Public Manager
14.05.2014 | Messen, Personalwesen

Durch dick und dünn: Magersüchtige am Arbeitsplatz nicht fallen lassen

"Das einzige Futter, das Magersüchtige noch zu sich nehmen, ist Gehirnfutter", weiß Christian Frommert aus leidvoller Erfahrung. Ohne seine Arbeit wäre der heutige Kommunikationsdirektor des Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim wohl nicht mehr am Leben. Seine Empfehlung für Arbeitgeber mit erkrankten Mitarbeitern lautet deshalb: Betroffene nicht fallen lassen.

Im Umgang mit ihnen benötigten Führungskräfte und Kollegen allerdings Hilfe von Experten. Über Auslöser und Auswirkungen der Magersucht am Arbeitsplatz spricht Christian Frommert am Mittwoch, 21. Mai, mit Burnout-Helpcenter-Geschäftsleiter Jürgen Loga auf der Corporate Health Convention in der Messe Stuttgart.

In seinem 2013 erschienenen Buch "Dann iss halt was!" beschreibt Christian Frommert schonungslos seinen Weg in die Magersucht und zurück ins Leben. Mit seinen öffentlichen Auftritten engagiert er sich für mehr Aufklärung und weniger Schubladendenken in Zusammenhang mit der schwerwiegenden Erkrankung, die häufig als "Klein-Mädchen-Spleen" verkannt werde: Während das Erschöpfungssyndrom Burnout fast schon als Auszeichnung für einen hohen Arbeitseinsatz gelte, träfe Magersucht weiterhin auf Unverständnis und Unmut.

"Ich würde mir wünschen, dass Süchten und anderen psychosomatischen Erkrankungen ähnlich viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wird wie dem Burnout", so Frommert.

Essen kann doch jeder - wo ist das Problem?
Das Schwierige bei der Magersucht sei, dass die Lösung des Problems "total einfach" erscheine - schließlich gebe es hierzulande keinen Mangel an Nahrungsmitteln. "Eine Sucht ist definiert als etwas im Übermaß. Niemand kann verstehen, dass jemand süchtig danach ist, zu wenig von etwas haben zu wollen", erklärt Frommert. Um anderen eine Vorstellung davon zu geben, was bei einer magersüchtigen Person hinter verschlossener Tür passiere, hat er seine Erfahrungen mit der komplett besitzergreifenden Lebenspartnerin "Anna" - so benannt nach dem Fachbegriff Anorexie - aufgeschrieben. "Ich habe versucht, der Magersucht ein Gesicht und einen Namen zu geben."

Krankmacher Leistungsdruck, Lebensexilier Wertschätzung
Bei der Frage nach den Ursachen sieht Christian Frommert deutliche Wechselwirkungen mit dem enormen gesellschaftlichen Leistungsdruck. "Der eine bekommt einen Burnout, der andere hört auf zu essen, der nächste greift zur Flasche. Die Mechanismen unterscheiden sich, aber die Auslöser sind aus meiner Sicht die gleichen", sieht der Buchautor hier deutliche Parallelen zu anderen Suchterkrankungen.
Unter dem großen Druck und vor allem dem permanenten Leistungsvergleich in der Schule erkrankten bereits viele Kinder und Jugendliche an Magersucht. Ständiges Benchmarking vergifte auch das Klima am Arbeitsplatz, sorge für Mobbing und Geringschätzung. Frommert kennt aber auch ein wirksames Gegenmittel. "Ich bin letztendlich aus der Magersucht herausgekommen, weil ich mittlerweile wieder eine Arbeit habe, in der ich eine unglaubliche Wertschätzung erfahre."

Mehr dazu, was Arbeitgeber und Kollegen über die Krankheit Magersucht und den Umgang mit den höchst reizbaren, sehr schwer erreichbaren Betroffenen wissen sollten, erfahren die Besucher der Corporate Health Convention am Mittwoch, 21. Mai, im Praxisforum 1.

Vortragstermin
Nicht so "sexy" wie Burnout: Mutige Auseinandersetzung mit einer Tabu-Erkrankung
Christian Frommert, Kommunikations- und Mediendirektor des Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim, im Gespräch mit Jürgen Loga, Geschäftsleiter des Burnout-Helpcenter der Sali Med GmbH, Mittwoch, 21. Mai 2014, 15.25 bis 16.10 Uhr, Messe Stuttgart, Halle 7, Praxisforum 1