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23.02.2008 | Wasser und Abwasser

AöW: Bundesregierung muss BDE-Beschwerde wegen Versteuerung öffentlicher Abwasserdienstleistungen zurückweisen

Die AöW fordert die Bundesregierung auf, mit einer eindeutigen Stellungnahme zur EU-Beschwerde des Bundesverbandes der privaten Entsorgungswirtschaft (BDE) und dessen Forderung nach einer Versteuerung öffentlicher Abwasserdienstleistungen eine sinnlose Verteuerung des deutschen Abwassers zu verhindern.

Untersuchungen, die auch im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt wurden, zeigen nämlich, dass die Einführung solch einer Steuerpflicht die Kosten der Abwasserbeseitigung um voraussichtlich mehr als 10 % verteuern würden (vgl. Bericht der Bundesregierung zur Modernisierungsstrategie für die deutsche Wasserwirtschaft). Dazu erklärt der Präsident der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft, Dr. Jochen Stemplewski: "Dem BDE geht es mit seiner Beschwerde im Kern um Privatisierung durch die Hintertür - nicht um Steuergerechtigkeit oder günstigere Leistungen für die Bürger! Der BDE will lukrative private Abwassergeschäfte ermöglichen, auch um den Preis neuer zusätzlicher Steuerlasten. Und höhere Steuern zahlt bekannter Weise am Ende doch immer der Bürger! Als hoheitliche und damit nicht auf Markt- und Gewinnerzielung ausgerichtete Aufgabe kann die Abwasserbeseitigung nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Im Interesse einer sicheren und kostengünstigen Leistung für die Bürger muss es weiter uneingeschränkt möglich sein, dass die Gemeinden, öffentliche Zweckverbände und sondergesetzliche Wasserwirtschaftsverbände diese öffentliche Aufgabe ohne zusätzliche Steuerlasten ausüben. Deshalb sollte die Bundesregierung gegenüber der EU klar und eindeutig Stellung gegen die Beschwerde beziehen."

Die Abwasserbeseitigung ist nach dem Recht des Bundes und der Länder eine hoheitliche Aufgabe, die grundsätzlich von Körperschaften öffentlichen Rechts wie den Kommunen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge wahrzunehmen ist. Dies geht zurück auf das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes und auf das grundgesetzlich verbriefte Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, die eigenen Verhältnisse zu regeln. Es ist zugleich mit der Pflicht verbunden, überall und jederzeit Garant der ordnungsgemäßen Erfüllung dieser Aufgabe im jeweiligen Einzugsgebiet zu sein. Kommunen und andere zuständige Körperschaften öffentlichen Rechts sind bei der Durchführung dieser hoheitlichen und damit nicht etwa auf Gewinnerzielung ausgerichteten Aufgabe nicht steuerpflichtig.

Der BDE will nun mit seiner Beschwerde erreichen, dass die Gemeinden und andere öffentliche Träger der Abwasserbehandlung umsatzsteuerpflichtig werden. Zur Begründung führen die privaten Entsorger an, die Nichtbesteuerung der Leistung öffentlicher Einrichtungen führe zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil privater Unternehmer, die auch auf dem Feld der Abwasserbeseitigung tätig werden wollten. Nach der gesetzlichen Regelung im Wasserrecht gibt es aber einen Wettbewerb nicht; denn die gesetzlichen und öffentlichen Aufgabenträger konkurrien weder untereinander noch mit Privatunternehmen. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass es sich dabei um ein sensiblen Infrastrukturbereich und eine Aufgabenstellung von großer öffentlicher Bedeutung handelt, was insbesondere mit den großen Gefahren beim Versagen der Systeme zusammenhängt. Zudem sind Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung jeweils auf ein Gebiet festgelegt ("natürliches Monopol"). Die Bürger können schon strukturell nicht die Wahl zwischen verschiedenen Anbietern, d.h. konkurrierenden Leitungssystemen, vor ihrer Haustür haben. Alles andere wäre betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich unsinnig. Daher ist es sachlich begründet und vernünftig, dass die Abwasserbeseitigungspflicht insbesondere auch den Gemeinden übertragen ist, die diese Aufgabe zum Teil selbst, durch Eigenbetriebe, Anstalten öffentlichen Rechts oder Mitwirkung in Zweckverbänden oder sondergesetzlichen Wasserwirtschaftsverbänden als juristische Person des öffentlichen Rechtes wahrnehmen. Allerdings bedienen sich die öffentlichen Körperschaften zur praktischen Durchführung dieser Aufgabe in vielen Fällen privater Unternehmen als Dienstleister. Nach aktuellen Erhebungen münden mehr als 70 % des mit der Abwasserentsorgung verbundenen Aufwandes der zuständigen öffentlichen Körperschaften in Aufträge an Privatunternehmen, etwa im Bereich der Bauleistungen, aber auch bei vielen Unterhaltungsaufgaben.

Private wirken also heute schon vielfältig bei der praktischen Abwicklung der Abwasserentsorgung mit. Aus der Sicht der AÖW will der BDE deshalb mit seiner Beschwerde nicht etwa einen Lückenschluss im Steuerrecht oder im Wettbewerbsrecht erreichen. Ihm geht es vielmehr um die Übernahme von Abwasseraufgaben als neuem Geschäftsfeld für seine Unternehmen. Deshalb stören sich seine Mitglieder an kommunalen Gestaltungsspielräumen.

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