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16.12.2015 | Moderner Staat

Die meisten Bundesländer sparen noch zu stark zu Lasten ihrer Infrastruktur

PwC-Länderfinanzbenchmarking 2015: Länder weiter auf Konsolidierungskurs / Bremen und Saarland können Schuldenbremse nur mit erneuten Finanzhilfen einhalten / Noch höhere Investitionen in Infrastruktur nötig / Finanzielle Spielräume für Versorgung der Flüchtlinge vorhanden

Die Länder und Kommunen in Deutschland sind auf einem guten Weg, die ab 2020 geltende Schuldenbremse einzuhalten: Im Jahr 2014 konnten neun der 16 Bundesländer in der gemeinsamen Betrachtung mit ihren Kommunen Haushaltsüberschüsse erzielen. Die öffentlichen Haushalte profitieren von der Einnahmesituation, die sich im vergangenen Jahr erneut spürbar verbessert hat, wie auch von den weiter anhaltenden Niedrigzinsen, die ihnen eine günstige Kapitalaufnahme auf den Finanzmärkten ermöglichen. In vielen Bundesländern sind jedoch die Ausgaben in gleichem Maße gestiegen: So stieg der Finanzierungssaldo, also die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben, im Jahr 2014 nur marginal gegenüber dem Vorjahr. Somit bleibt auch die Anzahl der Bundesländer die bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen ihre Ausgaben real senken müssen, um die Kriterien der Schuldenbremse im Jahr 2020 zu erfüllen, mit sechs vergleichsweise hoch. Bis auf das hoch verschuldete Bremen und das Saarland können es bis 2020 jedoch alle Länder aus eigener Kraft schaffen, strukturell ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Zu diesen Ergebnissen kommt das „Länderfinanzbenchmarking 2015“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, das die aktuelle Finanzsituation der Bundesländer und ihrer Kommunen zum vierten Mal in Folge analysiert. Im Hinblick auf die sich entwickelnde Flüchtlingskrise sind somit in den meisten Ländern die finanziellen Voraussetzungen ausreichend bis gut, um diese zu meistern.

Sachinvestitionen steigen wieder

Der Finanzierungssaldo von Ländern und Kommunen liegt 2014 mit einem Plus von zehn Euro lediglich fünf Euro über dem Vorjahreswert. Zum Vergleich: 2012 lag dieser Wert noch bei einem Minus von 61 Euro pro Einwohner. „Anders als in den Vorjahren wirkt sich die anhaltend gute Finanzsituation nicht nennenswert auf die Finanzierungssalden aus. Das liegt einfach daran, dass Länder und Kommunen wieder mehr ausgeben“, sagt Alfred Höhn, Partner bei PwC und Leiter des Bereichs öffentlicher Sektor. Allerdings stellt das nicht unbedingt einen Rückschritt dar, wie Höhn erläutert: „Unter diese Ausgaben fallen auch dringend nötige Investitionen in die Infrastruktur.“ Bei der Sachinvestitionsquote weisen nämlich nur vier Länder ein Niveau auf, das als Substanz erhaltend angesehen werden kann: Sachsen, Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg. Demgegenüber müssen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und vor allem Berlin ihre zum Teil extrem niedrige Sachinvestitionsquote in Zukunft weiter deutlich erhöhen.

Nachhaltigkeitsindex

Die Schuldenbremse 2020 einzuhalten dürfte laut den Ergebnissen des Nachhaltigkeitsindexes für die beiden Erstplatzierten Bayern und Baden-Württemberg ebenso unproblematisch sein wie für Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die Platz drei bis fünf belegen. Auch Sachsen, das nach dem fünften Platz im Vorjahr auf Platz zwölf abgerutscht ist, kann nach Einschätzung Höhns die Schuldenbremse ohne größere Anstrengungen meistern: „Verantwortlich für das schlechte Abschneiden Sachsens im Index sind die deutlich gestiegenen Sachinvestitionsausgaben. Insofern sollte die Platzierung nicht überbewertet werden. Die Kombination aus geringen Schulden und geringen künftigen Versorgungsausgaben lassen Sachsens Finanzpolitik nach wie vor vorbildlich erscheinen.“ Demgegenüber müssen die übrigen ostdeutschen Bundesländer weiterhin den Gürtel enger schnallen und sparen. Sie alle haben unter den Folgen eines Bevölkerungsrückgangs zu leiden.

PwC-Nachhaltigkeitsindex 2015

Index-Ranking 2015 (2014/2013/2012)BundeslandIndex-Wert 2015Index-Wert 2014Index-Wert 2013Index-Wert 2012
1 (1/1/2)Bayern106,3%111,8%115,1%112,9%
2 (2/2/1)Baden-Württemberg101,8%102,7%105,4%113,5%
3 (3/6/5)Hamburg101,5%100,7%96,1%100,2%
4 (4/3/6)Niedersachsen101,3%99,1%102,5%100,0%
5 (6/4/4)Schleswig-Holstein100,0%97,2%99,3%100,2%
6 (7/11/9) Rheinland-Pfalz98,1%96,7%88,8%87,3%
7 (9/7/8)Berlin97,9%95,8%95,1%91,2%
8 (8/8/7)Nordrhein-Westfalen97,2%96,6%95,0%93,6%
9 (10/10/11)Brandenburg95,3%93,7%90,9%84,1%
10 (11 /12/13)Mecklenburg-Vorpommern94,3%91,2%88,4%83,3%
11 (12/14/10)Hessen94,2%90,2%86,0%86,1%
12 (5/5/3)Sachsen94,1%97,4%96,8%101,4%
13 (13/9/12)Thüringen92,9%89,1%91,2%83,6%
14 (14/13/14)Sachsen-Anhalt89,1%86,7%86,3%81,7%
15 (15/15/16)Bremen87,3%79,8%78,4%68,6%
16 (16/16/15)Saarland81,6%73,8%74,2%70,0%

Unterschiede zwischen den Ländern verringern sich

Insgesamt fällt das Fazit des aktuellen Länderfinanzbenchmarking positiv aus: „Die Finanzsituation der Länder und ihrer Kommunen hat sich zwischen 2012 und 2015 erheblich verbessert. Auch die Spanne zwischen den Ländern hat sich deutlich verringert. Diese zunehmende Konvergenz der Länderfinanzen ist ein großer finanzpolitischer Erfolg“, sagt Norbert Winkeljohann, Sprecher des Vorstands von PwC Deutschland.

Das Saarland bleibt das Land mit den höchsten Sparbedarfen, gefolgt von Sachsen-Anhalt und Bremen. Ähnlich wie Sachsen-Anhalt müssen auch alle weiteren ostdeutschen Flächenländer Sparanstrengungen unternehmen, wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Die Rolle der ostdeutschen Flächenländer ist aber insofern besonders, als dass sie immer noch ein deutlich höheres Ausgabenniveau als die westdeutschen Länder aufweisen und entsprechend hohe Einsparpotenziale besitzen. Zudem zeichnet sich ab, dass die geplante Neuregelung des Länderfinanzausgleichs insbesondere den neuen Ländern zugutekommt, die bis 2020 auf die bisherigen Mittel des Solidarpakts II verzichten müssen.

Entwickelt sich die Wirtschaft nicht so positiv wie nach der jüngsten Steuerschätzung, müssen noch mehr Länder real sparen. Sinken die Steuereinnahmen um einen Prozentpunkt (bei gleichzeitig sinkendem Zinsniveau und geringerem Anstieg des Preisniveaus ‑ wie in wirtschaftlichen Schwächephasen üblich), müssen auch Hessen und Brandenburg real Ausgaben kürzen.

Prekäre Lage der Kommunen in verschiedenen westdeutschen Ländern

In einigen westdeutschen Flächenländern ist zu beobachten, dass sich trotz Verbesserung auf der Landesebene die finanzielle Situation der Kommunen prekär darstellt. Besonders negativ ist die Situation der Kommunen im Saarland, wo das Finanzierungsdefizit der Kommunen bei 259 Euro je Einwohner liegt und damit ein konstant außergewöhnlich hohes Niveau hält. Aber auch die Kommunen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen weisen mit Werten zwischen 97 und 72 Euro je Einwohner noch beachtliche Defizite aus. „Diese zum Teil verfestigten kommunalen Defizite sprechen dafür, auch die Finanzen der Kommunalebene in die Regelung der Schuldenbremse einzubeziehen. Schließlich müssen die Länder über kurz oder lang für ihre überschuldeten Kommunen finanziell geradestehen“, betont Alfred Höhn. „Immerhin kommt die derzeit vorgeschlagene Neuregelung zum Länderfinanzausgleich Ländern mit finanzschwachen Kommunen besonders zugute. Diese sind daher aufgefordert, die entsprechenden Finanzmittel auch an ihre Kommunen weiterzureichen.“