Rund 2 Mio. Euro Förderung: Universität Hohenheim übernimmt zentrale Rolle im Landesprogramm Bioökonomie
10 geförderte Forschungsprojekte, Koordination zweier Forschungsverbünde und der Landesgeschäftsstelle
Wirtschaften und leben möglichst ohne Erdöl und andere fossile Rohstoffe: Forschungskooperationen, die den Weg zu diesem großen gesellschaftlichen Ziel ebnen, fördert das Landesprogramm „Bioökonomie Baden-Württemberg“ in einer ersten Runde bis 2017 mit insgesamt rund 9 Mio. Euro. Die Universität Hohenheim leitet 10 von insgesamt 45 geförderten Projekten (Fördersumme: rund 2 Mio. Euro). Darüber hinaus koordiniert die Universität Hohenheim die Geschäftsstelle für das landesweite Forschungsnetzwerk, zwei Forschungsverbünde und ein Kompetenznetz zur Modellierung der Bioökonomie. Finanziert wird das Programm vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK). Insgesamt stehen für die Landesstrategie Bioökonomie 13 Millionen Euro bis 2019 zur Verfügung.
Für die Universität Hohenheim eröffnet der Erfolg im Landesforschungsprogramm ein neues Kapitel in der eigenen Hochschulgeschichte.
„Die Bewilligung von 10 Forschungsprojekten und die Übertragung koordinativer Aufgaben sind für uns eine wegweisende Bestätigung“, freut sich Prof. Dr. Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim. „Wir kommen damit unserem Ziel näher, in den kommenden Jahren auf nationaler und internationaler Ebene als renommierter Standort für Bioökonomie-Forschung deutlich sichtbar in Erscheinung zu treten.“
Forschen für die Nach-Erdöl-Wirtschaft
Bioökonomie steht für einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel: Die zukünftige Wirtschaftsform soll möglichst ohne Erdöl und andere fossile Rohstoffe auskommen und basiert stattdessen auf erneuerbaren Ressourcen und der Entwicklung neuer Technologien. Grundlage des Wirtschaftens sind Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen.Bioökonomie als Profil-Thema der Universität Hohenheim
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Leitung der Universität Hohenheim beschlossen, Forschungsaktivitäten aller drei Fakultäten erstmals unter einem zentralen thematischen Dach zu bündeln und zu vernetzen.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Leitung der Universität Hohenheim beschlossen, Forschungsaktivitäten aller drei Fakultäten erstmals unter einem zentralen thematischen Dach zu bündeln und zu vernetzen.
Ein Studiengang „Bioeconomy“, der von allen drei Fakultäten gemeinsam organisiert wird, startet im Wintersemester 2014/2015, und ein wissenschaftliches Zentrum „Bioökonomie“ befindet sich im Aufbau. Bereits im vergangenen Jahr hat ein internationales, strategisches Forschernetzwerk zum Thema Bioökonomie die Arbeit aufgenommen. Das Netzwerk verbindet die Universität Hohenheim mit fünf renommierten Partner-Universitäten weltweit.
Das Ergebnis im Landesforschungsprogramm steht nun für den ersten großen Forschungserfolg der Universität Hohenheim im Zeichen der Bioökonomie.
Universität Hohenheim übernimmt zentrale Rolle im Landesforschungsprogramm
Um die Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg zu unterstützen, sich im Bereich Bioökonomie aufzustellen und sich enger zu vernetzen, hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine Bioökonomie-Initiative gestartet.
Das zugehörige Forschungsprogramm Bioökonomie Baden-Württemberg fördert drei Forschungskooperationen zu den Themenfeldern Biogas, Lignozellulose und Mikroalgen in einer ersten Tranche bis 2017 mit insgesamt rund 9 Mio. Euro. Insgesamt stehen für die Landesstrategie Bioökonomie 13 Millionen Euro bis 2019 zur Verfügung.
Die Universität Hohenheim übernimmt im Landesprogramm eine zentrale Rolle. Insgesamt werden 10 von 45 geförderten Projekten von der Universität Hohenheim geleitet. Weitere Forschungsanträge befinden sich in der Abstimmung mit dem Ministerium.
Darüber hinaus übernimmt die Universität Hohenheim wichtige Aufgaben für die Koordination des landesweiten Forschernetzwerks: So wird die Geschäftsstelle des Landesprogramms an der Universität Hohenheim eingerichtet. Wissenschaftler der Universität koordinieren zwei Forschungsverbünde und ein Kompetenznetz zur Modellierung der Bioökonomie.
Die geförderten Forschungsprojekte im Einzelnen
Forschungsverbund Biogas: Nachhaltige Wertschöpfungsketten
Biogas ist heute noch vergleichsweise teuer und damit abhängig von erheblicher finanzieller Förderung. Doch das soll sich in Zukunft ändern.
Ziel der Forschung sind Biogasanlagen, die nicht nur deutlich effizienter arbeiten, sondern auch eine neue Funktion als Energiespeicher und Verknüpfung zwischen Strom- und Gasnetz übernehmen. Dies ist heute wichtiger denn je: Denn je mehr Strom durch Photovoltaik und Windenergie gewonnen wird, desto häufiger kommt es zu Situationen, in denen die Produktion den Bedarf übersteigt.
Vielversprechend sind in diesem Zusammenhang sogenannte „Power-to-Gas-Systeme“. Mittels elektrolytischer Verfahren wird dabei mit dem Strom zunächst Wasserstoff erzeugt. Dieser wird anschließend in Biogasanlagen zugeführt und kann deren Effizienz um bis zu 50% steigern.
Ein weiteres Ziel der Forschung sind flexible Biogasanlagen, die auch solche Ausgangsstoffe verwerten, die in herkömmlichen Anlagen bisher kaum eingesetzt werden können, z.B: holzige oder faserige Biomasse (Lignozellulose) oder Küchenabfälle. Auch Gärreste sollen bestmöglich verwertet werden.
Darüber hinaus beschäftigt sich der Forschungsverbund mit ökologischen und ethischen Aspekten der Biogasproduktion. Koordiniert wird das landesweite Forschungsnetzwerk, das insgesamt aus 13 Teilprojekten besteht, von Prof. Dr. Enno Bahrs, Leiter des Fachgebiets Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim.
Wissenschaftler der Universität Hohenheim sind mit vier Teilprojekten beteiligt:
• Szenarien für Baden-Württemberg: Die Forschergruppe analysiert, wie wirtschaftlich und umweltfreundlich verschiedene Optionen der Biogas- und Lignozelluloseproduktion in Baden-Württemberg sind. Titel des Projekts: „Ökologisch-ökonomische Analyse des Anbaus und der Nutzung von landwirtschaftlichen Biogassubstraten und Lignozellulose liefernden Pflanzen in Baden-Württemberg“, Projektleiter Prof. Dr. Enno Bahrs
• Konversionstechnologie: Zwei Teilprojekte befassen sich mit der Weiterentwicklung von Biogasanlagen und der „Power-to-Gas“-Technologie, mit deren Hilfe Biogasanlagen die Funktion von Energiespeichern übernehmen können (s.o.). Ziel dieser Projekte ist es, die meist knappe Biomasse effizienter zu nutzen und Biogas zu erzeugen, das mit geringer Aufbereitung ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Titel: „Entwicklung eines Verfahrens zur fermentativen Konversion von H2 aus fluktuierenden Quellen zu Biomethan in Biogasanlagen (H2-Transfer)“, Projektleiter: Dr. Hans Oechsner, und „Fermentative Hochdruckmethanisierung von Wasserstoff“, Projektleiter: Dr. Andreas Lemmer
• Globale Perspektive: Gegenstand der Untersuchung sind globale Rahmenbedingungen, Auswirkungen und Potenziale von verschiedenen Szenarien der Biogasproduktion, sowie deren CO2-Bilanz. Titel: „Biogas: Potenzial, Flächenkonkurrenz und Klimawirkungen“, Projektleiter: Prof. Dr. Harald GretheForschungsverbund Lignozellulose: Holzige Biomasse ganzheitlich nutzen
Pflanzen mit einem hohen Anteil an Fasern und holzigen Bestandteilen (Lignozellulose) werden bisher fast ausschließlich angebaut, um daraus Energie zu produzieren oder Baumaterialien zu gewinnen.
Pflanzen mit einem hohen Anteil an Fasern und holzigen Bestandteilen (Lignozellulose) werden bisher fast ausschließlich angebaut, um daraus Energie zu produzieren oder Baumaterialien zu gewinnen.
Dies könnte sich jedoch bald ändern. Neue Verfahren ermöglichen es, Lignozellulose als Ausgangsstoff für eine Reihe weiterer biobasierter Produkte mit höherer Wertschöpfung zu nutzen, wie z.B. Bio-Plastik oder Reinigungsmittel. Ein großer Teil des bisher hierfür verwendeten Erdöls kann damit eingespart werden.
Ziel des Forschungsverbunds sind neue, nachhaltige Wertschöpfungsketten: Die Forscher nehmen dazu den gesamten Stoffstrom vom Acker bis zum Produkt in den Blick. Alle Pflanzenbestandteile sollen in der Wertschöpfungskette vollständig und, wenn möglich, mehrfach verwertet werden. Die Auswahl, Züchtung und Kultivierung der lignozellulose-liefernden Pflanzen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Weiterentwicklung von Konversionsverfahren.
Wissenschaftler der Universität Hohenheim sind mit vier Teilprojekten am landesweiten Forschungsverbund „Lignozellulosebasierte Wertschöpfungsketten“ beteiligt:
• Neue Energie-Pflanzen: Das Süßgras Miscanthus ist eine vielversprechende Energiepflanze, da sie auch auf nährstoffarmen Böden kultiviert werden kann, die für den Anbau von Nahrungspflanzen uninteressant sind. Die Forscher suchen dafür nach geeigneten Sorten. Titel: „Miscanthusgenotypen für lignozellulosebasierte Wertschöpfungsketten“, Projektleiterin: Prof. Dr. Iris Lewandowski
• Ökonomische Bewertung: Inwiefern sich der Anbau verschiedener lignozellulosehaltiger Pflanzen für Landwirte auch finanziell lohnt, untersuchen Experten der Agrarökonomie. Titel: „Agrarökonomische Analyse von Verfahren zur Erzeugung lignozellulosehaltiger Biomasse und deren Akzeptanz in der Landwirtschaft“, Projektleiter: Prof. Dr. Christian Lippert
• Konversionstechnologie: Holzige Biomasse lässt sich in hochenergetisches Öl umwandeln. Diese sogenannten Pyrolyseöle können wiederum für die Herstellung biochemischer Produkte (Bio-Plastik, Bio-Reinigungsmittel, etc.) genutzt werden. Wissenschaftler arbeiten daran, diesen Prozess weiter zu optimieren. Titel: „Evaluierung von Pyrolyseölen als Plattform für die Fermentation“, Projektleiter: Prof. Dr. Rudolf Hausmann
• Globale Perspektive: Der Anbau von lignozellulosehaltigen Pflanzen hängt von globalen Rahmenbedingungen ab, beeinflusst diese allerdings auch über die Konkurrenz um Flächen mit anderen Produkten und den Preismechanismus. Besonders intensiv sind die Wechselwirkungen mit dem globalen Energiesystem und dem Agrarsektor. Das Forschungsprojekt simuliert verschiedene mögliche Entwicklungen. Titel: „Lignozellulose: Landnutzung, Potenzial und Markteffekte“, Projektleiter: Prof. Dr. Harald Grethe
Forschungsverbund Mikroalgen: Chancen für die Ernährung
Mikroalgen sind eine hochwertige Proteinquelle, die für die menschliche Ernährung und die Fütterung von Nutztieren bisher kaum erschlossen ist. Darüber hinaus enthalten Mikroalgen weitere wertvolle Inhaltsstoffe, die für eine Vielzahl von Produkten nutzbar gemacht werden können. Da Ackerflächen weltweit knapp werden und Mikroalgen in sehr großen Mengen kultiviert werden könnten, sind sie als Rohstoffquelle für die Bioökonomie besonders interessant.
Vielversprechend sind vor allem Misch-Produkte, bei denen tierische Proteine zum Teil durch Inhaltsstoffe von Algen ersetzt werden. Rückstände, die bei der industriellen Produktion anfallen, könnten anschließend außerdem in der Tierernährung Verwendung finden.
Ziele des Forschungsverbunds sind die Auswahl geeigneter Mikroalgen, deren Kultivierung, Ernte und Aufarbeitung und Prozessketten zur Herstellung hochwertiger Produkte. Daneben stehen auch Nachhaltigkeit, ethische Evaluierung und Akzeptanz seitens der Verbraucher im Fokus.
Prof. Dr. Jochen Weiss, Prorektor für Forschung der Universität Hohenheim und Inhaber des Lehrstuhls Technologie funktioneller Lebensmittel ist Sprecher des Forschungsverbunds "Integrierte Nutzung von Mikroalgen für die Ernährung".
Kompetenznetz Modellierung der Bioökonomie
Um die Forschungsverbünde methodisch zu unterstützen, fördert das Land den Aufbau eines Kompetenznetzes zur Modellierung der Bioökonomie. Die Koordination liegt bei Prof. Dr. Harald Grethe, Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik an der Universität Hohenheim.
Ziel des Kompetenznetzes ist es, direkte und indirekte Wirkungen der Biomassenutzung (Biogas und Lignozellulose) in verschiedenen Nutzungspfaden vergleichbar zu machen und vergleichend zu bewerten. Ökonomische und technologische Simulationsmodelle verschiedener Forschergruppen sollen miteinander vernetzt werden, um die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Sektoren mit der natürlichen Umwelt sowie mit den globalen Märkten zu berücksichtigen.
Die Universität Hohenheim ist mit zwei Teilprojekten am Kompetenznetz beteiligt, die sich jeweils mit der Entwicklung und Konzeption von Modellschnittstellen beschäftigen:
• „Entwicklung von EFEM-Schnittstellen“, Projektleiter: Prof. Dr. Enno Bahrs, Dr. E. Angenendt
• „Entwicklung von ESIM-Schnittstellen“, Projektleiter: Prof. Dr. Harald Grethe