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02.06.2009 |

In Deutschland liegen noch immer rund 90.000 Tonnen unentschärfter Blindgänger

Erfahrene Sprengmeister warnen: Gängige Praxis in der Baugenehmigung birgt unterschätzte Risiken

"Kurz nach Kriegsende ging man davon aus, dass bis Ende 1945 alle Bombenblindgänger entdeckt und entsorgt werden würden. Dann wurde die Frist um ein Jahr verlängert, dann wieder und so fort", sagt Herbert Tauber - einer, der bei dem Thema ganz in seinem Metier ist: Er führt die K.A. Tauber Spezialbau GmbH, die seit 45 Jahren in der Kampfmittelbeseitigung tätig ist. "Heute, 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg können wir nur sagen: Wir sind noch lange nicht so weit".

Auch Gemeinden sind von diesem Thema betroffen, etwa wenn es um Baumaßnahmen geht. Jede Kommune will Gewerbetreibende so gut wie möglich in ihren Bauvorhaben unterstützen. Doch die Abwägung zwischen notwendigen Maßnahmen und Gewerbefreundlichkeit ist nicht immer einfach: Beim Thema Kampfmittelbeseitigung nehmen Kommunen häufig unkalkulierbare Risiken in Kauf. Denn heutzutage einigen sich Ämter und Bauherren bei Verdachtsflächen in der Praxis oft auf eine Bauaushubüberwachung, die im Vergleich zu einer Sondierung weniger kostet.
Dies stößt bei Experten auf Kritik: "Es ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn die Luftbildauswertung Verdachtsmomente ergeben hat", sagt Günter Hanft, der seit 35 Jahren Bomben entschärft. "Ein Restrisiko, dass direkt neben dem Aushub scharfe Munition liegt, bleibt bestehen."

"Einmal haben wir auf der Baustelle eines Großkonzerns während der von uns technisch überwachten Aushubarbeiten eine Bombe gefunden. Obwohl die Luftbildauswertung Verdachtsmomente ergeben hatte, wollte der Konzern aus Kostengründen zunächst keine Sondierung vornehmen", erzählt Firmeninhaber Herbert Tauber. "Doch nach dem ersten Fund haben wir das ganze zu bebauende Gebiet sondiert und fünf weitere Bomben gefunden. Seitdem sondieren wir immer, wenn der Konzern irgendwo baut." Die Geschäftsleitung hatte erkannt, dass die Kampfmittelbeseitiger nicht aus Panikmache zu der Untersuchung des Geländes geraten hatten.

Medienberichte vermitteln oft den Eindruck, dass Funde von Blindgängern Einzelfälle wären, doch Hanft korrigiert: "Leider stimmt das nicht. Insgesamt liegen seriösen Schätzungen zufolge in Deutschland noch um die 90 Tausend Tonnen Blindgänger in der Erde."
Auch das Alter schade der Sprengkraft der Bomben keineswegs, warnt der Experte: "Der Sprengstoff ist wie neu. Es ist eher die Frage, wie lange man diese Bomben überhaupt noch entschärfen kann. Das Wichtigste ist, dass wir den Menschen ein Gefühl dafür vermitteln, wie ernst das Problem tatsächlich zu nehmen ist."

Bomben mit Aceton-Langzeitzündern: Die unterschätzte Gefahr
Gefährlich sind insbesondere die Bomben mit einem Säure-Langzeitzünder, da diese mit der Zeit korrodieren und es zu Selbstzündungen kommen kann. Im Zünder dieser Bomben befindet sich eine mit dem (im Volksmund zur Säure mutierten) Lösungsmittel Aceton gefüllte Glasampulle sowie ein durch eine starke Feder gehaltener Schlagbolzen. Dieser wird durch eine Haltescheibe aus Zelluloseacetat fixiert. Schlägt die Bombe auf den Boden auf, zerbricht das Glas und das austretende Aceton löst das Zelluloseplättchen auf. Der Auflösungsvorgang der Haltescheibe kann bis zu 144 Stunden dauern, im Schnitt jedoch 75 Stunden. Am Ende reißt die Feder den Schlagbolzen los und treibt ihn auf den Detonator. Geht eine Bombe nicht hoch, kann das daran liegen, dass die Glasampulle nicht zerstört wurde oder die Bombe falsch herum auf dem Boden aufgetroffen ist.

"In dem Fall wirken nur die Acetondämpfe auf die Haltescheibe ein", erläutert Bombenexperte Josef Beier, der wie Hanft über dreißig Jahre Erfahrung im Entschärfen verfügt. "Das bedeutet, dass diese langsamer zersetzt wird. Eine kleine Erschütterung ist möglicherweise ausreichend, damit die Bombe auch nach 60 Jahren noch hochgeht."
Ein Problem, das gerne verdrängt wird. "Wer möchte denn heute noch vom Krieg sprechen. Die junge Generation kennt das nur noch aus Büchern und dem Fernsehen", sagt Tauber. Was die Kampfmittelbeseitigung unnötig verkompliziere sei auch die gesetzliche Grundlage, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist.

Luftbildauswertung und Sondierungen
In der Regel muss vor Beginn einer Baumaßnahme eine Luftbildauswertung durchgeführt werden, um festzustellen, ob das betreffende Gebiet während des Krieges bombardiert wurde. "Dafür benutzen wir Luftbilder, die die Alliierten nach ihren Bombardierungen gemacht haben", erklärt Tauber. Nach den Angriffen seien Aufklärungsflugzeuge der Alliierten über die zuvor bombardierten Flächen geflogen, um das Ausmaß der von dem Angriff verursachten Zerstörung zu dokumentieren. Diese Bilder dienen heute dazu festzustellen, welche Gebiete besonders von den Bombenangriffen betroffen waren. Ergibt die Luftbildauswertung, dass die Fläche höchstwahrscheinlich nicht bombardiert wurde, kann gebaut werden. Bei Verdachtsmomenten sollte die Fläche von einer amtlich zugelassenen Fachfirma oder dem Kampfmittelbergungsdienst des jeweiligen Landes sondiert werden. Erst nach Ausstellung einer Munitionsfreiheitsbescheinigung darf gebaut werden.
Doch viele Bauherren schrecken aus finanziellen Gründen vor Sondierungen zurück. Zwar werden die Kosten einer Bomben-Bergung vom Land getragen, doch die Sondierung muss der Bauherr aus eigener Tasche finanzieren. Mittlerweile geht man deshalb in der Praxis dazu über, bei Verdachtsmomenten eine Bauaushubüberwachung vorzunehmen.
Das ist eine fachtechnische Begleitung der Bauvorhaben. "Auf gut Deutsch: Es stehen Spezialisten neben dem Bagger, haben ein Auge drauf und stoppen die Aushubmaßnahmen sofort, wenn sie etwas Auffälliges finden", sagt Hanft, der in seiner Karriere schon über 400 Bomben entschärft hat.
Sinnvoller sei es, wenn Verdachtsmomente aus der Luftbildauswertung ernster genommen und sich mehr Bauherren zu Sondierungen entschließen würden. "Es ist eben so", sagt Beier, "hundert Mal geht es gut - und beim 101. Mal ist da noch eine Bombe."

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