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11.11.2008 | Soziale Stadt/PPP-Projekte

VdW-Studie zu Ergebnissen des modernen Sozialmanagements beim Wohnen

Einen Richtungswechsel der sozialen Wohnungspolitik forderte Rudolf Ridinger, Vorstandssprecher des VdW südwest anlässlich der Präsentation der am Dienstag in Frankfurt vorgelegten Studie zum Sozialen Wohnen.

Die Studie habe ergeben, dass der bisherige soziale Wohnungsbau den aktuellen und künftigen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht gerecht werden könne. Beim Wohnen zeige sich wie in der Sozialpolitik insgesamt, dass der Versorgungsstaat zu einem aktivierenden Sozialstaat umgebaut werden müsse.

Sozialer Wohnungsbau: Ineffizient und nicht zeitgemäß

Die Grenzen des sozialen Wohnungsbaus seien sowohl quantitativ als auch qualitativ erkennbar. So spiele der soziale Wohnungsbau, der vor allem preisgünstigen Wohnraum garantieren soll, auf den Wohnungsmärkten bald keine Rolle mehr. Nach Angaben des Bundesbauministeriums werde Ende dieses Jahrzehnts der Bestand an Sozialwohnungen bundesweit gegenüber der Jahrtausendwende auf nahezu die Hälfte gefallen sein, Tendenz weiter fallend. Vor allem in strukturschwachen Regionen sei, so Ridinger ergänzend, zu beobachten, dass die Mieten für Sozialwohnungen sogar teilweise über dem Marktniveau liegen, von Beitrag für preisgünstiges Wohnen könne hier also keine Rede sein.

Wie wenig der soziale Wohnungsbau zur Bewältigung der sozialen Herausforderungen beitrage, werde schließlich daran deutlich, dass in den Schwerpunktquartieren des sozialen Wohnungsbaus mit dem Förderprogramm "Soziale Stadt" Zusatzmaßnahmen finanziert werden, um die negativen Folgen der sozialen Problemlagen in diesen Quartieren zu beheben. Allein die Bundesregierung stelle für die Folgemaßnahmen rund 20 Prozent ihrer Mittel für das "soziale Wohnen" bereit.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Finanzierungsnöte des Sozialstaates bezeichnet Ridinger es als einen "schlechten Treppenwitz", dass mit dem so genannten Programm der "Sozialen Stadt" mit Bundes-, Landes- und kommunalen Mitteln versucht werde, negative Folgen des sozialen Wohnungsbaus durch den Aufbau tragfähiger soziale Netze auszugleichen.

Neuartige Sozialprojekte beim Wohnen

Ridinger sieht deshalb den sozialen Wohnungsbau, der in der Nachkriegsphase eine bedeutende Rolle eingenommen habe, faktisch ohne Perspektive. Bestätigt sieht er sich dabei durch die Ergebnisse der vom Verband beim renommierten Institut Wohnen und Umwelt aus Darmstadt in Auftrag gegebenen Studie zu "Neuen Sozialen Fragen" beim Wohnen. Diese Studie untersucht den Beitrag aktueller sozialer Pilotprojekte in Wohnquartieren zur Bewältigung von aktuellen und künftigen sozialen Herausforderungen.

Wieder mehr Nachbarschaftshilfe

Dabei handele es sich, so Ridinger, vor allem um Projekte, die eine stärkere soziale Kontrolle verbunden mit einer Aktivierung von Nachbarschaftshilfe in Wohnquartieren anstreben. Die Projekte hätten laut Studie gezeigt, dass die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement in der Bevölkerung viel größer ist als gemeinhin angenommen. Ridinger führt dies darauf zurück, dass gerade bei Sozialprojekten vielen vereinsamten Menschen durch die aktive gesellschaftliche Einbindung wieder ein Sinn vermittelt wird.

Mehrere soziale Ziele "mit einem Streich"

Auch zeigten sich bei einzelnen neuartigen Projekten Ansatzpunkte, mehrere soziale Ziele "mit einem Streich" zu realisieren. Als Beispiel nannte Ridinger zwei neuere Projekte in Frankfurt und Wiesbaden, bei denen Arbeitslose in Aufgaben des Quartiersmanagements und der Erledigung von Arbeiten für bedürftige Bewohner, wie etwa Einkäufe oder Reinigungsarbeiten, einbezogen werden. Hier werde vielen Bewohnern im Alltag geholfen und gleichzeitig ein Beitrag zum Abbau vor allem der Langzeitarbeitslosigkeit geleistet. Die ersten Erfahrungen, so Ridinger zu diesen noch sehr jungen Projekten, seien durchweg positiv.

Aktivierender Sozialstaat statt Versorgungsstaat

Der Verbandssprecher begrüßt deshalb die Aussage der Studie, die im Bereich des Wohnens Anknüpfungspunkte für einen aktivierenden Sozialstaat sieht. Dieser unterscheide sich vom derzeitigen Versorgungsstaat, der immer mehr Bezieher von Transfereinkommen versorgt, und im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme an seine Finanzierungsgrenzen stößt. Ridinger sieht im Versorgungsstaat eine Krake, die in den Würgegriff ihrer eigenen Arme gerät und weist darauf hin, dass der aktivierende Sozialstaat präventiv wirke, während der Versorgungsstaat als Reparaturbetrieb fungiere.

Allerdings sei es auch für die Wohnungswirtschaft nicht zumutbar, als gesellschaftlicher Reparaturbetrieb zu fungieren. So sei auch bei den untersuchten Projekten vor allem eine Anfangsfinanzierung erforderlich, die teilweise durch die Arbeitsverwaltung oder die Kommunen übernommen werde. Zudem sieht Ridinger erhebliche Potentiale im Ausbau von Kooperationen mit den Wohlfahrtsverbänden sowie sozialen und kommunalen Einrichtungen. Hier könne der Staat viel bewirken, indem er solche Projekte fördere. Die Ausgaben der sozialen Sicherungssysteme für den Versorgungsfall könnten dadurch reduziert oder zumindest zielgerichteter eingesetzt werden.

Ohne ein Umsteuern auf diesem Gebiet könnte der Sozialstaat in die soziale Katastrophe abdriften. "Viele Anzeichen sprechen dafür, und besonders die Entwicklungen beim Wohnen sprechen eine deutliche Sprache", so Rudolf Ridinger, denn das Wohnen sei ein Resonanzboden für gesellschaftliche Entwicklungen und wirke damit gleichzeitig als Frühwarnsystem für soziale Problemlagen.

Besonders dramatisch seien die Konsequenzen der Entwicklung der Einkommensschere in der Bevölkerung bei gleichzeitiger Vereinzelung der Gesellschaft. Ridinger verwies auf die aktuellen Befunde der OECD, nach der die Armutsrisiken in Deutschland mit Abstand am höchsten seien. In den vergangenen Jahren sei zudem die Zahl der Single-Haushalte kontinuierlich angestiegen. Für das Wohnen, dem größten Ausgabeposten der privaten Haushalte, stehe immer weniger Geld zur Verfügung. Dabei spiele die Vereinzelung eine zentrale Rolle, da in Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Ländern überdurchschnittlich viele Haushalte ohne regelmäßiges Erwerbseinkommen seien, gleichzeitig führe die Vereinzelung bei immer mehr Menschen zu negativen Folgen der Vereinsamung.

Kaum Hoffnung auf mehr preiswerte Wohnungen

Wenig Hoffnung auf mehr preiswerte Wohnungen hegt Ridinger aufgrund der ständig steigenden Anforderungen an die Wohnqualität. Deutlich preisgünstigere Wohnungen wären nur bei deutlich geringeren Wohnraumqualitäten zu realisieren. Dies ist nicht gewollt, zumal damit auch die Gefahr der sozialen Desintegration verbunden sei.

Die Wohnungsunternehmen verstehen ihr Sozialengagement als Beitrag zur Integration und nicht zur Ausgrenzung. Dies habe positive gesellschaftliche Effekte, was auch eine Förderung solcher Maßnahmen rechtfertige. Der soziale Wohnungsbau habe eher das Gegenteil bewirkt. Allerdings sollten sich all diejenigen, so Ridinger, die sich für eine Steigerung der Qualitätsanforderungen beim Wohnen engagieren, auch Gedanken über die sozialen Konsequenzen verteuerter Wohnungen machen.

Die komplette Studie zum "Sozialen Wohnen" kann beim VdW südwest unter der Telefonnummer 069 / 970 65 101 bestellt werden.

Der VdW südwest vertritt die Interessen von rund 200 privaten und öffentlichen Unternehmen der Wohnungswirtschaft in Hessen und dem südlichen Rheinland-Pfalz mit einem Wohnungsbestand von rund 400.000 Wohnungen. Als selbständiger Regionalverband mit Sitz in Frankfurt am Main gehört der VdW südwest dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin, an, der insgesamt 3.000 Unternehmen mit Wohnungen für 13 Millionen Menschen in Deutschland vertritt.