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11.01.2013 | Gebäudemanagement, Gebäudesanierung, Sanitär-Heizung-Klima, Stadtplanung

Schweden holen sich Anregungen fürs energieoptimierte Bauen --- Kempten als Vorbild für Kiruna, wo bis 2050 eine komplett neue Stadt aufgebaut werden muss

Die Stadt Kempten zählt bundesweit zu den Vorreitern beim Thema energieeffizientes Bauen und Sanieren. Bei einem Informationsbesuch im Allgäu machte sich eine Delegation aus dem nordschwedischen Kiruna ein Bild davon.

Da Teile Kirunas infolge des Eisenerzabbaus langfristig einsturzgefährdet sind, stehen die Verantwortlichen vor der Herausforderung, in den nächsten Jahrzehnten eine komplette Stadt an anderer Stelle aufzubauen und holen sich dafür auch Anregungen im Ausland, vor allem was die energieoptimierte Bauweise betrifft.
Bei ihrer Visite im Allgäu zeigten sich die Mitglieder der Stadtverwaltung und der staatlichen Minengesellschaft beeindruckt davon, wie konsequent in Kempten der Beschluss des Stadtrats umgesetzt wird, kommunale Neubauten nur noch in Passivhausbauweise auszuführen und Bestandsgebäude mit Hilfe von Passivhauskomponenten nach und nach energetische zu optimieren.

"Die Gäste aus dem hohen Norden würden sich wünschen, dass ihre Lokalpolitiker auch so beherzt wie deren Kollegen in Kempten für eine nachhaltige Bauweise eintreten", lautete der Eindruck von Dieter Herz vom Ingenieurbüro Herz & Lang.
Der Passivhaus-Fachmann aus Weitnau (Oberallgäu) hatte die Delegation nach einem Treffen mit Kemptens Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer unter anderem durch den Passivhaus-Kinderhort in St. Mang, die sanierte Robert-Schuhmann sowie das neue Passivhauskompetenzzentrum in der Burgstraße geführt.

Bis zum Jahr 2050 wird Kiruna, eine 20.000-Einwohnerstadt nördlich des Polarkreises, komplett neu errichtet und zwar fünf Kilometer östlich des jetzigen Standorts.
"Eine gewaltige Aufgabe, aber auch eine einmalige Chance", meint Simone Kreutzer. Die deutschstämmige Architektin und Bauingenieurin, die seit zwölf Jahren in Skandinavien lebt, ist Geschäftsführerin der schwedischen IG Passivhaus und hat die Exkursion ins Allgäu und angrenzende Österreich organisiert. Momentan, berichtete die Delegationsleiterin, stehe der Neubau der Gemeindehauses an, bei dem noch nicht fest steht, welchen Energiestandard das Gebäude letztlich erfüllen soll.

In der Tat, so Simone Kreutzer, fehle in Kiruna eine ähnlich treibende Kraft wie Oberbürgermeister Netzer in Kempten, um die Passivhausidee dort voranzubringen. Allerdings weiß die Expertin, dass es angesichts der klimatischen Voraussetzungen in Kiruna auch schwieriger als in Kempten sei, die strengen Passivhaus-Kriterien zu erfüllen.
"In Kiruna ist es im Winter über Monate hinweg dunkel. Die solaren Gewinne, die wichtig für das Funktionieren des Passivhausprinzips sind, fehlen ganz einfach. Und zudem kann es über Wochen hinweg 20 Grad Minus haben."

Gleichzeitig wies Dieter Herz darauf hin, dass das Passivhaus-Prinzip gerade bei diesen Bedingungen die richtigen Lösungen zu bieten habe: nämlich die Minimierung der Wärmeverluste durch eine hochwärmedämmend, luftdichte und wärmebrückenfreie Hülle sowie eine hocheffiziente Technik.

Die schwedischen Baustandards seien an für sich hoch, betonte Simone Kreutzer. Diesen Eindruck hat auch Dieter Herz. So würden seit 30 Jahren schon Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in schwedischen Häusern eingebaut, während sich in Deutschland erst langsam die Vorteile dieser Geräte herumsprechen würden. Allerdings, so der Allgäuer Passivhaus-Pionier, hätten sich die Schweden in letzter Zeit mit "einem gewissen Maß an Selbstzufriedenheit zurückgelehnt und so manche Entwicklung verschlafen".

Internet: www.herz-lang.de