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06.02.2008 | Abfallsysteme

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Der Kampf ums Altpapier!

Zur Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 24. Januar 2008 - 7 ME 193/07 Abfall ist nicht gleich Abfall! Wohl in keinem Bereich trifft diese Aussage mehr zu als im Altpapierbereich.

Anders als bei sonstigen Abfallfraktionen kommt dem gesammelten Altpapier nämlich ein nicht zu unterschätzender Marktwert zu. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Entsorgung des Altpapiers finanziell lukrativ ist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch private Unternehmen durch den Aufbau eines gewerblichen Sammelsystems versuchen, die vorhandenen finanziellen Vorteile des Altpapiers zu nutzen. Ebenso verwundert es nicht, dass dieser Versuch nicht mit den Interessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Einklang zu bringen ist. Der Erlös der Altpapierverwertung ist nämlich nicht selten ein fester Bestandteil im Rahmen der kommunalen Planungen. Mit dem Erlös aus der Papierverwertung werden anfallende Kosten im Bereich der Abfallentsorgung aufgefangen. Der Erlös der Papierverwertung wird nicht zuletzt auch dafür verwendet, die Müllgebühren stabil zu halten. Die Abschöpfung von Papiermengen durch private Entsorger gefährdet nach Ansicht vieler öffentlich-rechtlicher Versorgungsträger daher die Wirtschaftlichkeit des Papier-Sammelsystems.

2. Unterlassungsverfügung gegen die Errichtung eines gewerblichen Sammelsystems für Altpapier - Der Beschluss des OVG Niedersachsen vom 24. Januar 2008 Seitens der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wurde in jüngerer Vergangenheit daher des Öfteren der Versuch unternommen, den privaten Unternehmen auf dem Wege einer Unterlassungsverfügung die Errichtung eines gewerblichen Sammelsystems für Altpapier zu untersagen. Aktuell hat sich das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 24. Januar 2008 - 7 ME 193/07) in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit der Frage der Zulässigkeit einer Unterlassungsverfügung gegen eine gewerbliche Altpapiersammlung befasst.

a) Sachverhalt
Ein Privatunternehmen wendete sich hierbei gegen eine abfallrechtliche Untersagungsverfügung. Das Privatunternehmen beabsichtigte die Durchführung einer gewerblichen Altpapiersammlung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Zu diesem Zweck sollten insgesamt 4.000 Abfallbehälter (blaue Tonnen) mit einem Fassungsvermögen von jeweils 240 Litern an private Haushalte verteilt werden. Die Tonnen sollten in einem vierwöchentlichen Turnus abgeholt bzw. geleert werden. Das gesammelte Papier sollte schließlich an Papierfabriken zur Verwertung abgegeben werden.
b) Entscheidungsgründe
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht kommt zu dem Schluss, dass die hiergegen gerichtete Untersagungsverfügung unrechtmäßig sei und einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren wohl nicht standhalten werde. Die Antragstellerin (das Privatunternehmen) könne sich für die Zulässigkeit der von ihr beabsichtigten Altpapiersammlung auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG berufen. Nach dieser Rechtsvorschrift bestehe die Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlungen einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt würden, soweit dies den öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgern nachgewiesen werde und nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden. Überwiegende entgegenstehende öffentliche Interessen würden bei der beabsichtigten gewerblichen Nutzung wohl nicht anzunehmen sein. Derartige überwiegende öffentliche Interessen könnten gegeben sein, wenn ohne die Überlassung dieser Abfälle zur Verwertung an den öffentlichen Entsorgungsträger die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung gefährdet wäre. Als öffentliche Interessen kämen zunächst solche in Betracht, die auf Verfolgung des Zwecks und der Zielvorgaben des KrW-/AbfG gerichtet seien. Rein fiskalische Belange seien im Rahmen der öffentlichen Interessen demgegenüber allenfalls nachrangig zu berücksichtigen. Wann eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der öffentlichrechtlichen Entsorgung als Voraussetzung eines überwiegenden öffentlichen Interesses gegeben sei, sei eine Frage des Einzelfalls.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht führt aus, dass entgegenstehende öffentliche Interessen, jedenfalls mit der allgemeinen Befürchtung, gewerbliche Sammlungen unterliefen die grundsätzlich bestehende Überlassungspflicht, nicht begründet werden könnten. Auch der Umstand, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger infolge der gewerblichen Sammlung nur eine Reserve- bzw. Auffangfunktion verbleibe, stünde der zulässigen gewerblichen Sammlung nicht entgegen. Dem Gesetzgeber sei bewusst gewesen, dass die Preise für Abfälle Schwankungen unterlägen und sich damit das Risiko ergebe, dass gewerbliche Sammler sich bei nicht zureichenden Marktpreisen aus der privaten Sammlung von Abfällen zurückziehen würden, was dann notwendig mit einer Reserve- bzw. Auffangfunktion des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers einhergehe. Der Gesetzgeber mute dem öffentlichen Versorgungsträger offenkundig eine gewisse Flexibilität bei Aufbau und Unterhaltung der Abfallentsorgungsstrukturen zu. Lediglich konkrete Beeinträchtigungen der bestehenden öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtungen seien relevant. Dass es infolge von Einnahmeverlusten aufgrund geringerer Altpapiermengen durch die gewerbliche Sammlung zu einer gebührenrechtlichen Überforderung der privaten Haushalte kommen könnte, sei indes ein taugliches Argument, um ein Überwiegen öffentlicher Interessen zu begründen. Eine solche müsse jedoch auch nachvollziehbar belegt werden. Auch die Behauptung, eine künftige Umstellung des Altpapierentsorgungssystems auf ein haushaltsnahes eigenes Holsystem werde ausgeschlossen, wenn bereits Abfallbehälter der Antragstellerin die betreffenden Stellplätze auf den privaten Grundstücken einnähmen, vermöge kein überwiegendes öffentliches Interesse zu begründen. Vielmehr bedürfte es eines konkret bestehenden Risikos. Die rein abstrakte Darstellung einer Gefährdung sei nicht ausreichend. Schließlich würden auch bestehende Verpflichtungen des Antragsgegners (öffentlicher Entsorgungsträger) gegenüber Betreibern nach § 6 Abs. 3 Verpackungsverordnung (duale Systembetreiber), die eine Mitbenutzung des kommunalen PPK-Systems vorsähen, eine Untersagung der gewerblichen Sammlungen nicht rechtfertigen.

Dass eine Abstimmungsvereinbarung mit dem dualen Systembetreiber beschlossen worden sei, dürfte jedenfalls im Ergebnis nicht dazu führen, dass die vom Gesetzgeber zugelassenen privaten Sammlungen nach § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG unter Hinweis auf entgegenstehende vertragliche Beziehungen des öffentlichen Entsorgungsträgers untersagt würden. Zudem würde auch die allgemeine Gefahr einer Fehlbefüllung der Sammelbehälter mit anderen Abfällen eine Untersagung der gewerblichen Altpapiersammlung nicht tragen. Dieses Risiko sei beherrschbar, wie die inzwischen an vielen Orten erfolgte Einführung der blauen Tonne zeige.

c) Rechtliche Würdigung
Zusammengefasst bedeutet die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass eine behördliche Unterlassungsverfügung nur in engen Ausnahmetatbeständen überhaupt rechtmäßig sein kann. Untersagungsverfügungen können nur bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse rechtmäßig sein. Für die Feststellung eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Einzelfall bedarf es konkreter Anhaltspunkte. So muss etwa die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung konkret gefährdet sein. Rein fiskalische Überlegungen sind in diesem Zusammenhang ebenso wenig von Bedeutung, wie bloße Befürchtungen. Auch stellt lediglich eine tatsächliche gebührenrechtliche Überforderung der privaten Haushalte einen Grund für ein überwiegendes öffentliches Interesse dar. Grundsätzlich ist daher auf der Grundlage der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts davon auszugehen, dass gewerbliche Sammelsysteme somit mit dem Kreislaufwirtschaftsabfallgesetz vereinbar sind.

3. Vergaberechtliche Aspekte / Ausblick
Bleibt es bei dieser neuerlichen Tendenz der Rechtsprechung (was keinesfalls abschließend gesichert ist) werden öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bei der Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen im Altpapierbereich vor erhebliche vergaberechtliche Probleme gestellt. Nach § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dürfen den Bietern keine ungewöhnlichen Wagnisse aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die diese keinen Einfluss haben und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen diese nicht im Voraus schätzen können. Sollten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aber nicht in der Lage sein, der gewerblichen Sammlung von Altpapier auf dem Wege von Untersagungsverfügungen Einhalt zu gebieten, werden sie im Rahmen der Ausschreibung Schwierigkeiten haben, verlässliche Mengenangaben vorzugeben. Die ohnehin nur auf der Grundlage einer Prognose zu treffende Festlegung von Altpapiermengen (sei es bei der Erfassung/dem Transport, sei es im Rahmen der Verwertungen) wird durch den Unsicherheitsfaktor "gewerbliche Sammlung" noch verstärkt.

Ob und inwieweit die Bürger auf kommunale Entsorgungssysteme oder auf gewerbliche Sammlungssysteme zurückgreifen werden, kann im Vorfeld nicht seriös bestimmt werden. Ein Ausweg aus dieser Situation kann vergaberechtlich nur dadurch erreicht werden, dass der Auftraggeber über die vorhandenen Unsicherheiten umfassend aufklärt. Des Weiteren wird eine entsprechende Preisanpassungsregelung in Bezug auf Mengenabweichungen im Vertragswerk zwingend erforderlich sein. Diesbezüglich bietet sich eine analoge Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B an, dessen entsprechende Anwendung im Bereich der VOL/A-Beschaffung von der Rechtsprechung gebilligt wurde (vgl.: OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2005 - 13 Verg 6/05).

Trotz dieser "Hilfskonstruktion" bleibt festzuhalten, dass vergaberechtliche Schwierigkeiten und Problemfelder im Bereich der Beschaffung von Dienstleistungen der Altpapierentsorgung bestehen bleiben werden. Weitere Rechtsprechung in diesem Bereich darf daher mit Spannung erwartet werden.

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