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08.08.2016 | Software

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Wiesbaden setzt in der Schulsozialarbeit auf effiziente Softwarelösung

Wenn Kinder und Jugendliche auf ihrer Schullaufbahn ins Straucheln geraten, kommen sozialpädagogische Fachkräfte zum Einsatz: Als Schulsozialarbeiter bzw. Schulsozialarbeiterinnen begleiten sie Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf, helfen ihnen beim Übergang von der Schule in den Beruf und bauen soziale, kulturelle oder persönliche Benachteiligungen ab. Vorreiter auf dem Feld der Schulsozialarbeit ist die Landeshauptstadt Wiesbaden: Um alle Fördermaßnahmen besser koordinieren zu können und den eingesetzten Fachkräften die Arbeit zu erleichtern, entschied sie sich für den Einsatz einer Branchensoftware. Vor der eigentlichen Entwicklung stand allerdings die herausfordernde Suche nach einem Dienstleister, der auch mit den branchenspezifischen Besonderheiten umzugehen wusste.

Bereits seit Ende der 70er Jahre ist die Schulsozialarbeit in der Landeshauptstadt Wiesbaden ein Teil des städtischen Jugendhilfeangebots. Als eigenständige Fachabteilung ist sie im Amt für Soziale Arbeit verortet. Die gesetzliche Grundlage der Schulsozialarbeit bildet das Kinder- und Jugendhilfegesetz (Sozialgesetzbuch VIII) und insbesondere § 13 zur Jugendsozialarbeit. Um die hierin definierte Zielgruppe der benachteiligten Jugendlichen mit bedarfsgerechter Schulsozialarbeit zu fördern, wurden in Wiesbaden schon früh Konzepte entwickelt, die sich bis heute bewährt haben. Aufgrund der gewachsenen Strukturen ist die Schulsozialarbeit in Wiesbaden äußerst flächendeckend aufgestellt: Insgesamt profitieren inzwischen rund 5.000 Jugendliche an 16 Schulen von den Maßnahmen. Sie kommen sowohl an den Förderschulen für Lernhilfe als auch an den Hauptschulen sowie an fünf von sechs Integrierten Gesamtschulen der Landeshauptstadt zum Tragen. In allen drei Schultypen erreicht die Schulsozialarbeit inzwischen nahezu 100 Prozent aller prognostizierten Absolventinnen und Absolventen.

Darüber hinaus begleitet sie seit einigen Jahren auch jene Schülerinnen und Schüler, die in die Berufsvorbereitung an berufliche Schulen übergehen. Das hatte die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung im Dezember 2010 beschlossen: In Anlehnung an ein Förderprogramm des Bundes sollte eine Koordinierungsstelle im Übergang Schule – Beruf geschaffen und damit der erste Schritt zur Ausweitung der Schulsozialarbeit an die beruflichen Schulen der Landeshauptstadt vollzogen werden. Hierfür war ein effizientes Übergangsmanagement gefragt: Relevante Informationen von den bisherigen Einrichtungen mit Schulsozialarbeit sollten zusammen mit den Erfahrungen aus dem „Kompetenz-Entwicklungs-Programm im Übergang Schule-Beruf“ (KEP) in einer Software erfasst werden, um als Grundlage für die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern der Anschlussmaßnahmen dienen zu können. Hinzu kam der Wunsch aus den Reihen der eingesetzten Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, ihre Arbeit auch mit einer dienstleistungsgeprägten Softwarelösung zu unterstützen. „Es gab zwar bereits eine Access-Datenbank, sie wurde aber nur für einen einzigen Prozess genutzt. Dass sich die vielfältigen Arbeitsabläufe in der Schulsozialarbeit mit einer Branchenlösung als effizientem Arbeitsinstrument sinnvoll unterstützen lassen könnten, wurde mit der Zeit an unterschiedlichen Stellen immer wieder deutlich“, erläutert Dan Pascal Goldmann, Abteilungsleiter Schulsozialarbeit der Landeshauptstadt Wiesbaden, die Entscheidung, sich auf die Suche nach einer passenden Softwarelösung zu machen.

Viele Lösungsanbieter, wenig soziale Branchenkenntnis

Die gesuchte Software sollte neben der Erfassung der Stammdaten der eingesetzten Fachkräfte sowie der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler verschiedene Prozesse abbilden können: (1) die Dokumentation und Verwaltung von Klassenbetreuungen und Gruppenangeboten, (2) die Ergebnisse der Kompetenzfeststellung der einzelnen Schülerinnen und Schüler, (3) die Ergebnisse des anzustrebenden Übergangzieles eines jeden Schülers und der entsprechenden Strategie, die im Eltern-Schüler-Gespräch vereinbart wird, (4) die Dokumentation zusätzlicher Qualifizierungsmaßnahmen in der Berufsorientierung mit einer Einschätzung der Ergebnisse, (5) Abgangs- und Übergangsstatistiken der Schulsozialarbeit sowie (6) bei Bedarf auch die fortlaufende Falldokumentation in der Einzelfallarbeit. Letzteres sollte vermeiden, dass sensible Daten aus Aktenordnern entwendet werden können, was gerade in der Ferienzeit im Zuge von Schuleinbrüchen immer häufiger vorkommt. Mit einer Fachsoftware werden solche leicht entwendbaren Ordner dagegen hinfällig.

Wie aber ließ sich die richtige Software finden, die all diese Module auch tatsächlich bietet? „Wir sind mit der – im Nachhinein etwas naiven – Vorstellung gestartet, dass ein Produkt wie eine Branchensoftware für die Schulsozialarbeit binnen sechs Monaten gefunden, gekauft und installiert werden könnte. Erst bei der Einführung der Software und insbesondere der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten wir größere Herausforderungen erwartet. Die Realität hat uns gelehrt, dass die Frage nach dem richtigen Produkt die eigentliche Herausforderung ist“, gesteht Dan Pascal Goldmann. Denn Anbieter von Software gibt es viele – auf einen sozialen Bereich spezialisiert sind dagegen die wenigsten. „Um die passende Lösung zu finden, war die wesentliche Frage für uns schließlich: Welches Produkt kann das, was wir brauchen – und nicht: Was müssen wir alles verändern, damit wir ein Produkt für unsere Zwecke nutzen können?“ Um eine praxistaugliche Lösung zu finden, schaute sich die Stadt Wiesbaden schließlich bei ihren Kooperationspartnern um, welche Programme dort im Einsatz waren. Die Alternative wäre gewesen, selbst eine Software zu programmieren, die alle Anforderungen abdeckt – der Weg über eine einen externen Anbieter bietet allerdings größere Sicherheiten und Entwicklungsmöglichkeiten und ist mittel- und langfristig gesehen günstiger, zukunftssicher und professioneller.

Mit Unterstützung zum detaillierten Pflichtenheft

Von einer städtischen Jugendhilfe-Einrichtung kam schließlich der entscheidende Tipp: Die Hamburger Softwareentwicklung LAP Consult GmbH konzentriert sich mit ihren Lösungen speziell auf die Soziale Arbeit, weil auch ihre Geschäftsführer ursprünglich aus diesem Bereich stammen. Man sprach also quasi die gleiche Sprache: „Alle anderen Firmen wollten zunächst ein Pflichtenheft sehen, um zu entscheiden, ob sie uns ein passendes Produkt entwickeln können – aber niemand konnte uns sagen, wie so ein Pflichtenheft überhaupt aussehen soll. Eine andere Firma wiederum hätte uns zwar zu einem Pflichtenheft verholfen, hatte aber wiederum keine Datenbank für uns. LAP Consult war die einzige Firma, die uns aufzeigen konnte, wie wir gemeinsam zu einer Lösung kommen“, erinnert sich Dan Pascal Goldmann. Der IT-Dienstleister stellte den Verantwortlichen der Stadt zunächst ein Grundgerüst vor, anhand dessen gemeinsam ein Pflichtenheft erarbeitet wurde, was im Ergebnis zugleich schon die Struktur der Software für die Schulsozialarbeit darstellte. Nach der ersten Kontaktaufnahme im Juli 2011 fiel folglich schnell die Entscheidung zur Zusammenarbeit mit dem Hamburger Dienstleister.

Chronologie der Software-Entwicklung und Einführung

In einer ersten Projektphase wurden zunächst die Inhalte der Schulsozialarbeit in das Programm überführt. Weil es in dieser Phase wichtig war, so genau wie möglich zu arbeiten, wurde ihr entsprechend viel Zeit eingeräumt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten erst mit der Software im Echtbetrieb arbeiten, nachdem die Inhalte der Lösung im Detail definiert wurden. Eine erste Testversion von LAP Change 5 wurde schließlich im Herbst 2013 an fünf Einrichtungen der Schulsozialarbeit mit Hilfe von ausgewählten Mitarbeitern erprobt. Nach der Auswertung wurde die Softwarelösung auf MySQL portiert – dies war die Voraussetzung für den Betrieb an den städtischen Rechnern. Auch die neue Software-Version wurde wiederum an den ausgewählten Schulen und der Koordinierungsstelle im Übergang Schule-Beruf getestet. Bereits im Frühjahr 2014 konnte sie dann auf allen städtischen Rechnern der Schulsozialarbeit eingerichtet werden. Zu Verzögerungen kam es allerdings bei der Schulung der Schulsozialarbeiter, so dass die tatsächliche Einführungsphase erst im Schuljahr 2014/15 erfolgte. Im Echtbetrieb ist die Software seit dem darauffolgenden Schuljahr 2015/16.

Brückenschlag zwischen Informatik und Schulsozialarbeit

An der Implementierung der Branchenlösung waren außer dem Vertragspartner LAP Consult noch weitere Dienstleister beteiligt – nämlich diejenigen, die die Hardware zur Verfügung stellen und diejenigen, die letztlich die Datensicherheit gewährleisten. „Natürlich ruckelt es manchmal, wenn IT-Fachkräfte auf Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter treffen – schließlich bringen beide Berufsgruppen ganz unterschiedliche Perspektiven in das Projekt ein. Im Vergleich zu anderen Software-Projekten klappte die Zusammenarbeit aber erstaunlich gut“, betont Abteilungsleiter Goldmann. Ein ausgereiftes Schulungskonzept bereitet alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Arbeiten mit der Lösung vor – von der Basisschulung über Anlassschulungen bei neuen Funktionen wie dem Erstellen von Serienbriefen oder Abgangs- bzw. Übergangsstatistiken bis hin zu individuellen Auffrischungsschulungen nach Bedarf für einen besseren Praxisbezug.

Inzwischen kommt die Softwarelösung auf drei Ebenen zum Einsatz: auf der Praxisebene, auf der Verwaltungsebene und schließlich auf der Leitungsebene. Ein differenziertes Rollenkonzept sorgt dafür, dass jeder nur die Daten einsehen kann, für die er auch befugt ist. Auf der Praxisebene haben die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter mittels der Software Zugriff auf relevante Informationen zu ihren Schülerinnen und Schülern sowie zu den Betreuungsorten der eigenen Schule und auf vereinbarte Nebenbetreuungsorte, zum Beispiel im Falle von schulübergreifenden Maßnahmen. Sie nutzen das Tool zur Einzelfalldokumentation, aber auch für die Arbeit mit Klassen und Gruppen. Nicht zuletzt dokumentiert die Software auch den Berufsorientierungspfad der Schülerinnen und Schüler. Auf der Verwaltungsebene haben die Koordinatorinnen und Koordinatoren zum Planen von schulübergreifenden Angeboten Zugriff auf sämtliche Stammdaten, können jedoch nicht die Falldokumentationen der einzelnen Schüler einsehen. Die Leitungsebene hat schließlich das Recht zum Lesen und Auswerten von Daten, zum Beispiel zum Erstellen einer Abgangs- und Übergangsstatistik.

Verlässliche Stütze für den Arbeitsalltag

Nach dem zweiten Schuljahr mit der Softwarelösung lässt sich auch ein erstes Resümee ziehen: „Von einem ganz und gar reibungslosen Ablauf können wir zwar noch nicht sprechen, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Nach und nach werden die letzten „Kinderkrankheiten“ der Software geheilt und langsam, aber stetig entwickeln auch die hiesigen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter die richtige Haltung zum Umgang mit einer Datenbank“, resümiert Dan Pascal Goldmann. Dadurch, dass im ersten Jahr noch nicht alle Anwendungen der Software zum Einsatz kamen, im zweiten Schuljahr aber deutlich mehr Standards vorgegeben und somit mehr Funktionen angewendet wurden, treten manche kleinen Fehler erst jetzt zutage und werden in einer Art „Feintuning“ derzeit durch den Dienstleister behoben. In zwei weiteren Schuljahren aber soll die Lösung ganz und gar rund laufen und aus dem Arbeitsalltag ebenso wenig wegzudenken sein wie ein Telefon.

Die Nachfrage nach datenbasierten Lösungen nimmt auch in anderen Bereichen der Sozialen Arbeit spürbar zu. Dan Pascal Goldmann ist sich daher sicher, dass die Landeshauptstadt mit der Einführung der Fachsoftware den richtigen Weg beschritten hat: „Das Konzept von LAP Consult auf die Bedürfnisse der Schulsozialarbeit abzustimmen und sich dabei in der Entwicklung ausreichend Zeit zu lassen, hat sich als absolut sinnvoll erwiesen. Klar ist: Wir waren in der Schulsozialarbeit ein Pilotprojekt. Von unseren Erfahrungen in der Entwicklungsphase können sicher auch andere Schulsozialeinrichtungen in Deutschland profitieren und auf eine praxisbewährte Lösung setzen.“