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02.12.2016 | Gebäudemanagement, Gebäudesanierung

Pilotprojekt an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in Biberach

Im Rahmen eines Sonderprogrammes zur energetischen Sanierung und Modernisierung von Gebäuden und Einrichtungen hat das Land Baden-Württemberg in Kooperation mit der Südwestdeutschen Stromhandelsgesellschaft GmbH (SüdWestStrom) von 2014 bis 2015 an der Hochschule für Polizei in Biberach ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem ein neues Energiekonzept zur Strom- und Wärmeerzeugung zum Einsatz kam: Es wurde ein virtueller Stromspeicher eingerichtet, der zum Ausgleich saisonaler Schwankungen in der Stromerzeugung beiträgt und eine flexible Reaktion auf die Marktverhältnisse erlaubt. Neben der Ausgleichswirkung für das öffentliche Netz reduziert die Anlage den Energieverbrauch für die Wärmebereitstellung im Vergleich zur früheren Lösung mit zwei Gaskesseln um über 40 Prozent. Eine wesentliche Voraussetzung für den effizienten Betrieb dieses Speichers bildet dabei die Mess-, Steuer- und Regeltechnik des mittelständischen Gebäudeautomationsexperten SAUTER. Zudem wurde für die Visualisierung des Heizkraftwerks mit Wärmeerzeugern, Pumpen und Stellgliedern die Gebäudemanagementsoftware SAUTER moduWeb Vision eingesetzt.

Der im Zuge der Energiewende notwendige Umbau des deutschen Energiesystems mit dem langfristigen Ziel einer nachhaltigen Versorgung möglichst ohne CO2-Emissionen erfordert unter anderem eine verstärkte Investition in Forschung und Entwicklung. Das Land Baden-Württemberg realisiert in diesem Zusammenhang in seinen Liegenschaften innovative Energiekonzepte und -modelle, beispielsweise auch an der Polizeihochschule in Biberach: Der „Virtuelle Stromspeicher“ ist ein Pilotprojekt, das im Rahmen eines Sonderprogramms zur energetischen Sanierung und Modernisierung von Gebäuden und Einrichtungen durchgeführt wird, und geht auf eine Initiative von SüdWestStrom zurück. Das rund 2,3 Mio. Euro teure Projekt setzt sich mit der Problematik auseinander, dass dem schwankenden Bedarf der Verbraucher zunehmend eine regenerative Energieversorgung mittels Wind- und Solarstrom gegenüberstehen wird, die naturgemäß nicht planbar ist. Künftig werden sich Zeiten mit regenerativen Stromüberschüssen mit Phasen abwechseln, in denen fast der gesamte Bedarf aus Speichern oder konventionellen Anlagen gedeckt werden muss. Die Entwicklung von Speichertechnologien ist deshalb eine der großen Herausforderungen der heutigen Zeit.

Flexible Nutzung und Orientierung am Strompreis

Für Biberach wurde nun ein neues Energiekonzept entwickelt, das eine stärkere Flexibilisierung des Stromverbrauchs, Stromspeicherung und intelligente Verknüpfung verschiedener Energieverbrauchssektoren miteinander verbindet. Es leistet somit einen wichtigen Beitrag dazu, langfristig eine ausgeglichene Balance zwischen Stromerzeugung und Verbrauch zu erzielen: Grundlage des virtuellen Stromspeichers ist eine Kombination aus zwei Blockheizkraftwerken (BHKW), elektrischen Wärmeerzeugern (Wärmepumpe und Elektrokessel), Solarabsorber und Warmwasserwärmespeichern, die intelligent gesteuert werden. Neben der flexiblen Nutzung des Stroms ist auch ein innovatives Stromeinkaufsmanagement Bestandteil des Projekts: In Zeiten mit teurer Energie werden die eigenen BHKWs über Gas betrieben und der erzeugte Strom direkt in der Liegenschaft genutzt. Überschüsse lassen sich ins Netz einspeisen. Sobald im Markt günstiger Strom verfügbar ist, kann damit über eine Wärmepumpe und/oder einen Elektrokessel Wärme erzeugt werden. So wird Erdgas gespart und im öffentlichen Erdgasnetz bis zum Einsatz der BHKWs zur Stromerzeugung „zwischengespeichert“. Durch die intelligente Steuerung der Anlage kann flexibel auf die jeweiligen Marktverhältnisse reagiert werden.

Effiziente Mess-, Steuer- und Regelungstechnik

Eine entscheidende Grundlage für den effizienten Einsatz beziehungsweise Betrieb der Systeme bildet die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik von SAUTER, die in der gesamten Anlage installiert wurde. Für eine webbasierte Visualisierung des Heizkraftwerks mit Wärmeerzeugern, Pumpen und Stellgliedern sorgt außerdem die Gebäudemanagementsoftware SAUTER moduWeb Vision. „Die Wärmeerzeuger sind dabei über Modbus RTU-Schnittstellen eingebunden“, erklärt Thomas Schleher, Leiter Planung und Vertrieb Systems bei der SAUTER-Niederlassung Stuttgart. Die Steuerung des virtuellen Stromspeichers erfolgt durch SüdWestStrom in Kooperation mit Vermögen und Bau sowie dem Nutzer vor Ort.

Die Einsatzzeiten der einzelnen Aggregate und die Bewirtschaftung des Wärmespeichers werden dabei durch eine übergeordnete Regelungsstrategie festgelegt. Grundlagen der täglich neu zu erstellenden Fahrpläne sind unter anderem die Witterungsdaten und das spezifische Nutzerverhalten. Diese Informationen werden mit Hilfe der SAUTER-Technik erfasst und in der Gebäudemanagementsoftware dargestellt. Zudem fließen die prognostizierten Stundenpreise an der Strombörse mit ein: Dieses Vorgehen führt zu günstigen wirtschaftlichen Ergebnissen und sorgt gleichzeitig für einen optimalen Ausgleich im öffentlichen Stromnetz, da die Stundenpreise an der Börse die Nachfrage- und Erzeugungssituation sehr gut widerspiegeln.

Schnittstelle für Optimierungsfunktionen

Für die Optimierung über das preisorientierte Lastmanagement implementierte SAUTER eigens eine Schnittstelle zur Steuerung des virtuellen Kraftwerks von SüdWestStrom (Mod-Bus Master-Slave auf AS-Ebene). „Werden die Optimierungsfunktionen freigegeben, fordert diese Steuerung die einzelnen Wärmeerzeuger mittels Lastprognosen an“, erklärt Schleher. Unabhängig von diesen Anforderungen wird die Versorgungssicherheit der Polizeihochschule durch die BHKW-Automationsstation SAUTER modu525 gewährleistet. Reicht die durch Vorgaben des virtuellen Kraftwerks erzeugte Wärme nicht aus, werden zusätzliche Erzeugereinheiten zugeschaltet.

Ist die Optimierungsfunktion deaktiviert, tritt für die Liegenschaft eine Nullbezugsregelung in Kraft. Das heißt, es wird nur so viel Strom mit den BHKW produziert, wie die gesamte Liegenschaft verbraucht. „Steigt der Strombezug der Anlage über einen einstellbaren Grenzwert EIN (in kW), so wird das BHKW angefordert und regelt den Strombezug der Anlage auf null aus“, so Schleher. „Ist der Strombezug geringer als die Grundlast des BHKW, wird es abgeschaltet.“ Wenn der Strombezug der Anlage einen einstellbaren Grenzwert AUS (in kW) unterschreitet, wird es ebenfalls abgeschaltet. Reicht die Abwärme der BHKWs nicht für die Wärmeversorgung aller Gebäude aus, wird der Gaskessel zugeschaltet.

Deutliche Reduktion des Wärmeverbrauchs

Mit diesem Konzept konnte nicht nur eine Ausgleichswirkung für das öffentliche Stromnetz erzielt werden, auch der Energieverbrauch für die Wärmebereitstellung der Liegenschaft ließ sich im Vergleich zur früheren, konventionellen Wärmeerzeugung durch zwei Gas-Heizkessel um über 40 Prozent reduzieren. In den nächsten Jahren wird das Pilotprojekt an der Polizeihochschule und dieses spezielle Versorgungsprinzip von der Fachhochschule Biberach weiter wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Zu diesem Zweck wurde eine eigene Modbus-Schnittstelle im System angelegt, über die die Wissenschaftler alle relevanten Daten auslesen können.

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg ist neben der Abteilung Vermögen und Hochbau des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg und dem Landesbetrieb Bundesbau, der bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe angesiedelt ist, Teil der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg. Errichtet wurde der Betrieb zum 1. Januar 2005. Als rechtlich unselbstständiger, aber organisatorisch abgetrennter Teil der unmittelbaren Landesverwaltung mit unternehmerischer Ausrichtung gehört er zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg. Vermögen und Bau Baden-Württemberg ist Kompetenzzentrum und Serviceeinrichtung für alle Leistungen rund um die Immobilien des Landes und damit für die Wahrnehmung der Eigentümer- und Bauherrenfunktion für alle dem Geschäftsbereich des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg zugeordneten Landesimmobilien sowie für die Unterbringung von Behörden und sonstigen Einrichtungen des Landes verantwortlich. Dies umfasst insbesondere die Bereiche Immobilien-, Bau- und Gebäudemanagement, Staatliche Schlösser und Gärten (SSG) sowie Kunst am Bau.