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12.06.2014 | Gebäudemanagement, Stadtplanung

Fertigstellung und Monitoring des ersten Bad Homburger Effizienzhaus Plus

Ausgewähltes Modellvorhaben der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) / Einweihung unter Teilnahme von Bauherr Steffen Klawitter, Ministerialrat Hans-Dieter Hegner und Oberbürgermeister Michael Korwisi / Details zu Entwurf und Planung durch bb22 architekten + stadtplaner sowie zum Langzeitmonitoring durch die ina Planungsgesellschaft mbH

Nach 12 Monaten Bauzeit ist das erste Bad Homburger Effizienzhaus Plus des Bauherrn Steffen Klawitter fertig gestellt und unter Teilnahme von Ministerialrat Hans-Dieter Hegner, BMUB, sowie Oberbürgermeister Michael Korwisi eingeweiht worden. Damit beginnt zugleich das Langzeitmonitoring im Rahmen des Modellvorhabens der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“, bei dem über zwei Jahre Energieverbrauch und -erzeugung sowie die Behaglichkeit des Innenraums von rund 30 ausgewählten Gebäuden bundesweit erkundet wird.

„Ziel ist die Kontrolle, Optimierung und Weiterentwicklung des Standards „Effizienzhaus Plus“, erläutert Nathalie Jenner von der ina Planungsgesellschaft mbH, ein Spin-off der TU-Darmstadt, die das entsprechende Monitoring übernimmt.
Planung und Realisierung des Gebäudes erfolgten durch das Frankfurter Architekturbüro bb22 architekten + stadtplaner unter Federführung des Architekten Martin Wilhelm. 

Förderung eines zukunftsweisenden Ansatzes
Im Gegensatz zum mittlerweile etablierten Passivhaus produziert das Effizienzhaus Plus mehr Energie als es verbraucht. Dies geschieht vor allem über eine Photovoltaik-Anlage, die in diesem Fall über Hochleistungsmodule mit einem Wirkungsgrad von 21% jährlich rund 9.000 kWh Strom produziert. Der Strom soll dabei primär für den Eigenverbrauch verwendet werden. Fällt jedoch überschüssiger Strom an, wird dieser in das öffentliche Stromnetz eingespeist und entsprechend vergütet. Im Mai wurden über 500 kWh mehr Strom produziert als verbraucht wurden.

Ministerialrat Hans-Dieter Hegner, Leiter des Referats Bauingenieurwesen, Nachhaltiges Bauen und Bauforschung im BMUB, sagte anlässlich der Fertigstellung: „Das Effizienzhaus Plus ist ein ambitionierter und erfolgversprechender Ansatz. Umso mehr freuen wir uns, wenn sich die Stadt, engagierte Bauherren und spezialisierte Projektpartner dazu entscheiden, in einer so frühen Phase an der Weiterentwicklung des Konzeptes mitzuwirken. Durch die Teilnahme an unserer Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ ist sichergestellt, dass die Ergebnisse am Ende auch der Öffentlichkeit zugute kommen.“

Oberbürgermeister Michael Korwisi sieht in der Förderung des Projektes durch die Stadt Bad Homburg ein wichtiges Zeichen für Nachahmer: „Die Stadt fördert hier erstmalig ein Effizienzhaus Plus und das aus gutem Grund. Wir sehen in nachhaltigen Bauvorhaben die Zukunft, denn Immobilien zählen zu den großen Energieverbrauchern.“

Das Einfamilienhaus wurde von bb22 architekten + stadtplaner gemeinsam mit dem Büro für Ingenieurwesen STU aus Wiesbaden und dem Bauherren Steffen Klawitter geplant, der das Haus mit seiner Familie bewohnt. Der Bauherr beschäftigt sich auch beruflich mit dem Thema nachhaltige Investments und hat aus persönlicher Überzeugung an der innovativen Realisierung des Projektes festgehalten: „Mir liegt das Thema am Herzen und ich möchte an dieser Stelle mit gutem Beispiel vorangehen.“ 

Nachhaltiges Bauen für Jedermann
Es handelt sich bei diesem Projekt bereits um das dritte von bb22 architekten + stadtplaner geplante Effizienzhaus Plus. Eine Besonderheit besteht in der kosteneffizienten Umsetzung des Hauses, die im Rahmen üblicher Baukosten für Einfamilienhäuser nach KfW55-Standard liegt. Ein KfW55-Effizienzhaus verbraucht lediglich 55 Prozent der Energie, die ein Neubau nach Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV) maximal verbrauchen darf und kann eine entsprechende Förderung der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) erhalten. Eine weitere Senkung der Effizienz ist nicht erforderlich, da der Energiebedarf vollständig regenerativ über Strom aus Photovoltaik gedeckt werden kann und noch ein Überschuss generiert wird.

Martin Wilhelm von bb22 architekten + stadtplaner sieht hierin den größten Vorteil beim Effizienzhaus Plus gegenüber dem Passivhaus: „Das Haus in Bad Homburg ist eben kein überteuertes Modellprojekt, sondern fußt auf einem umsetzbaren Kostenkonzept, das zwar wo immer möglich energieeffiziente Bauweise umsetzt, aber die teilweise sehr hohen Dämmungsanforderungen des Passivhauses vermeidet. Schließlich geht es vor allem darum, diese Baumethode in der Breite realisierbar zu machen.“

Gesamtbetrachtung macht Vorteile sichtbar
Obwohl das Haus daher strenggenommen nicht die Kriterien eines Passivhauses erfüllt, ist seine Gesamtenergiebilanz im Vergleich deutlich besser. Aufgrund der Gegebenheiten des Baugrundstückes, wie etwa geringer Sonneneinstrahlung durch Baumschatten, räumlich bedingter reduzierter Wandstärke sowie dem Ziel, Wärmedämm-Verbundsysteme zu vermeiden und ein Massivhaus zu erstellen, ließen sich einige Charakteristika des Passivhauses nicht vollständig realisieren. Jedoch kommen neben dem vom Passivhaus bekannten Einsparungselementen (z.B. die kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung etc.) beim Effizienzhaus Plus zusätzlich aktive Elemente wie Photovoltaik hinzu, die die Gesamtenergiebilanz des Hauses deutlich verbessern.

So ist beispielsweise der Heizwärmebedarf mit 22 kWh pro Quadratmeter im Vergleich zum Passivhaus (15 kWh pro Quadratmeter) höher, jedoch wird dieser signifikant durch die Photovoltaikanlage überkompensiert. Des weiteren sind durchgängig verbrauchsarme Anlagen und Geräte für die Haustechnik installiert. Das Haus in Bad Homburg verfügt zudem über einen Scheitholzkamin mit Pufferspeicher, der über eine Wasserführung das gesamte Haus ca. 1-2 Tage beheizen kann und dessen ökologische Vorteile – noch –  gar nicht in den maßgeblichen Energiebilanzen berücksichtig werden dürfen. 

Zweijährige Begleitung des Gebäudebetriebs
Das Projekt wird seit dem 01. Mai einem Monitoring unterzogen, in dem u.a. Energieverbrauch und  -erzeugung betrachtet werden. Ein Ziel ist es, den sonnengenerierten Strom möglichst dann zu verbrauchen, wenn er zur Verfügung steht. Wenn viel Strom produziert, aber zeitgleich nicht benötigt wird, können mit der Wärmepumpe die thermischen Speicher für Heizen und Trinkwarmwasser aufgeheizt werden. Auf diese Weise wird der selbst produzierte Strom in Wärme umgewandelt und der Eigenverbrauch erhöht.

Neben der Betriebsoptimierung dient das Monitoring der Kontrolle der zuvor berechneten Plus-Energie-Bilanz im realen Betrieb. Die Rückschlüsse aus dem Monitoring sollen helfen, den zukunftweisenden Standard weiter zu entwickeln und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Der Bauherr Steffen Klawitter ist bereits auf die Ergebnisse und Optimierungspotenziale sehr gespannt. .