Public Manager
29.08.2017 | Arbeitsschutz, Messen

Autor:

A+A 2017 präsentiert aktuelle Neuheiten im PSA-Bereich Absturzsicherung

Arbeiten in der Höhe gelten als äußerst gefährlich. Nicht nur die Feuerwehr muss sicher retten können. Auch Beschäftige in Solar- und Windparks, der Baumwirtschaft oder in Brauereien sollen sicher arbeiten. Technische Regeln sorgen dafür, dass entsprechende Ausrüstungen gestellt werden und Ausbildungen dafür vorgesehen sind.

Sonderschau "Sicheres Retten aus Höhen und Tiefen" auf der A+A (c) Messe Düsseldorf GmbH / ctillmann

Welche Neuheiten der Markt für persönliche Schutzausrüstung aktuell im Bereich Absturzsicherung zu bieten hat, zeigt die A+A als weltweit führende Fachmesse mit Kongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vom 17. bis 20. Oktober 2017 in Düsseldorf.

Sendemasten, Brückenpylone, Industrie-Schornsteine, Riesenbäume, Sicherungsarbeiten im Gebirge – je höher der Mensch steigen muss, desto plausibler erscheint die Absturzsicherung. Aber man muss gar nicht so hoch hinaus. Auch Abstürze aus geringen Höhen können zu schweren Verletzungen oder gar zum Tode führen. Dasselbe gilt für die Tiefe beispielsweise in Brunnenschächten. „Überall, wo man rein muss und dann umschlossen sein könnte“, sagt Klaus Bornack, Präsident der A+A – Weltleitmesse für Persönlichen Schutz, Betriebliche Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – in Düsseldorf und Mitglied des Vorstandes des Herstellerverbandes IVPS. „Nehmen Sie eine Brauerei. Dort müssen regelmäßig die Fässer gereinigt werden. Leider passiert es immer wieder, dass ein Mitarbeiter dabei ohnmächtig wird. Das kann an mangelndem Sauerstoff liegen, aber auch an giftigen Gasen, die nach unten im Fass absinken. Deshalb würde ein Retter, der hinterhersteigt ebenfalls ohnmächtig werden.“ Ergo ist eine Rettungsausrüstung mit Absturzsicherung, in der die Person aufrecht hängt, wenn sie das Bewusstsein verliert, unverzichtbar.

Bornack beziffert den Herstellerumsatz für persönliche Schutzausrüstungen allein in Deutschland auf ca. 1,8 Milliarden Euro jährlich. Neben dem Handschutz, Schutzschuhen und Schutzkleidung sind mit circa 25 Prozent Umsatzanteil die lebensschützenden Produkte wie Atemschutz, Feuerschutz und der Anseilschutz wichtige Hilfsmittel, um die Unfallzahlen niedrig zu halten. Technische Normen und einschlägige Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften bilden die Basis und gewährleisten einen wichtigen Mindeststandard an Sicherheit. Diese Regelwerke sind grenzübergreifend europäisch geprägt durch EG-Richtlinien; es steht eine wichtige Neuerung an: die bisherige PSA-Richtlinie 89/686/EWG wird ab 2019 in eine EG-Verordnung aufgewertet.

Unverzichtbar: Schulungen und Seminare

Grundsätzlich obliegt es dem Unternehmen, für die Einhaltung der Mindeststandards zu sorgen, so ist es vorgeschrieben. Im Auftrag des Unternehmens sollte sich der Sicherheitsbeauftragte als Multiplikator schulen lassen, so dass er als Ansprechpartner für Fragen und Informationen dienen und das notwendige Wissen zu Absturzsicherungen vermitteln kann. Er zeigt, wie man den Gurt richtig anlegt und kennt sich auch mit Dingen wie der Sturzlast aus. Außerdem ist er darin geschult, die PSA regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Anbieter für Schulungen zur Prüfung der PSA sowie zur praktischen Nutzung werden beispielsweise durch Firmen wie Bornack (mit drei Schulungs- bzw. Trainingszentren, davon ein großes Hochwerk in Marbach am Neckar), DWS Pohl, Edelrid, MAS und ABS Safety – allesamt Aussteller auf der A+A 2017 – angeboten.

Trainings sind ein ganz zentraler Punkt im Umgang mit Absturzsicherungen. Eine gute Ausrüstung ist essentiell, aber je besser die Schulung der Benutzer, desto besser ist auch der Schutz. Schließlich ist die Arbeit an Funkmasten oder Brückenpfeilern risikoreich und es handelt sich nie um Alltagssituationen, wenn Menschen in Gefahr geraten und geborgen werden müssen. Selbst Profis wie das SEK, Feuerwehr und Polizei oder das GSG 9 können dabei an ihre psychischen und physischen Grenzen stoßen. Umso wichtiger ist es, dass sie auf ihre besonderen Einsätze in regelmäßigen Trainings, wie sie unterschiedliche Unternehmen anbieten, vorbereitet werden. Nur wer seine Höhenarbeitsplätze kennt, kann Risiken erkennen und sich entsprechend sicher verhalten. Und jede Technik hat ihre Grenzen – auch die Sicherungstechnik. Beides muss dem Höhenarbeiter durch Schulungen bewusst werden und entsprechend richtiges Verhalten und korrektes Benutzen der Anseilschutzausrüstung trainiert werden. „In einem realitätsnahen Umfeld kann erlernt werden, Höhensituationen auch mental zu beherrschen“, so Bornack. Einen beeindrucken Live-Einblick in solche Schulungssituationen bietet die Sonderschau „Sicheres Retten aus Höhen und Tiefen“ auf der A+A 2017. Auf einer großen Aktionsfläche in Halle 6 demonstrieren die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG) messetäglich die Rettung verunglückter Personen aus Extremsituationen – mittels Tauchbecken und überbauter Klettereinrichtung. Der inhaltliche Fokus der beeindruckenden Sonderschau liegt neben der sicheren Arbeit der Helfer auf geeigneter Persönlicher Schutzausrüstung (z. B. Absturzsicherung).

Wer bei der Wahl des Schulungs-Unternehmens und der Trainings bzw. Seminare unsicher ist, kann sich dabei ebenfalls an Standards orientieren. „Um die Seilzugangstechnik in Deutschland als zulässiges Verfahren zu etablieren, haben sich die beteiligten Höhenarbeiter entschlossen, die Sicherheits- und Ausbildungsstandards für die Seilzugangstechnik genau zu definieren“, schreibt der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken e.V. (FISAT) zu seiner Gründung. Ähnlich orientiert ist die Global Wind Organisation, ein Verband von Firmen im Offshore-Markt. Auch er hat Regeln für Ausrüstung und Schulungsinhalte formuliert, die für die gesamte EU gelten. Ein anderer Verband von Industriekletterern, die IRATA (Industrial Rope Access Trade Association), ist ebenfalls als Ausbilder zertifiziert. (siehe Info-Kasten)

Von der Alpin- in die Arbeitswelt

Die Geschichte von Absturzsicherungen in der Arbeitswelt ist noch gar nicht so alt. Mit Gerüsten kommt man nicht an jeden Ort, ein Kran ist oft zu teuer und kann nicht überall aufgestellt werden. Waren Kosten und Nutzen für Neubauprojekte oft noch darstellbar, wurden für Revisionen und Reparaturen vor allem an exponierten Orten immer öfter neue, sichere Zugangsmöglichkeiten nachgefragt. In den Anfängen reichte die Bandbreite von der defekten Kirchturmspitze, Wartung oder Reinigung von skulpturaler Architektur oder Einzelkunstwerken bis hin zu Wartungsarbeiten bei Erdölplattformen in Offshore-Gebieten oder Windkraftanlagen an Land, so beschreibt der Fach- und Interessenverband für Seilunterstütze Arbeitstechniken FISAT die Entstehung der Seilzugangstechnik. Dazu heißt es weiter: „In Deutschland rückte die Seilzugangstechnik ins Bewusstsein der Menschen, als 1995 der Berliner Reichstag verhüllt wurde: Über einhundert Höhenarbeiter haben damals das Konzept des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude Realität werden lassen. Eigentlich war das Arbeiten am Seil in Deutschland damals nicht erlaubt, aber nach langen Verhandlungen hat die Bau-Berufsgenossenschaft für das Kunst-Projekt eine Sondergenehmigung erteilt.“

„Anfänglich gab es sowohl inhaltlich als auch personell viele Überschneidungen mit dem Alpinbergsport“, sagt Oliver Hirschfelder von Edelrid. Techniken wurden übernommen, weiterentwickelt und dabei sicherer gemacht. Sie kamen dann auch bei Tätigkeiten zum Einsatz, bei denen man den Arbeitsplatz nur noch via Seil erreichen konnte.

Neben den typischen Bereichen für Anseilschutz hat sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren ein spezieller Anwenderkreis stark entwickelt: die Höhenarbeiter bzw. Industriekletterer. In einem Gurt am Seil hängend werden einfache Tätigkeiten wie Inspektionen, Reinigung und leichte Montagetätigkeiten zeitlich begrenzt durchgeführt. Das ist besonders geeignet an schwer zugänglichen Stellen von Fassaden oder Maschinen. Diese sehr riskant aussehende Arbeitsweise „am Seil“ ist sehr sicher und weißt laut IRATA und FISAT eine ausgezeichnete Unfallstatistik auf. Neben dem stets mit dem Körpergewicht belasteten Arbeitsseil ist der Höhenarbeiter durch ein unabhängiges zweites Sicherungsseil gesichert.

Spezielle Entwicklungen für unterschiedliche Branchen

Absturzsicherungen bestehen in der Regel aus der individuellen PSA mit Gurten und Seilen und aus einem kollektiven Schutz wie Gerüsten oder Schutznetzen. Oftmals kann kollektiver Schutz nicht aufgebaut werden. Daher ist ein maßgeschneiderter Anseilschutz und professioneller Umgang hiermit unumgänglich. Als Fachfirmen haben sich global agierende Hi-Tech-Unternehmen wie die A+A-Aussteller 3M, MSA und Honeywell auch im Bereich Anseilschutz etabliert. Neben den Sicherheitskonzernen finden sich auf der Weltleitmesse für Persönlichen Schutz, betriebliche Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit viele weitere mittelständische, oftmals familiengeführte Fachunternehmen wie Edelrid, Bornack, Ikar, Mittelmann, MAS und Zarges mit Leitern. Edelrid beispielsweise ist neben Windparks besonders in der Arboristik-Branche vertreten: „Das ist ein stark wachsender Markt, denn es wird verschärft darauf geachtet, dass Bäume sicher sind“, sagt Hirschfelder.

Neue Werkstoffe und modernste Fertigungsverfahren prägen die Anseilschutzbranche heute ebenso wie technische Kreativität und Innovationen. Dabei arbeiten Experten der Fachfirmen eng mit den Anwenderkunden zusammen, um kundenorientierte Lösungen zu finden. Denn Mitarbeiter in der Mobilfunkbranche, die tagtäglich auf Sendemasten klettern, haben andere Anforderungen als Beschäftigte der Solarbranche oder diejenigen in Brauereien. Gerade die Aufgaben der Feuerwehr verändern sich zusehends. Sie wird immer mehr zum „Allerwelthelfer“, weil jeder 112 wählt, wenn Rettungseinsätze oder technische Hilfsleistungen gefragt sind.

Die Funktionstüchtigkeit von PSA-Produkten muss regelmäßig überprüft werden. Verschleiß geschieht nicht nur über die allgemeine Nutzung, sondern auch über die Umwelteinflüsse. Das können Laugen und Säuren sein, Funken oder Sonneneinstrahlung. Sie verändern die Materialeigenschaften und deshalb muss der Ist-Zustand der PSA in regelmäßigen Abständen geprüft und bewertet werden. Durch sachgemäße Lagerung kann die Lebensdauer von PSA auf jeden Fall positiv beeinflusst werden. Kunststoffe beispielsweise sollten in trockenen Räumen bei normaler Temperatur aufbewahrt werden. Man sollte sie vor UV-Strahlen schützen. Die Berufsgenossenschaften geben aufgrund der bisherigen Erfahrungen für Gurtbänder von Auffang- und Rettungsgurten eine Gebrauchsdauer von sechs bis acht Jahren an. Für Gurtbänder und Seile beträgt die Empfehlung vier bis sechs Jahre. Ist es zu einem Unfall gekommen, muss die Ausrüstung komplett ausgewechselt werden.

Risiko Hängetrauma

Die Verordnung EU 2017/425 verlangt, Gefahren nach einem aufgefangenen Absturz weiter zu reduzieren, um u.a. ein Hängetrauma zu vermeiden. Die PSA muss sicherstellen, dass der Nutzer nach dem Sturz in einer Lage halten wird, in der er die Rettung abwarten kann. Denn ein längeres, bewegungsloses Hängen behindert und/oder unterbricht den Rückstrom des Blutes aus den Beinen. Das kann zu einem Hängetrauma führen, einem Kreislauf-Schock mit schwerwiegenden bis tödlichen Folgen. Untersuchungen der Universität Frankfurt haben ergeben, dass die Dauer, die eine Person frei hängend in einem Auffanggurt unbeschadet überstehen kann, im Prinzip nur eine halbe Stunde beträgt. Um den zeitlichen Druck etwas zu entschärfen, werden Auffanggurte mit Venenpolstern angeboten. Diese Distanzpolster an den Beinschlaufen im Bereich der Vene bilden praktisch eine Brücke, durch die das Abklemmen verhindert wird. Alternativ können aber auch aufgerollte Trittschlingen an einem Gurt angebracht werden, in die man sich bei einem Fall einfach stellen kann, um so ein Hängetrauma zu vermeiden.

Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ereigneten sich 2016 in Deutschland 877.071 meldepflichtige Arbeitsunfälle, 425 davon verliefen tödlich. Welchen Anteil Abstürze dabei haben, ist nicht beziffert. Die DGUV betont aber, dass vor allem im Hochbau verstärkt Systeme zur Absturzsicherung von Dachdeckern, Zimmerleuten und Gerüstbauern eingesetzt werden. „Trotz der wachsenden Zahl der Höhenarbeitsplätze, die ja per se risikoreich sind, kommt es nur vereinzelt zu Unfällen“, so die Erfahrung von Bornack. Dafür sorgen auch Branchen wie die Windenergie, die Mobilfunk-Unternehmen und die Arboristik. Die Anbieter von Absturzsicherungen bescheinigen ihnen allesamt eine große Nachhaltigkeit, was die Fallschutz-Sicherheit für die Mitarbeiter angeht. „Zusammen mit dem Arbeitgeber setzten wir alles daran, dass die Höhenarbeiter gesund zu ihren Familien heimkehren“, resümieren die Anbieter unisono.

Aktuelle Informationen zur A+A 2017 und ihren Ausstellern, beispielsweise zu den Anbietern von Absturzsicherungen, sind online abrufbar (siehe Link). 

Gesetzliche Regelung

Für Europa gibt es die Richtlinie 2009/104/EG, die in Deutschland in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) umgesetzt wurde. Diese besagt, dass die Seilzugangstechnik angewendet werden darf, „wenn die Gefährdungsermittlung ergibt, dass die betreffende Arbeit sicher durchgeführt werden kann.”

Die Wartung der PSA darf durch Sachkundige, die gemäß der DGUV 312-906 „Auswahl, Ausbildung und Befähigungsnachweis von Sachkundigen für persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz" ausgebildet und befähigt wurden, durchgeführt werden.

Die BGR 198/199 sieht für PSA gegen Absturz ein einjähriges Wartungsintervall vor.