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11.12.2019 | Beschaffungspraxis

Öffentliche Beschaffung von biobasierten Produkten: Potenziale nicht ausgeschöpft

Ergebnisse einer dreijährigen Umfrage zeigen nach wie vor viele Hürden bei öffentlicher Hand und Anbietern

Zwei Ergebnisse der Umfragen lauten: „Die Bedeutung der ökologischen Nachhaltigkeit wird lediglich von knapp 30 Prozent der befragten öffentlichen Verwaltungen als bedeutend eingeschätzt.“ „Um die öffentliche Beschaffung biobasierter Produkte voran zu bringen, wären u.a. verbindliche rechtliche oder verwaltungsinterne Vorgaben eine besonders wirksame Maßnahme.“ (Foto: FNR/Michael Schnurr)

"Auch nach Projektende ist die umweltfreundliche Beschaffung im Allgemeinen und insbesondere von biobasierten Produkten noch lange nicht überall in der Praxis angekommen. Grundsätzlich genießen biobasierte Produkte ein positives Image bei vielen Beschaffern, aber durch die extrem verbreitete und recht einseitige Fokussierung auf den Einstandspreis kommen sie selten zum Zuge“, erklärt Professor Ronald Bogaschewsky von der Universität Würzburg. 

Das Team um den Wirtschaftswissenschaftler befragte im Rahmen eines Projektes zur biobasierten öffentlichen Beschaffung Einkäufer der öffentlichen Hand sowie Anbieter biobasierter Produkte. In diesem Rahmen wurde auch die Onlineplattform „Expertengruppe Biobasierte Produkte“ innerhalb des Verwaltungs- und Beschaffernetzwerks (siehe 1. Link) etabliert, auf der sich Beschaffer und Anbieter biobasierter Produkte vernetzen und informieren können.

Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) geförderte Projekt endete am 30.11.2019. Informationen stehen auf fnr.de unter dem Förderkennzeichen 22027215 zur Verfügung.
 
Öffentliche Auftraggeber fragen biobasierte Produkte nach wie vor nur in relativ geringem Umfang nach. An der Identifikation der Ursachen und deren Behebung arbeiten Forscher der Universität Würzburg um Professor Ronald Bogaschewsky. Zur Analyse der Ist-Situation wurden umfangreiche deutschlandweite Befragungen durchgeführt, an denen sich in den vergangenen drei Jahren insgesamt 2.627 öffentliche Auftraggeber und 547 Anbieterunternehmen beteiligten. Damit beide Seiten gemeinsam unter wissenschaftlicher Begleitung am Abbau der bestehenden Probleme arbeiten können, hat das Team zudem eine kostenfreie, einfach nutzbare und komfortable Kommunikationsplattform entwickelt: Öffentliche Einkäufer und Anbieter biobasierter Produkte können sich innerhalb des bereits etablierten Verwaltungs- und Beschaffernetzwerks (siehe 1. Link) an der „Expertengruppe Biobasierte Produkte“ beteiligen und austauschen. Unter anderem sind dort Materialien zu „Best-Practices“ und „Lessons Learned“ vorhanden. Interessenten können sich Beschaffer (2. Link) bzw. Anbieter (3. Link) registrieren.

Als Ergebnis der in den letzten drei Jahren durchgeführten Befragungen stellten sich folgende Hürden als besonders relevant heraus

  • Der Einstandspreis der biobasierten bzw. ökologisch nachhaltigen Produkte wird als zu hoch empfunden.
  • Die starke Fokussierung der Verwaltungen auf den Einstandspreis steht einer verstärkten Beschaffung biobasierter/nachhaltiger Produkte im Wege.
  • Es bestehen weiterhin Zweifel an der adäquaten Qualität, Leistung und/oder Technik von biobasierten/nachhaltigen Produkten.
  • Es wird als schwierig empfunden, die Bedarfsspezifikation inhaltlich auf biobasierte Produkte zuzuschneiden. Eine direkte Forderung der Materialeigenschaft „biobasiert“ ist vergaberechtlich nicht möglich. Häufige Praxis ist die Forderung nach Umweltzertifikaten, diese heben aber nur selten direkt auf biobasierte Rohstoffe ab.
  • Anbieter biobasierter/nachhaltiger Produkte sind für öffentliche Beschaffer nur schwer zu identifizieren.

Die Anbieter biobasierter Produkte nehmen zusätzlich den bürokratischen Aufwand und die Pflicht zur elektronischen Angebotsabgabe als Hemmnisse wahr. Nach wie vor besteht bei ihnen der Wunsch nach Hilfestellungen bei Ausschreibungen und Angebotserstellung.

Zu den Hürden, die nach Meinung der öffentlichen Verwaltungen im Laufe der Jahre am stärksten abgenommen haben, zählen ein mangelndes Bewusstsein für die zunehmende Knappheit/Endlichkeit von Ressourcen, ein eher gering ausgeprägter Wille zur Beschaffung biobasierter/nachhaltiger Produkte und etwaige Zweifel an adäquater Qualität, Leistung und Technik dieser Produkte.

Bei den Anbieterunternehmen hat sich die negative Sichtweise der öffentlichen Beschaffung der eigenen Produkte im Laufe der letzten drei Jahre eher noch verstärkt. Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in der im Laufe der Jahre stetig gesunkenen Anzahl öffentlicher Ausschreibungen wider, um die sich die Anbieterunternehmen beworben haben. Zu den Hürden, die aus ihrer Sicht vergleichsweise am meisten im Laufe der Jahre zunahmen, zählen die Bürokratie der Beschaffungsprozesse, die sehr starke Fokussierung der öffentlichen Verwaltungen auf den Preis und die Pflicht zur elektronischen Angebotsabgabe.

Obwohl öffentlichkeitswirksame Diskussionen um die nachhaltige Ausrichtung der Gesellschaft zugenommen haben, sind die Beschaffungsaktivitäten der öffentlichen Hand größtenteils unverändert geblieben und insgesamt nur geringfügig auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Um die beschriebene Realisierungslücke zu verringern, müssen vor allem vom Gesetzgeber sowie von den jeweiligen Verwaltungen konkrete Zielsetzungen entwickelt und vorgegeben sowie adäquate Maßnahmen umgesetzt werden, um die Beschaffung biobasierter Produkte weiter voranzutreiben.

Die Vollversionen der Studien der letzten drei Jahre können Sie hier herunterladen: siehe 4. Link

Hintergrund:

Mit einem finanziellen Volumen von 250 bis 400 Mrd. Euro kommt der öffentlichen Beschaffung in Deutschland eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden öffentliche Auftraggeber vielfach in der Pflicht gesehen, eine Vorbildfunktion einzunehmen und nachhaltig zu beschaffen.

Biobasierte Produkte sind Produkte, die anteilig oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und damit in der Regel als ökologisch nachhaltig gelten. Sie tragen zur Versorgungssicherheit bei, da sie Produkte aus endlichen Ressourcen wie Erdöl ersetzen. Außerdem weisen sie häufig Umweltvorteile auf, etwa bei der Entsorgung: Ihre Verbrennung oder Vergärung ist weniger oder kaum klimaschädlich, da aus dem Produkt selbst nur die Menge CO2 freigesetzt wird, die die Pflanzen zuvor im Wachstum gebunden haben. Hinzuzurechnen und einem Vergleich zu unterziehen ist dabei der Herstellungs- und Bereitstellungsaufwand.