Public Manager
05.12.2017 | Gebäudemanagement, Stadtplanung

Tagung "Bauen und Wohnen in Gemeinschaft"

Nicht wer am meisten bietet, sondern wer das beste Nutzungskonzept hat, bekommt den Zuschlag. Das ist die Idee der „Konzeptvergabe“ beim Verkauf von Grundflächen durch die öffentliche Hand, zu der die Landesregierung jetzt eine Richtlinie veröffentlicht hat.

Ins Gespräch vertieft: Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Klima- und Verbraucherschutz (li.) und Monika Fontaine-Kretschmer, Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt.

Spannende Debatte: Bei der abschließenden Podiumsdiskussion herrschte Einigkeit darüber, dass sich die Konzeptvergabe rechnet und volkswirtschaftlich sinnvoll ist. (Fotos: UGNHWS / Andrea Saalmann)

Davon können vor allem Genossenschaften, Wohn- und Baugruppen profitieren. Über dieses und andere Instrumente der kommunalen Förderung von gemeinschaftlichem Bauen und Wohnen diskutierten die Teilnehmer einer Tagung, zu der die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt ins Deutsche Architekturmuseum geladen hatte. 

Noch vor zehn Jahren gingen Demographen von einer schrumpfenden Bevölkerung in der Bundesrepublik aus. Das Gegenteil ist mittlerweile eingetreten: Die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen steigt kontinuierlich an, vor allem in den Ballungsräumen, die dem ständig wachsenden Bedarf an Wohnraum kaum noch gerecht werden können. So verzeichnet etwa Frankfurt am Main zurzeit in jedem Monat den Zuzug von 1.100 neuen Bewohnern; aktuell suchen 23.000 Menschen in der Mainmetropole eine Wohnung. Gleichzeitig steigt die Zahl der Single-Haushalte; in Frankfurt werden mittlerweile 54,9 Prozent der Haushalte von nur einer Person bewohnt.

Vor diesem Hintergrund hat die NH ProjektStadt in Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum Frankfurt (DAM) 2015 das Pilotprojekt „Bauen und Wohnen in Gemeinschaft“ gestartet, das sich in insgesamt drei Phasen gliedert. Den Auftakt bildete im Herbst/Winter 2015/16 die Ausstellung: „Daheim. Bauen und Wohnen in Gemeinschaft“ im Architekturmuseum, die verschiedene Beispiele und Konzepte gemeinschaftlicher Wohnprojekte präsentierte. Daran schloss sich eine intensive Netzwerkarbeit mit Expertenhearings, Informationsveranstaltungen und Beratungsangeboten an. Erste Ergebnisse dieses Engagements wurden jetzt auf der Tagung „Bauen und Wohnen in Gemeinschaft – kommunale Lösungswege zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohnens“ vorgestellt und diskutiert, zu der die Unternehmensgruppe am Mittwoch, 29. November, ins Deutsche Architekturmuseum geladen hatte. 

Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Klima- und Verbraucherschutz begrüßte die rund 70 Teilnehmer der Tagung. „Das Thema liegt mir persönlich sehr am Herzen“, betonte sie. Denn gemeinschaftliche Wohnprojekte beförderten nicht nur „die demokratische Teilhabe“, sondern trügen außerdem dazu bei, dass Menschen füreinander Verantwortung übernähmen. Insofern seien sie auch ein wirksames Mittel gegen die zunehmende Vereinsamung im Alter. „Und diese positiven Impulse transportieren die Wohngruppen und -gemeinschaften auch in ihren Stadtteil“, hob Tappeser hervor. Die Staatssekretärin bekräftigte, dass es das Anliegen des Landes Hessen ist, partnerschaftlich mit den Kommunen zusammen zu arbeiten. Mit Hilfe des „Masterplans Wohnen“ werde man auch in Zukunft „gezielt Anreize setzen, um Genossenschaften, Wohn- und Baugruppen, unabhängig von ihrer jeweiligen Rechtsform, zu unterstützen“. 

Die Grundstückspolitik ist der Flaschenhals

Monika Fontaine-Kretschmer, Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, setzte sich in ihrer Rede für eine „stärkere Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privaten Investoren“ ein. Dabei soll die „Bauland-Offensive Hessen“, ein Tochterunternehmen der Nassauischen Heimstätte, mit dazu beitragen, Kommunen bei der Mobilisierung von Bauland für bezahlbaren Wohnraum zu unterstützen und, in einem zweiten Schritt, neuen Baugrund zu erschließen. Denn das ist das größte Problem, mit dem sich auch gemeinschaftliche Wohninitiativen konfrontiert sehen: bezahlbaren Baugrund zu finden. Im Überbietungswettbewerb der Käufer haben sie meist keine Chance. „Die Bodenpolitik ist der Flaschenhals“, waren sich alle Experten bei der Tagung einig. Die am 28. November von der Landesregierung veröffentlichte „Richtlinie für die Konzeptvergabe“ wurde daher von allen Seiten begrüßt, denn dieses Verfahren macht es möglich, die Preisspirale zu durchbrechen und finanzschwächeren Bietern den Zuschlag zu erteilen.  

Festpreise statt Überbietungswettbewerb

So sollen künftig beim Verkauf von Baugrund durch die öffentliche Hand vorranging inhaltliche Kriterien den Ausschlag geben: Wer das überzeugendste Nutzungskonzept vorlegt, gewinnt, und nicht der, der am meisten bezahlen kann. Wulfila Walter vom Referat Wohnungswesen im hessischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Klima- und Verbraucherschutz setzte sich in diesem Zusammenhang für durch Gutachten ermittelte Festpreise ein: „Dann steht das Konzept zu 100 Prozent im Vordergrund. Aber eine Subvention ist es trotzdem nicht.“ Mit dem Instrument der Konzeptvergabe möchte die Landesregierung eine Vielfalt an Wohn- und Lebensformen und eine gemischte Bevölkerungsstruktur in Städten und Gemeinden sicherstellen. Auch Frankfurts Planungsdezernent Mike Josef forderte in seinem Vortrag, „die Richtlinie zur Konzeptvergabe jetzt gemeinsam mit Leben zu füllen, damit in den städtischen Quartieren mehr Vielfalt und weniger Langeweile entsteht“.  

Wohngemeinschaft als Familienersatz

Warum vor allem gemeinschaftliche Wohnprojekte hier einen wichtigen Beitrag leisten, erläuterte Dr. Gerd Kuhn, Dozent am Fachbereich Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart. So sei bei den meisten Projekten die „Integration benachteiligter Gruppen eine Selbstverständlichkeit“. Auch böten diese Gemeinschaften eine Antwort auf das Bedürfnis heutiger Menschen, „Individualität und Gemeinschaft miteinander zu vereinbaren“. „Die Bürger suchen nach Ersatz für traditionelle Familienstrukturen“, zeigte sich auch Birgit Kaspar, Koordinatorin des Netzwerks Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen, überzeugt. Vor zwölf Jahren gegründet, berät das Netzwerk zirka 65 verschiedene Wohninitiativen in Frankfurt, aber auch im Umland ist das Interesse mittlerweile groß: „Wir brauchen dringend eine regionale Beratungsstelle“, lautete daher Kaspars eindringliche Forderung. 

In der abschließenden Diskussionsrunde, an der unter der Moderation von Marion Schmitz-Stadtfeld, Leiterin Integrierte Stadtentwicklung bei der NH ProjektStadt, Vertreter aus Kommunen und Immobilienwirtschaft teilnahmen, herrschte Einigkeit darüber, dass sich die Konzeptvergabe rechnet und volkswirtschaftlich sinnvoll ist. „Die Nachbarschaft, die dabei entsteht, ist die Rendite“, hob etwa Birgit Kaspar vom Frankfurter Netzwerk hervor.  

Zum Abschluss der Tagung bot sich allen Teilnehmern die Möglichkeit, zwei der bundesweit 16 Initiativprojekte zu besichtigen, die in der dritten Phase der Kooperation von Nassauischer Heimstätte/NH Projektstadt und Architekturmuseum auf den Weg gebracht wurden: „Cubity“, ein von zwölf Studenten bewohnter Kubus mit großzügigen Gemeinschaftsflächen und kleinen abgeschlossenen Einzel-Quadern als privatem Rückzugsraum in Frankfurt-Niederrad, und „NiKA“, ein selbstorganisiertes Projekt für 30 Bewohner, das sich in der Realisierungsphase befindet. Entstehen soll es in einem ehemaligen Bürogebäude mitten im Frankfurter Bahnhofsviertel.