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06.10.2016 | Energie

Müllverbrennungsanlage wird zu klimafreundlichem Biomasseheizkraftwerk umfunktioniert

Im Jahr 2011 rüsteten die Stadtwerke Landshut eine ehemalige Müllverbrennungsanlage in ein Biomasseheizkraftwerk (BMHKW) um, das Material aus städtischen Landschaftspflegemaßnahmen in Strom und Wärme umwandelt. Mit der Planung des damit verbundenen Fernwärmenetzes ist seit 2013 das Abensberger Unternehmen Gammel Engineering GmbH beauftragt. Da im Rahmen des Netzausbaus immer an mehreren Stellen gleichzeitig gearbeitet wird – auch in der denkmalgeschützten historischen Innenstadt – und parallel dazu weitere städtische Baumaßnahmen laufen, wird den Planern und Ausführungsfirmen erhebliche Flexibilität abverlangt. Mittlerweile umfasst das Netz 26 km Fernwärmetrasse bis DN 300 und versorgt rein rechnerisch über 4.000 Haushalte mit Wärme aus Biomasse.

Im Oktober 2011 fasste die Stadt Landshut den Beschluss, die ehemalige Müllverbrennungsanlage in ein Biomasseheizkraftwerk umzurüsten und ein Fernwärmenetz aufzubauen. Die Fernwärme-Anschlussnehmer werden durch ein zentrales und ständig überwachtes System versorgt, und können ihre überwiegend mit Öl und Gas befeuerten ineffizienten Einzelanlagen ersetzen. Die Stadtwerke Landshut nahmen Ende 2012 zunächst das umgerüstete BMHKW in Betrieb, dem ausschließlich Landschaftspflegematerial zugeführt wird. Neben der bestehenden Entnahme-Kondensationsturbine mit 3 MWel Leistung ließen sie eine Gegendruckturbine mit 2 MWel und bis zu 13 MWth Leistung zur Wärmeauskoppelung in das geplante Fernwärmenetz installieren. Das Ingenieurbüro Gammel Engineering ist seit 2013 mit der Planung des Rohr- und Tiefbaus für das Fernwärmenetz beauftragt. Der Leistungsumfang beinhaltet damit die Auslegung und Simulation der einzelnen Abschnitte, die Ausschreibung und Vergabe der verschiedenen Gewerke sowie die Bauoberleitung. Des Weiteren bereitet Gammel Engineering die Verwendungsnachweise für die Förderung des Netzes nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vor. In einzelnen Trassenabschnitten übernimmt Gammel Engineering auch die Planung für die Erneuerung alter Gas- und Wasserleitungen. Das Abensberger Büro hat eine langjährige Erfahrung in der Planung von Fernwärmenetzen, von der Entwicklung des Betreibermodells bis zur Optimierung anhand von Netzberechnungen und dynamischen Simulationen mit Stanet.

Fernwärmenetz umfasst rund 26 km Leitungen

Das Netz wurde für eine Vorlauftemperatur von 110 °C ausgelegt. Investitionssicherheit gewähren Kunststoffmantelrohre mit PUR-Schaumdämmung verbaut, die eine technische Lebensdauer von mindestens 30 Jahren, in der Praxis wesentlich länger, haben. Das gesamte Netzwerk ist zusätzlich mit einer Lecküberwachung nach dem nordischen System ausgestattet, um möglichst schnell auf etwaige Störungen reagieren zu können. Für eine effiziente Überwachung der Leitungen sowie das Fernwirksystem der Übergabestationen wurden zudem ein Datennetz aus Kupferkabeln und ein Leerrohrsystem für Lichtwellenleiter verlegt.

Abstimmung mit anderen Behörden durch zahlreiche Baumaßnahmen notwendig

Der Projektumfang und die Trassenführung in der Innenstadt erforderte eine optimal aufeinander abgestimmte Planung und hohe Flexibilität von allen Beteiligten. „Teilweise musste an sechs bis sieben Stellen mit ebenso vielen Kolonnen gleichzeitig gearbeitet werden“, erläutert erklärt Diplom-Ingenieur Martin Zieglmeier, Projektleiter bei Gammel Engineering. Wichtig war es, die Bauabschnitte so zu definieren, dass jede einzelne Gruppe ungehindert durcharbeiten konnte. Das stellte zuweilen eine große Herausforderung dar, da die Stadt Landshut während der Arbeiten am Fernwärmenetz noch weitere Baumaßnahmen durchführte. „Das fing bei Straßenbaumaßnahmen sowie Tunnel- und Brückensanierungen an und zog sich bis zur Umgestaltung der Neustadt fort. Beim Ablaufplan musste deshalb mit den anderen Behörden und Ämtern eine regelmäßige Abstimmung stattfinden“, so der Diplom-Ingenieur. Besonders das Verkehrsamt und das Tiefbauamt der Stadt Landshut bezog das Abensberger Unternehmen in das Projektmanagement mit ein.

Des Weiteren ist Landshut eine sehr lebendige Stadt, in der regelmäßige Veranstaltungen wie etwa die Niederbayernschau oder die Landshuter Hochzeit stattfinden. Der Ablaufplan musste natürlich auch an diese Großereignisse angepasst werden, um bestimmte Bereiche zum Beispiel in der Innenstadt oder im Umfeld des Messegeländes von Baustellen freizuhalten. Dafür wurden etwa Ausweichbaustellen oder provisorische Zufahrten und Umleitungen geschaffen. Der Innenstadtbereich ist komplett bodendenkmalgeschützt und hauptsächlich mit Pflastersteinen ausgelegt. Der Großteil der historischen Innenstadt wurde erneut gepflastert, wobei aufgrund der Umgestaltung der Oberflächen in einem Abschnitt der Neustadt nach Beendigung der Trassenverlegung ein Asphaltprovisorium eingebaut werden durfte.

Das Notwendige mit dem Nützlichen verbunden

Die Stadtwerke Landshut und die Experten von Gammel Engineering stimmten die Baumaßnahmen jedoch so ab, dass zeitgleich mit dem Aufbau des Fernwärmenetzes auch weitere Projekte zur Modernisierung der Stadt durchgeführt werden konnten. So wurden zum Beispiel ein Lehrrohrsystem, das für eine spätere Belegung mit Glasfaserkabeln vorgesehen ist, sowie Wasser- und Gasleitungen im Mittel- und Niederdruckbereich verlegt. Das CO2-neutrale Fernwärmenetz versorgt nun rein rechnerisch 4.000 Haushalte mit Wärme aus nachwachsenden Rohstoffen. Der in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Strom wird nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz in das Netz eingespeist und trägt zum lokalen Strommix bei. Im Anschluss wurden Gammel Engineering die Planungsleistungen für die neue Reserve- und Spitzenlastzentrale übertragen. So sichern die Stadtwerke Landshut mit dem Heizwerk die Wärmeversorgung auch bei Ausfall eines Wärmeerzeugers im BMHKW und garantieren eine störungsfreie Energieversorgung des Netzes.

Die Stadtwerke Landshut betreiben sowohl die Strom- und Energienetzwerke inklusive Wasserkraftwerken als auch Stadtbad und -busse, mehrere Parkhäuser und einen Flugplatz in der niederbayerischen Regierungshauptstadt. Damit werden die Bürger zuverlässig mit Strom, Wasser, Erdgas und Wärme versorgt. Ein Projekt der Stadtwerke ist die Verlegung eines mittlerweile auf 26 km Leitungslänge angewachsenen Fernwärmenetzes, das sich aus dem umgerüsteten Biomasseheizkraftwerk speist. Durch die ausschließliche Verwendung von Landschaftspflegematerial im BMHKW, die in dieser Form einzigartig ist, übernehmen die Stadtwerke eine Vorreiterrolle bei der Erzeugung von umweltfreundlichem Strom und Wärme.

Die Gammel Engineering GmbH wurde 1987 von Michael Gammel gegründet und ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen mit Sitz in Abensberg. Das Unternehmen bietet Ingenieurdienstleistungen im Bereich dezentrale Energiesysteme, Energieeffizienz und Gebäudetechnik an und führt alle Aufgaben von der Planung, der Bauleitung bis zur Betriebsbetreuung durch. Gammel hat sich darauf spezialisiert, individuelle, dezentrale Energiesysteme in bestehende Produktionsprozesse in Unternehmen einzubinden. Für die Entwicklung des Kombi-Power-Systems®, das es ermöglicht, verschiedene fossile Energieträger mit regenerativen Energien und Reststoffen zu kombinieren, um damit Strom zu erzeugen, hat Gammel 2014 den Bayerischen Energiepreis bekommen. Für die Planung und Errichtung der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage bei OSRAM in Eichstätt erhielt das Unternehmen vom B.KWK die Auszeichnung „Blockheizkraftwerk des Jahres“. Gammel Engineering bietet 55 Mitarbeitern hochwertige Arbeitsplätze .