Public Manager
16.04.2008 |

Mehr Gehalt, weniger Jobs - Jede dritte Kommune will nach Tarifabschluss Stellen streichen

PwC-Umfrage: Hälfte der Städte und Gemeinden will mehr Gebühren für Dienstleistungen erheben / Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ist für jede vierte Großstadt ein Thema / Mehr Schulden vor allem im Westen

Die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst belastet die Bürger mit höheren Gebühren und kostet in vielen Kommunen Arbeitsplätze. Gut jede dritte Stadt oder Gemeinde (35 Prozent) hält einen Stellenabbau zum Ausgleich der Lohnsteigerungen für sicher oder zumindest wahrscheinlich, und in knapp der Hälfte (49 Prozent) der Kommunen werden die Gebühren für Müllabfuhr, Kinder-betreuung und andere öffentliche Dienstleistungen voraussichtlich steigen.

Insgesamt halten fast 80 Prozent der befragten Kämmerer, Dezernenten und andere Finanzverantwortliche von deutschlandweit 152 Städten und Gemeinden strukturelle Sparmaßnahmen zum Ausgleich der Mehrbelastung für unumgänglich, wie aus einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hervorgeht.

Frank Weise, PwC-Partner und Experte für die öffentliche Hand: "Besonders stark vom Tarifabschluss betroffen sind Großstädte und ostdeutsche Kommunen, die häufig bereits vor dem Tarifabschluss mit einer angespannten Haushaltslage zu kämpfen hatten."
So geben 55 Prozent der Befragten in Städten mit mindestens 100.000 Einwohnern zu Protokoll, dass sie aller Voraussicht nach Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst streichen müssen, während diese Einschätzung nur 32 Prozent der größeren Mittelstädte mit mindestens 50.000 Einwohnern und 25 Prozent der Kommunen mit weniger als 50.000 Einwohnern teilen.

Die Sorge, Arbeitsplätze abbauen zu müssen, ist zudem in Ostdeutschland wesentlich stärker ausgeprägt (45 Prozent der befragten Kommunen) als in Westdeutschland (32 Prozent).

Mit Gebührenerhöhungen wollen vor allem Großstädte (62 Prozent) und Mittelstädte (53 Prozent) auf den Tarifabschluss reagieren, während dies nur für die Minderheit der kleineren Städte (41 Prozent) gilt. Auch der Eintrittspreis für Schwimmbäder und andere öffentliche Einrichtungen steigt in Großstädten voraussichtlich deutlich häufiger (43 Prozent) als in Mittel- und Kleinstädten (jeweils 21 Prozent).

Die Müllabfuhr dürfte in 30 Prozent aller Kommunen und sogar in 57 Prozent der Großstädte teurer werden. Zudem sind höhere Müllgebühren im Westen deutlich wahrscheinlicher als im Osten (36 Prozent gegenüber 7 Prozent).

Auf Mehrkosten für Kindertagestätten müssen sich Einwohner in 26 Prozent der Städte und Gemeinden gefasst machen, wobei es hier nur geringe Abweichungen in Abhängigkeit von Region und Größe der Kommune gibt. Eintrittskarten für Theater, Museen und andere Kultureinrichtungen werden in jeder vierten Kommune teurer, wobei dies überdurchschnittlich stark für ostdeutsche Kommunen (39 Prozent) und Großstädte (36 Prozent) gilt.

Die Privatisierung öffentlicher Dienste ist für 16 Prozent der Kommunen eine Option. Dabei gehen lediglich zwei Prozent der Befragten fest von Veräußerungen zur Gegenfinanzierung aus. Die Bereitschaft zum Verkauf öffentlichen Eigentums ist in Großstädten (26 Prozent) stärker ausgeprägt als in kleinen Kommunen (9 Prozent). Auch in Ostdeutschland ziehen mehr Befragte eine Privatisierung ins Kalkül (23 Prozent) als in westdeutschen Kommunen (14 Prozent).

Im Detail hält jede zehnte Kommune eine Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs für sicher bzw. wahrscheinlich, annähernd ebenso viele (9 Prozent) können sich die Veräußerung kommunaler Wohnungen, Kultureinrichtungen sowie der Müllabfuhr vorstellen. Kaum eine Rolle spielen Privatisierungen im Sozialbereich. So erwägt nur jede 20. Kommune den Verkauf von Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Altenheimen.

Allerdings sind ostdeutsche Kommunen in einigen dieser Bereiche deutlich häufiger zu Privatisierungen bereit als westdeutsche Städte und Gemeinden. So halten 26 Prozent der Finanzverantwortlichen in Ostdeutschland den (Teil-)Verkauf von Kultureinrichtungen für denkbar, aber nur 4 Prozent ihrer westdeutschen Kollegen. Privatisierungen im Sozialbereich und im öffentlichen Nahverkehr sind in Ostdeutschland jeweils für 13 Prozent der Befragten eine Option, in Westdeutschland hingegen nur für 3 bzw. 9 Prozent.

Gut jede vierte Kommune (28 Prozent) hält zur Gegenfinanzierung des Tarifabschlusses eine höhere Verschuldung für wahrscheinlich, 13 Prozent der Befragten gehen sogar fest von der Aufnahme weiterer Kredite aus. Auf der anderen Seite wollen 43 Prozent der Finanzverantwortlichen die Mehrbelastungen für den Haushalt ohne neue Schulden ausgleichen.

Bei den Großstädten ist der Anteil der Befragten, die zusätzliche Schulden zur Finanzierung einplanen, mit 43 Prozent überdurchschnittlich hoch (Mittelstädte 24 Prozent, Kleinstädte 21 Prozent). Allerdings sind auch die Ausgangsbedingungen in großen Städten ungünstiger: So bezeichneten in der Umfrage 45 Prozent der Großstädte ihre Finanzsituation als schlecht, während nur 27 Prozent der Mittel- und 24 Prozent der Kleinstädte dieser Einschätzung zustimmten.

"Bemerkenswert ist die Haushaltsdisziplin der ostdeutschen Kommunen. Hier rechnen nur 23 Prozent der Befragten mit der Aufnahme zusätzlicher Schulden, während dies in Westdeutschland 29 Prozent tun. Hier macht sich auch bemerkbar, dass ostdeutsche Städte und Gemeinden aufgrund ihrer finanziellen Situation eher einsparen und privatisieren als weitere Schulden aufzunehmen", kommentiert Weise.

Vor dem Hintergrund der Tarifeinigung rechnet gut jede dritte Kommune in Westdeutschland auf Sicht der kommenden vier bis fünf Jahre mit einer Verschlechterung der Haushaltslage, in Ostdeutschland erwartet sogar knapp jede zweite eine Verschlechterung. Allerdings fällt die Bewertung durchaus differenziert aus: So glauben im Osten mehr Kommunen an eine Verbesserung der Finanzlage (29 Prozent) als im Westen (17 Prozent). Besonders kritisch fällt die Prognose der befragten Finanzverantwortlichen in den Großstädten aus. Hier erwarten 48 Prozent eine Verschlechterung der Finanzlage, optimistisch sind nur 19 Prozent.

Ungeachtet der Folgen für die kommunalen Haushalte fällt die Gesamtbewertung des Tarifabschlusses nicht durchweg negativ aus. Knapp jeder dritte Befragte (32 Prozent) sieht die Einigung überwiegend positiv. So steige die Motivation der Beschäftigten, der öffentliche Dienst werde als Arbeitgeber wieder attraktiver für qualifiziertes Personal und nicht zuletzt sei ein Streik die schlechtere Alternative gewesen.
Umgekehrt halten 45 Prozent der Finanzverantwortlichen die Einigung überwiegend für schlecht. Dabei verweisen die meisten auf die deutlich erschwerte Konsolidierung der kommunalen Haushalte. Der Ausstieg aus dem kommunalen Tarifvertrag ist dennoch nur für fünf Prozent der Befragten zumindest eine erwägenswerte Option.

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