Entwurf des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes sorgt für Unverständnis in den Reihen der Sachverständigen
Der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS) kritisiert den Entwurf zum Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG).
Die Gebühren für Rechtsanwälte und Notare sollen steigen; die Vergütung für Dolmetscher, Übersetzer und Sachverständigen, die im Gerichtsauftrag tätig sind, ebenfalls. So sieht es das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vor und will damit der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen. Eine durchaus positive und angemessene Maßnahme, beabsichtigte nicht der Bundesrat mit seiner Drucksache 517/12 (Beschluss) vom 12. Oktober 2012, diese Vergütungsanpassung zusammenzustreichen. Entsprechend werden die Vergütungsanpassungen, welche die Bundesregierung im Novellierungsentwurf zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG vorgeschlagen hat, drastisch gekürzt.
Am 1. Juli 2013 soll das 2. KostRMoG in Kraft treten und sieht für die einzelnen Sachverständigengruppen Vergütungssatzerhöhungen zwischen 15 und 25 Prozent vor. Dies ist die erste Anhebung der Vergütungen nach neun Jahren. Unberücksichtigt blieb jedoch bei dem Gesetzesentwurf, dass schon 2004 die Stundenvergütung für die gerichtlich beauftragten Sachverständigen sehr gering bemessen war. So ergibt sich eine nicht unerhebliche Diskrepanz zwischen den Stundensätzen für Gerichtssachverständige und denen, die Sachverständige erheben, wenn sie im Privatauftrag Gutachten erstellen.
Damalige Bemessungsgrundlage des JVEG (01.Juli 2004) waren die bundesweit erhobenen, durchschnittlichen Vergütungsstundensätze der Sachverständigen bei privatgutachterlichen Tätigkeit, abhängig von den einzelnen Tätigkeitsfeldern bzw. -bereichen. Jedoch wurden diese durch den Gesetzgeber nochmals um 20 Prozent reduziert. Mit dem Argument, der Staat sei ein solventer Auftraggeber und könne nicht zahlungsunfähig werden, wurde der "Großkundenrabatt" gerechtfertigt.
Das 2. KostRMoG stellt nunmehr eine Anpassung bzw. Erhöhung der Vergütungen in Aussicht. Sachverständige, die als Gerichtsgutachter tätig sind, könnten so mit einem höheren Stundensatz rechnen. Im Vorfeld wurde hierzu eine weitere bundesweite Umfrage zur Feststellung der Sachverständigenvergütung im Privatbereich erhoben, beauftragt vom Bundesamt für Justiz in Bonn und durchgeführt vom unabhängigen Institut Professor Dr. Hommerich. Die Ergebnisse dienten der Bundesregierung als Bemessungsgrundlage zum 2. KostRMoG. Erneut wurde eine Absenkung der Stundensätze beschlossen; hier jedoch in Höhe von "nur" 10 Prozent. Im Vergleich zur 20prozentigen Absenkung aus dem Jahr 2004 sollte die Halbierung als Kompensation dienen; da die Vergütungsstundensätze des neuen JVEG zur Jahresmitte 2013 auf Grundlage der 2009 erhobenen Zahlen ermittelt wurden. So sollte ein Inflationsausgleich bezweckt werden.
Der Vergütungscharakter des JVEG wird im Beschluss zum 2. KostRMoG jedoch verkannt. Der Bundesrat hält offenbar den 20prozentigen Rabatt für unumstößlich und nimmt diesen mittels eines "Rechentricks" wieder auf: die geplanten Vergütungsstufen sollen zusätzlich jeweils um fünf Euro abgesenkt werden. Sachverständige als Gerichtsgutachter würden damit einen zweifach reduzierten Stundensatz erhalten.
"Berücksichtigt man die Kostensteigerungen seit 2009, so wäre dies dann eine Reduzierung per Saldo um insgesamt 30 Prozent", kritisiert BVS-Präsident Roland R. Vogel. "Diese wäre dann Basis des 2013 in Kraft tretenden neuen JVEG und hätte mindestens Gültigkeit bis 2020. Tatsächlich ist es aber ein Rückschritt zur Entschädigung. 2004 sollte das JVEG die Entschädigung von Gerichtssachverständigen in die Mottenkiste der Brüning´schen Notverordnungen verbannen, die im Jahre 1931 deren Vergütung abschaffen. Mit dieser Gesetzesgrundlage wird die Entschädigungsregelung aber quasi wiederbelebt", erläutert Roland R. Vogel weiter.
"Eine derartige Schönrechnerei ist aus Sicht der Sachverständigen nicht akzeptabel".
Wie alle Angehörigen der Freien Berufe, so agieren auch Sachverständige auf einem hohen Qualitätsniveau. Als weisungsfreie, unabhängige und integere Berufsgruppe erbringen sie geistige Leistungen, die angemessen honoriert werden müssen. Gerade Gerichtssachverständige sind eine tragende Säule der unabhängigen Rechtssprechung. Justiz und Gerichtswesen sind ihrerseits wiederum Teil der Daseinsvorsorge. Allein hieraus müssen sich marktgerechte Finanzierungsgrundsätze ergeben.
"Die 2004 festgelegten Vergütungserhöhungen für gerichtsgutachterliche Tätigkeiten von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern übertrafen bereits im Jahr 2010 das gegenfinanzierte und gedeckte Ausmaß von 63,5 Mio. Euro um 82,9 Mio. Euro. Dieses Defizit kann nicht zu Lasten der Sachverständigen gehen. Nun eine "Gegenfinanzierung" zu planen, welche die ohnehin mangelhafte Vergütungserhöhung für Gerichtssachverständige nochmals zusammenstreicht, ist nicht hinnehmbar", erklärt der BVS-Präsident.
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hier die Ursachen der steigenden Kosten zu ermitteln. Ein Kriterium sind sicherlich die ansteigenden Ausgaben der Bundesländer für die Prozesskostenhilfe. "Sachverständige dürfen dennoch nicht als sozialpolitische Stellschrauben herhalten, die eine rechtspolitische Fehlentwicklung ausgleichen sollen", mahnt Roland R. Vogel. "Der Gesetzgeber muss die Gründe erforschen, warum Sachverständigengutachten in zunehmenden Maße bei Gericht benötigt werden und hier bei gewährter Prozesskostenhilfe die Landeshaushalte entsprechend belasten".
Den freiberuflich tätigen Gerichtssachverständigen droht eine wirtschaftliche Schieflage, sollten die vom Bundesrat geforderten Reduzierungen im künftigen JVEG in Kraft treten. Von einer realen Vergütungserhöhung kann wohl kaum mehr die Rede sein. Besorgt zeigt sich der BVS auch um die Zukunft der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. "Sachverständige, die sich öffentlich bestellen und vereidigen lassen, erfüllen sachlich wie persönlich überdurchschnittliche Anforderungen. Sie nehmen die Verpflichtung auf, für die Gerichte tätig zu sein. Wir befürchten, dass mit dem neuen Gesetzesentwurf auch die Bereitschaft zur Bestellung zurückgeht, ist doch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz wenig Wertschätzung in finanzieller und persönlicher Hinsicht, Sachverständiger zu werden."