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11.02.2009 | Umfragen

VI. AmCham Business Barometer: Deutschland ist trotz Krise attraktivster Investitionsstandort für US-Firmen in Europa

Nach dem Regierungswechsel in Washington erwartet Mehrheit der befragten US-Firmen bessere transatlantische Beziehungen - Unternehmen fürchten Umsatzeinbußen, wollen aber an geplanten Investitionen festhalten

Trotz oder vielleicht gerade wegen der Krise wählen US-Firmen Deutschland erstmals zum attraktivsten Investitionsstandort in Europa. Deutschland überholt damit nicht nur die anderen großen westeuro­päischen Volkswirtschaften, sondern auch Osteuropa, das in den beiden Vorjahren an erster Stelle rangierte.
Zu diesem Ergebnis kommt das VI. AmCham Business Barometer, eine gemeinsame Umfrage der Boston Consulting Group (BCG) und der Amerikanischen Handels­kammer in Deutschland (American Chamber of Commerce in Germany, kurz "AmCham Germany") unter 61 US-Firmen mit insgesamt 110 Milliarden Euro Umsatz am deutschen Standort und 250.000 direk­ten Arbeitsplätzen.

"Da gerade in Krisenzeiten das Sicherheitsbedürfnis der Kunden steigt, legen die Unternehmen besonderen Wert auf eine hohe Produkt- und Prozessqualität - und diese finden sie in Deutschland", sagt BCG-Deutschland-Chef Christian Veith.
Um die Attraktivität des Standorts auch über die Krisenzeiten hinaus zu sichern, müssen jedoch deutsche Schulen und Universitäten nach Meinung von 55 Prozent der US-Firmen mehr hochqualifizierte Nachwuchskräfte ausbilden. Besonders die Suche nach Ingenieuren gestaltet sich schwierig. Dennoch könnten Deutschland und die USA künftig sogar noch näher zusammenrücken: "Unsere Umfrage zeigt hohe Erwartungen an den US-Regierungs­wechsel. Die meisten Unternehmen gehen davon aus, dass Deutschland und die USA künftig auf politischer, vor allem aber auch auf wirt­schaftlicher Ebene noch enger zusammenarbeiten werden", sagt Fred B. Irwin, Präsident von AmCham Germany.

41 Prozent der US-Firmen wollen Arbeitsplätze streichen
Im Rahmen dieser Umfrage bewerten US-Unternehmen den Standort Deutschland und prognostizieren, wie sich ihr Umsatz, ihre Investi­tionstätigkeit und die Anzahl ihrer Mitarbeiter im neuen Jahr entwickeln werden. In den sechs Jahren der Befragung ist erstmals ein deutlicher Einbruch zu verzeichnen: Nur noch die Hälfte der Unternehmen glaubt, ihren Umsatz im neuen Jahr steigern zu können - Anfang 2008 waren es noch über drei Viertel.
22 Prozent der Befragten rechnen zwar mit einem stabilen Umsatz, 26 Prozent jedoch mit einem Umsatzrückgang (2008: neun Prozent).
Schlechte Nachrichten auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt: Planten Anfang 2008 noch 38 Prozent der US-Firmen, vermehrt Mitarbeiter einzustellen, wollen nun nur noch 18 Prozent neue Stellen schaffen. Dafür stieg die Zahl der Unternehmen, die beabsich­tigen, Arbeitsplätze zu streichen, um 25 Punkte auf 41 Prozent.

Umsatzerwartungen 2008 nicht erfüllt
Dass die US-Firmen sorgenvoll in die Zukunft blicken, verwundert nicht: Hatten Anfang 2008 noch 81 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatzwachstum gerechnet, konnten rückblickend lediglich 65 Prozent dieses auch realisieren. 21 Prozent mussten sogar Einbußen hinnehmen - erwartet hatten dies nur neun Prozent.
Auch die Mitarbei­terzahlen entwickelten sich nicht wie geplant: Über ein Viertel der US-Unternehmen reduzierten ihre Belegschaft, obwohl Anfang des Jahres lediglich 16 Prozent einen Stellenabbau beabsichtigt hatten.
Dennoch verlieren die befragten Unternehmen die langfristige Perspektive nicht aus dem Auge und wollen weiterhin in Deutschland investieren: Über die Hälfte plant für 2009 Investitionen auf dem Niveau des vergangenen Jahres, ein Drittel will diese sogar noch ausbauen. Nur 17 Prozent gaben an, 2009 weniger in Deutschland investieren zu wollen als im Vorjahr.
"Die Investitionsvorhaben zeigen, dass die Unternehmen die Krise auch als Chance wahrnehmen und sich schon jetzt für den Aufschwung rüsten", sagt BCG-Deutschland-Chef Veith.
Obwohl viele Prognosen die deutsche Wirtschaft wegen ihrer hohen Exportabhängigkeit besonders betroffen sehen, steht in den Augen der befragten Unternehmen gerade Deutschland im europäischen Vergleich noch relativ günstig da: Rund ein Drittel von ihnen ist überzeugt, dass die Auswirkungen der Finanzkrise in Deutschland weniger stark zu spüren sind als in anderen Ländern.
"Unsere Mitglieder haben uns versichert, dass Deutschland aufgrund des verhältnismäßig stabilen Immobilienmarktes, der hohen Kaufkraft und der geringen Verschul­dung der Privathaushalte noch immer ein äußerst attraktiver Markt ist", sagt Fred B. Irwin, Präsident von AmCham Germany.
"Während einige der Schwesterbetriebe im europäischen Ausland bereits mit einem starken Konsumrückgang zu kämpfen haben, bleibt das auf Deutschland fokussierte Geschäft der hier ansässigen US-Unternehmen davon noch weitestgehend unberührt." Erst wenn auch die Bundesbürger kein Geld mehr ausgeben, bekommen auch die US-Firmen die volle Wucht der Rezession zu spüren.

Fusionen und Übernahmen verlieren an Bedeutung
Im Hinblick auf die für 2009 geplanten Aktivitäten steht organisches Wachstum wie in den vergangenen Jahren wieder ganz oben auf der Prioritätenliste der befragten Unternehmen (76 Prozent). Strategische Akquisitionen verlieren dagegen zunehmend an Bedeutung: Nur noch 13 Prozent der US-Firmen planen Fusionen oder Übernahmen; vor zwei Jahren war es noch fast jede dritte.
Eine Verlagerung von Geschäfts­tätigkeit in andere europäische Länder bzw. aus Europa heraus beab­sichtigen mit 18 bzw. sechs Prozent nur wenige Unternehmen. Die prognostizierten Desinvestitionen, etwa der Verkauf von Unternehmensteilen, stiegen nach zwei Prozent im vergangenen Jahr für 2009 jedoch auf neun Prozent.

"In einer von konjunkturellen Zyklen geprägten Wirtschaft kommt irgendwann der nächste Aufschwung", sagt Christian Veith und fordert: "Jetzt müssen Politik und Unternehmen an einem Strang ziehen - nur so lässt sich der nach wie vor beachtliche Stellenwert des Standorts Deutschland sichern oder sogar ausbauen."

Die Studie (deutsch und englisch) finden Sie unter www.amcham.de
zum Download.