biozide Wirkung von Kupfer auf der Fähigkeit des Werkstoffs, Ionen abzugeben, die - vergleichbar mit der Wirkungsweise von Antibiotika - in die Bakterienzelle eindringen und diese zerstören können. Bislang ungeklärt ist jedoch die Frage, ob Bakterien bei dauerhafter Exposition von Kupfer wie auf häufige Antibiotikagabe mit Resistenzbildung reagieren. In der Konsequenz ist es fraglich, ob die antibiotische Wirkung von Kupferoberflächen im Wettlauf mit einer mutationsbedingten Resistenz der Bakterien ausreichend nachhaltig ist.

Absolut glatt statt gefährliche Schmutzbarrieren
Auf der kratz- und abriebfesten Oberfläche von Edelstahl Rostfrei entsteht dauerhaft auch auf häufig berührten Bauteilen kein Haftgrund für Bakterien. Die antimikrobielle Wirkung der Ionenabgabe von Kupfer kann jedoch durch verschiedene Einflüsse beeinträchtigt werden. Erste praxisorientierte Versuche zeigen, dass die oligodynamische Wirkung des Werkstoffs - also seine antibakteriellen Eigenschaften - bei Verunreinigungen durch Schweiß und Schmutz nachlassen kann, da diese sich zwischen Ionen abgebender Oberfläche und kontaminierenden Bakterien ablagern. Hierdurch wird der Ionenübertritt verhindert. Griffkontaktintensive Oberflächen wie Türklinken oder Lichtschalter sind diesen Verschmutzungen in hohem Maße ausgesetzt, so dass eine entsprechende Barrierenbildung für die Ionen nicht auszuschließen ist. Ein im Dauergebrauch nachlassender Ionenaustritt und damit reduzierter antibakterieller Effekt würde der gegenwärtigen Diskussion um den oligodynamischen Werkstoff Kupfer die Grundlage entziehen.

Mechanisch beständig statt Risiko Oberflächenrauigkeit
Die harte und homogene Beschaffenheit von Edelstahloberflächen ermöglicht die Einhaltung höchster Hygienestandards. Bei Kupfer wird hingegen für eine effiziente Ionenabgabe in der Regel eine weiche Kupferlegierung benötigt. Härtere Kupferlegierungen geben weniger Ionen ab, wodurch die antibakterielle Wirkung verringert würde. Im Vergleich zu Edelstahl Rostfrei sind diese weichen Kupferoberflächen deutlich anfälliger für Kratzer. Bei stark frequentierten Oberflächen wie Tastern, Griffen oder Gestellen lassen sich solche Beschädigungen durch Gebrauch und mechanische Reinigung bei Kupfer nicht vermeiden. Die entstehenden Vertiefungen begünstigen eine bakterielle Besiedlung nicht nur, sondern können sie sogar beschleunigen und eine hygienische, gleichmäßige Reinigung erschweren. Im Klinikalltag bedeutet diese sich kontinuierlich vergrößernde Oberflächenrauigkeit das Risiko einer steigenden Verschmutzung, wodurch Austritt und damit Wirksamkeit der Ionen zunehmend beeinträchtigt werden können. Im Gegensatz dazu hält die glatte Oberfläche von Edelstahl den gegebenen mechanischen Beanspruchungen dauerhaft stand

Hygienische Keimfreiheit statt problematische Patinabildung
Die Passivschicht von Edelstahl ist durch Säuren oder Laugen nicht angreifbar, so dass keine Wechselwirkungen zwischen Metalloberfläche und Reinigungsmitteln auftreten. Folglich entsteht auch bei häufigem Kontakt von Edelstahl mit Desinfektions- oder Reinigungsmitteln kein Biofilm mit Restkeimen. Zudem minimiert die inerte Edelstahloberfläche die Interaktion des Werkstoffs mit der Umwelt, unerwünschte Reaktion mit Luftsauerstoff oder gar Rostbildung sind dadurch sicher ausgeschlossen. Bei Kupfer kann regelmäßige Reinigung zu einer Veränderung der Oberflächen führen, was sich durch Anlaufen und Bildung einer grünlichen Patina zeigt. Die im Krankenhaus gebräuchlich eingesetzten oxidativen oder sauren Reinigungs- und Desinfektionsmittel fördern die Patinabildung. Diese Patina vermittelt nicht nur den Eindruck mangelnder Hygiene, sondern führt dazu, dass die Oberfläche tatsächlich schlechter zu reinigen ist, wodurch ebenfalls die Ionen-Durchlässigkeit und damit die antibakterielle Wirkung reduziert werden.

Dauerhaft sicher statt Desinfektionslücken durch nachlassenden Ionenaustrag
Vor diesem Hintergrund birgt auch die schon aus wirtschaftlichen Gründen naheliegende Schlussfolgerung, dass durch den Einsatz biozider Kupferoberflächen der Gebrauch von Desinfektionsmitteln reduziert werden kann, große Gefahren. Die geschilderten Einflussfaktoren machen das Risiko eines aus unterschiedlichen Gründen nachlassenden Ionenaustrags deutlich. Hierdurch wird eine dauerhaft hohe antibakterielle Wirkung von Kupferoberflächen in Frage gestellt. Als Folge nachlassender Wirksamkeit und dadurch eventuell entstehender Desinfektionslücken würde die Keimbelastung sogar verschlimmert, da überlebende Erreger neue Resistenzen ausbilden.

Beschichtungen nicht zu empfehlen
Auch die alternativ diskutierten Beschichtungen von Edelstahl mit Kupfer oder Nano-Silber sind nicht zu empfehlen. Die anfangs guten bakteriziden Eigenschaften gehen mit dem Abtrag der Beschichtung durch Reinigung und mechanische Beanspruchung allmählich verloren. Dies führt zum steigenden Verlust der antibakteriellen Wirkung.
Kupferbeschichteter Edelstahl ist zudem weniger korrosionsbeständig. Ein langfristiger Einsatz beschichteter Edelstahloberflächen ist somit nicht möglich und auch nicht wirtschaftlich.

Fazit
Die jüngste Studie zeigt, dass isoliert betrachtete Vorteile wie antimikrobielle Werkstoffeigenschaften im Kampf gegen multiresistente Krankenhauskeime nicht die notwendige Nachhaltigkeit bieten. Nur die dauerhaft gleichbleibend hohe chemische und mechanische Beständigkeit von Edelstahl Rostfrei gewährleistet konstant zuverlässige Qualität, Hygiene und Ästhetik.
Kombiniert mit effektiven Reinigungs- und Desinfektionssystemen ist die glatte und inerte Oberfläche von Edelstahl die somit sicherere und wirtschaftlichere Lösung für bestmöglichen Schutz vor Krankenhauskeimen.

Der vollständige Schlussbericht der Studie steht Ihnen auf der Internetseite www.edelstahl-rostfrei.de
in der Rubrik "Werkstoff/Infos” zur Verfügung.