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21.03.2017 | Beschaffungspraxis

Sicher und transparent: Gutschriftverfahren sorgt für digitale Rechnungserfassung in Kommunen

Die Beschaffung in Kommunen ist vielfach intransparent und teuer. Bereits im Jahr 2006 legte die EU-Kommission deshalb als Ziel fest, dass bis 2010 mindestens 50 Prozent der öffentlichen Aufträge elektronisch abgewickelt werden sollten. De facto gibt es bei den Kommunalverwaltungen nur wenige Vorreiter, die mit medienbruchfreien Verfahren arbeiten.

Die Städte Lörrach und Tübingen sind zwei dieser Pioniere, die bereits Anfang der 2000er Jahre die webbasierende Technologie des externen Dienstleisters TEK-SERVICE AG eingeführt haben, um effiziente und transparente Prozesse im Einkauf zu schaffen. Die jüngste Neuerung in Tübingen und Lörrach ist die Einführung des Gutschriftverfahrens als Form der elektronischen Abrechnung. Vorteile: Die manuelle Erfassung und Kontierung der Abrechnungsdateien entfällt. Digitalisierte Verfahren sorgen für schlanke Prozesse sowie für zeitnahe Bezahlung ohne Skontoverlust. Lieferanten werden außerdem vom Aufwand der Rechnungserstellung entbunden.Was wurde wann von wem in welcher Menge beschafft? Die Antwort auf diese Frage haben die Mitarbeiter der Stadtverwaltungen von Tübingen und Lörrach mit wenigen Klicks parat. Denn: Seit Anfang 2000 bestellen autorisierte Mitarbeiter im jeweils eigenen Einkaufssystem der Verwaltung. Ausgeschriebene Rahmenverträge decken seither die spezifischen Bedarfe der Rathäuser, Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Gärtnereien oder der Eigenbetriebe. Bestellungen werden von autorisierten Mitarbeitern der jeweiligen Verwaltung am Arbeitsplatz erfasst, kontiert und automatisch an den jeweils zuständigen Lieferanten weitergeleitet. Im Ergebnis führte die mit der Digitalisierung von Einkaufsprozessen einhergehende Transparenz zu bis dahin ungeahnten Steuerungsmöglichkeiten und wirtschaftlichen Vorteilen. Periodisch durchgeführte Ausschreibungsverfahren vereinfachten sich durch kurze Vorbereitungszeiten, da auf elektronische Leistungsverzeichnisse zurückgegriffen werden konnte.

Zeitnahe Rechnungsbegleichung ohne Skontoverlust

Über die Jahre hatte sich damit die Verzahnung von digitalisiertem Einkauf und Vergabe etabliert. Diese Verknüpfung ist seither fester Bestandteil der Einkaufsstrategien von Lörrach und Tübingen. Die Einführung der elektronischen Abrechnung erschien in der Konsequenz daher nur folgerichtig. Über den gemeinsamen externen Dienstleister erfuhren Tübingen und Lörrach von dem in anderen Kommunalverwaltungen angewandten und bewährten Gutschriftverfahren: TEK erstellt für ihre Kunden zum Monatsende anhand der durch die Besteller getätigten und zur Zahlung freigegebenen Beschaffungsvorgänge das Abrechnungsdokument "Gutschrift". Die Daten sind vollständig kontiert, durch automatisierte Verfahrensabläufe geprüft und stehen damit, sowohl für die Verwaltung, als auch für deren Lieferanten zur elektronischen Verarbeitung zur Verfügung. Die Folge sind digitalisierte, transparente und effiziente Verfahrensabläufe sowie zeitnahe Rechnungsbegleichung ohne Skontoverlust. Die Gefahr von falschen Rechnungslegungen sowie hohe Aufwände in der Rechnungsverarbeitung sind folglich passé“, erläutert Monika Schmidt, Vorsitzende des Aufsichtsrats der TEK, die Rollenverteilung bei der e-Abrechnung.

Arbeitserleichterung erlaubt Konzentration auf Kernaufgaben

Da es sich bei den Bestellungen im Wesentlichen um Massenartikel handelt, liegt der Vorteil, der mit dem Gutschriftverfahren einhergeht, eindeutig in der Wirtschaftlichkeit beziehungsweise in der Prozessoptimierung. „Die zuverlässig auf Basis der Ausschreibung erstellten Abrechnungen ersparen allen Beteiligten Zeit und Kosten. Aufgrund der transparenten Darstellung besteht zudem kein weiterer Klärungsbedarf zwischen Lieferant und Besteller“, nennt Günter Lehmann, Leiter der Fachabteilung Stadtkasse in Tübingen, zentrale Punkte, die für das neu eingeführte Verfahren sprechen. „Im Übrigen haben auch unsere Lieferanten Vorteile: Sie brauchen keine Rechnungen mehr zu erstellen und erhalten zeitnah und pünktlich ihr Geld.“ Gründe genug, um seit Jahresanfang 2017 einen weiteren Lieferanten in das Gesamtverfahren miteinzubeziehen.

„Durch den konsequenten Ausbau digitalisierter Abläufe kann mit vergleichsweise wenig Personal ein großes Aufgabengebiet abgedeckt werden. Das ist umso wichtiger, da die Verwaltung in erster Linie eine Dienstleistung für die Bürger sein sollte“, schildert Lehmann seine Sicht der Dinge. Die Automatisierung des Einkaufs, der Ausschreibung und Vergabe sowie der Abrechnung erleichtert in der Universitätsstadt den Verwaltungsalltag und erlaubt es, alle Ressourcen auf die Kernaufgaben zu richten. „Müssen keine Papierstapel mehr abgearbeitet werden, entstehen wertvolle Freiräume für eine strategische Gestaltung in der Verwaltung“, ergänzt Lehmann.

Bessere Preise, schlankere Prozesse und mehr Transparenz

Die Zusammenarbeit der Stadt Lörrach mit TEK wurde bei der Einführung Anfang 2000 vor allem als Möglichkeit betrachtet, günstig einzukaufen. Aufgrund der Erfolge, die sich daraufhin in der Lörracher Zentralverwaltung durch die Einführung des neuen Modells abzeichneten, wurde die Strategie vom Rathaus über die Schulen bis hin zu den Eigenbetrieben der Stadt Lörrach ausgeweitet. So erfolgen heute Ausschreibung und Vergabe für die gesamte Verwaltung auf Basis der von TEK erstellten Leistungsverzeichnisse gemäß der „Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen“ (VOL). Der weit größere Gewinn ergab sich jedoch sowohl für Lörrach als auch für Tübingen aus den vereinfachten Prozessen und den besseren Steuerungsmöglichkeiten. „Die Kosten für einen Bestellvorgang liegen, unabhängig davon, was ein Artikel kostet, laut aktuellen Untersuchungen bei 90 €, die einer Rechnungsbearbeitung bei 15 €. Berücksichtigt man, dass die Zahl der Rechnungen einer Stadt ungefähr der ihrer Einwohner entspricht, zeigt sich, dass es weniger um die Preise, als vielmehr um die Arbeitserleichterung aufgrund der neugestalteten Prozesse geht“, hebt Annette Rebmann-Schmelzer, Fachbereichsleiterin Zentrale Dienste und Ratsarbeit bei der Stadt Lörrach. hervor.

Die e-Abrechnung als missing link zum effizienten Gesamtprozess

„In Lörrach entstand das Interesse an der e-Abrechnung beziehungsweise dem Gutschriftverfahren im Jahr 2014, als wir von den positiven Erfahrungen der Kreisverwaltung Germersheim in Rheinland-Pfalz hörten. Eigene Untersuchungen deuteten bereits auf erhebliche verwaltungsinterne Aufwände der Rechnungsbearbeitung hin. Das hat uns dazu bewogen, diesen Lösungsweg auch für uns in Betracht zu ziehen“, erinnert sich Rebmann-Schmelzer. „Unser Ziel war es, einen durchgängig digitalen Verfahrensablauf zu haben. Ausschreibung beziehungsweise Vergabe, Einkauf und Abrechnung lassen sich nur dann wirklich transparent und effizient gestalten, wenn sie als Gesamtprozess verstanden werden. Mit der Entscheidung für das Gutschriftverfahren haben wir die Lücke geschlossen“, führt Rebmann-Schmelzer aus.

Dennoch sollte es noch einige Zeit dauern, bis der entscheidende verwaltungsinterne Dialog abgeschlossen war. Nach rund zweieinhalb Jahren konnte das Verfahren innerhalb kurzer Projektzeiten implementiert werden. In diesen Zeitraum erfolgten die Abstimmungen über Formate und Schnittstellen zu SAP zwischen TEK, dem jeweiligen Fachbereich Finanzen und deren Rechenzentrum. Auch Sonderwünsche wie ein Barcode zur elektronischen Belegarchivierung wurden dabei berücksichtigt. Zu Jahresbeginn 2017 konnte das Gutschriftverfahren in Lörrach schließlich an den Start gehen. Seither wird jeweils zum Monatsende die Gutschriftdatei erstellt, die in das Finanzsystem-System der Verwaltung importiert wird. Ein weiterer XML-Datensatz geht an den Lieferanten.

„Aktuell steuern wir rund 14.000 Artikel mit einem Jahresbeschaffungsvolumen von 250.000 € über das Einkaufssystem. Das Gutschriftverfahren wurde zunächst mit einem Lieferanten gestartet, in der Folge sollen weitere hinzukommen“, meint Rebmann-Schmelzer mit Blick auf die Zukunft. Erste Ergebnisse und eine spürbare Entlastung bei der Rechnungsbearbeitung sind ab dem Frühsommer zu erwarten. „Rückblickend waren diese beiden Projekte für TEK spannend. Galt es doch folgende Parameter, unter einen Hut zu bringen‘: Zwei Kunden, ein identischer Prozess, ein identisches Finanzsystem (SAP) zwei jeweils unterschiedliche Schnittstellen und Formate (XML und Text), zwei unterschiedliche Rechenzentren (KIRU und Baden-Franken) sowie zwei Lieferanten. Umso erfreulicher, wenn Effekte kundenseitig spürbar werden“, resümiert Schmidt.

Die Stadt Lörrach mit ihren 49.000 Einwohnern ist kulturelles und wirtschaftliches Zentrum im Dreiländereck Deutschland, Frankreich, Schweiz. Die Stadt, die unmittelbar an die Schweiz angrenzt, ist Bestandteil des Trinationalen Eurodistricts Basel und bietet rund 20.650 Arbeitsplätze in Unternehmen aus verschiedensten Branchen, darunter international renommierte Mittelständler. Mit rund 600 Mitarbeitern hat Lörrach eine modern organisierte Stadtverwaltung und bietet einen qualifizierten, bürgerfreundlichen Service. Zu den Aufgaben des Fachbereichs Zentrale Dienste und Ratsarbeit gehören dabei neben dem Beschaffungswesen auch die Bereiche Personal, Organisation, Wahlen, Statistik und Versicherungen sowie die Servicestellen Archiv, Hausdruckerei, Poststelle und Infothek.

Die Stadt Tübingen liegt im Zentrum von Baden-Württemberg, rund 30 Kilometer südlich von Stuttgart, und zählt rund 87.000 Einwohner. Insgesamt arbeiten circa 40.400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Tübingen. Der Standort ist dabei stark vom öffentlichen Dienst geprägt: Die größten Arbeitgeber sind die Universität und das Klinikum mit zusammen über 12.000 Beschäftigten. Die rund 30 Behörden in Tübingen beschäftigen etwa 2.500 Arbeitnehmer. Bei der Stadtverwaltung Tübingen sind rund 1.600 Mitarbeiter beschäftigt, davon rund 950 in der Kernverwaltung, 450 bei den Kindertageseinrichtungen und 180 bei den Kommunalen Servicebetrieben. Dazu kommen noch die in Tübingen tätigen Beamten und Selbstständigen.

Die TEK Service AG mit Sitz in Lörrach wurde 2000 von Frank Schmierer sowie Monika Schmidt gegründet und bietet eine webbasierende Lösung, über die der Einkauf öffentlicher Verwaltungseinrichtungen bundesweit abgewickelt werden kann. Die Kommune definiert dabei die Zugriffsberechtigungen und Hierarchien, während TEK diese abbildet und das Katalog- und Lieferantenmanagement des Kunden übernimmt. Die Produktpalette reicht dabei von Pflege-, Nahrungs- und Bastelprodukten für Kitas und Kindergärten sowie Schulbedarf, über Bedarfe für Arbeitssicherheit, Dienstleistungen, Mobiliar, Chemikalien oder Reinigungsmittel bis hin zum Bedarf für Flüchtlingsunterkünfte oder Elektroartikeln. Die Entwicklung der Technologie, der Verfahrensabläufe und Services, die Datenhaltung sowie deren Verarbeitung werden seit der Gründung am Standort Lörrach erbracht.