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20.09.2011 | Nutzfahrzeuge - Elektro-Mobilität

Der neue Actros: Keiner fährt feiner

Hoch aufgeschossen steht er da. Beinahe volle vier Meter misst die Gigaspace-Kabine des neuen Mercedes-Benz Actros 1848, der für eine erste Probefahrt vorgefahren ist. Vier Stufen sind zu entern, dann ist der neue Arbeitsplatz erreicht. Durchaus spektakulär, was dort dem „Fern-Fahrer“ geboten wird: Raum in einer neuen Dimension. Weit mehr als zwei Meter beträgt die Stehhöhe, nach Werksangabe knapp zwölf Kubikmeter das Raumvolumen. Der Stauraum in den diversen Fächern summiert sich auf gute 900 Liter – das sind locker zwei Pkw-Kofferräume.

(Foto: Daimler AG)

Sofort und zugleich angenehm auffällig ist die farbliche und geometrische Trennung des Cockpit-dominierten Arbeitsbereichs am Lenkrad von einem behaglich anmutenden Wohnfeld zur rechten. Allerdings: Um das wird man sich bei der ersten Probefahrt kaum kümmern können. Der Fahreindruck soll durch intensives Fahren entstehen. Der Wohn- und Schlafbereich muss sich da mit einer nur kurzen Inaugenscheinnahme begnügen: Sieht super-bequem aus – von den bisherigen „Platz“-Hirschen übernimmt der neue Actros den besten Podiumsplatz.

Auf Anhieb alles klar

Zurück ans Lenkrad. Bei der ersten Orientierung vor dem Start zur Fahrpremiere zeigt sich der Arbeitsplatz auf Anhieb Mercedes-mäßig durchstrukturiert: Zwei große Rundinstrumente informieren über Geschwindigkeit und Motordrehzahl, die übrigen Infos kommen über Zusatzinstrumente sowie über ein großes Farbdisplay in der Mitte.

Die Fahrzeugbedienung selbst folgt einer neuen Philosophie. Nach der sind sämtliche Bedienfunktionen für die serienmäßige Powershift-Getriebeautomatik sowie die Dauerbremsen aus verstärkter Motorbremse und gegebenenfalls einem neuen Sekundär-Wasserretarder in einem Schalter rechts an der Lenksäule zusammengefasst.

Neue Bedienfelder, sinnvoll gruppiert

In direkter Nähe zur Getriebe-Brems-Bedieneinheit werden über ein spielerisch leicht zu erreichendes Bedienfeld auf der rechten Lenk­radspeiche wichtige Assistenzsystem wie der Tempomat – mit und ohne Abstandshalteassistent – sowie der frei einstellbare Tempo­limiter vom Fahrer bedient.

Auf der linken Lenkradspeiche tasten sich selbst mit dieser Art der Mensch-Maschine-Kommunikation ungeübte Piloten vollkommen selbsterklärend durch die Fahrzeugkontroll- und Einstellmenüs. Besonders hilfreich ist hier ein frei programmierbarer „Hotkey“: Auf diese Taste kann sich jeder Fahrer das für ihn am wichtigsten erscheinende Untermenü (zum Beispiel die Lenkzeit, oder den Streckenverbrauch) ablegen – Kopfdruck genügt, und schon ist die Wunschinfo im Display ablesbar.

Lenkrad auf Fußdruck in Wunschposition

Das gut gepolsterte 450-mm-Lenkrad mit vier Speichen kann jetzt mittels Fußdruck auf den Ent- und Verriegelungsknopf in sehr weiten Grenzen eingestellt werden. Konkret: In der Höhe beträgt der Einstellbereich stufenlose 104 Millimeter. In der Neigung kann von 28 bis 47 Grad variiert werden. Die einrastende Parkposition ist bei extrem flachen 8,5 Grad vorgesehen.

Die Fahrzeugbedienung erschließt sich dem routinierten Kraftfahrer beinahe von selbst. Für die erste Testfahrt beantwortet ein Daimler-Werksfahrer die wenigen offenen Fragen. Echte Actros-Trucker nutzen im Zweifelsfall die digitale Betriebsanleitung. Die ist in dem famosen Radio-Navigationssystem hinterlegt, das auch sonst keinen Vergleich zu einem Top-Pkw-Gerät vom Schlage eines Mercedes-Benz „Comand“ scheuen muss.

Fahrzeug-Check aus der Ferne

Wer will, kann sich schon beim Annähern an das Fahrzeug über die Füllstände der Betriebsmittel oder den Reifenfülldruck informieren – eine neue, pfiffige Multifunktions-Funkfernbedienung macht‘s möglich. Gestartet wird der neue Actros nicht mehr mit einem konventionellen Zündschlüssel, sondern per Start-Stopp-Knopf. Auf den ersten Druck macht das Fahrzeug einen Selbst-Check. Fest durchgedrückt erweckt man die Maschine zum Leben.

Unter dem riesigen Gigaspace-Fahrerhaus, einer von insgesamt sieben lieferbaren Kabinen-Alternativen beim neuen Actros, brummelt der brandneue 12,8-l-Reihensechszylinder vor sich hin. In der zur ersten Probefahrt bereitgestellten Sattelzugmaschine für den internationalen Fernverkehr leistet das Triebwerk knapp 480 PS (350 kW/476 PS) und liefert 2300 Newtonmeter als Maximalzug­kraft. Drei weitere Leistungseinstellungen von 421 bis 510 PS (310 bis 375 kW) mit Nennmomenten von 2100 bis 2500 Nm stehen für die Modelle 1842, 1845 und 1851 bereit.

Mit einem voll beladenen Sattelauflieger im Schlepp soll das Euro-VI-Fahrzeug auf einem gemischten Landstraßen- und Autobahn-Trip über 230 km aufblitzen lassen, was es im großen Fernverkehr zu leisten im Stande ist.

Neue Powershift-Bedienung

Die Euro-VI-Maschine läuft schon, das in der Topversion serienmäßig aus LED aufblitzende Tagfahrlicht leuchtet – es kann losgehen. Die obligatorische Powershift-Schaltautomatik wird im neuen Actros von einem Schalter an der Lenksäule aus kommandiert. Den Dreh­schalter auf D gestellt, schon wechselt der Automat von „N“ auf „2“. Feststellbremse lösen, milde aufs Gas und der Luxus-Liner legt los. Noch auf dem Gelände des Münchener Luftfrachtzentrums gibt der Getrieberechner einen Ausblick darauf, wie er sich das Zahnrad-Management auf der weiteren Reise vorstellt: ganz schnell hochschalten.

Vom Speditionshof geht es links ab – zum Glück lassen die Spiegel auf der rechten Kabinenseite noch einen ordentlichen Sehschlitz an der A-Säule frei. Die Lenkung deutet bereits auf den ersten Metern an, was sie im anschließen Kreisverkehr untermauert: sämig-straff, höchste Präzision in der Zielgenauigkeit ohne eine Tendenz zur Schwergängigkeit – wer unbedingt will, kann den neuen Actros auch mal mit einer Hand um die Ecke zirkeln.

Powershift auf Profi-Niveau

Nötig ist das Ein-Hand-Fahren natürlich nicht. Schon gar nicht, seit dem es bei Mercedes-Benz im Fern-Lkw keine Handschaltgetriebe mehr gibt. Mit Powershift in der dritten Generation scheint der manuelle Gangwechsel nun gänzlich von gestern. Mit dem Können und der unerbittlichen Konsequenz eines ausgebufften Sprit-Spar-Trainers schaltet der Powershift-Rechner in großen Gangsprüngen hoch in den Zwölften.

Auch wenn der 40-Tonner noch gar nicht die Autobahn erreicht hat und ziemlich gesetzesnah mit gerade mal 63 km/h auf der Land­straße dahinrollt. Schließlich weiß die komplexe, voll vernetzte Motor-Getriebe-Steuerung um die Stärken des neuen Sechszylinder-Kraftpakets. In der vorliegenden Ausführung als Actros 1848 liegen schon bei 1000 Touren beinahe die vollen 2300 Nm an. Im größten Gang packt die Motorsteuerung sogar noch zusätzliche 200 Nm oben drauf. Top-Torque heißt das Plus an Zugkraft.

Das macht zusammen jene 2500 Nm, die der nächst stärkere Actros 1851 als Nennwert auf die Kurbelwelle wuchtet – dann aber in allen Gängen. Das Zugkraftplus macht „lange“ Achsen leichter möglich und hilft, die zwölfte Schaltstufe noch erheblich länger nutzen zu können als ohnehin schon.

Immer am Drehzahl-Drücken

Mit der serienmäßigen Achsübersetzung von 2,611 zu 1 und den weit verbreiteten 315/70er Reifen kurbelt der 12,8-l-Motor bei Tempo 60 auf der Landstraße mit gerade mal 850/min dahin – das hat es früher bestenfalls bei hoch motivierten Fahrern gegeben, die konsequent im rein manuellen Schaltbetrieb unterwegs waren.

Heute macht der neue Actros so etwas von ganz allein, wenn’s sinnvoll ist. Auf der Autobahn liegt dann ein Drehzahlniveau von 1150 bis 1240 Touren an, je nachdem, ob sich der Fahrer für super-sparsame 82 km/h entscheidet, oder ob er es doch lieber mit 88 km/h flotter laufen lassen will.

Ganz gleich mit welchem Marschtempo, locker laufen lassen scheint generell ein Motto des neuen Mercedes-Benz Actros zu sein. So kommt die schon beim bisherigen Fernverkehrsmodell der Stuttgarter eingeführte Eco-Roll-Funktion im neuen Actros noch viel deutlicher zum Tragen. Schon kleine Gefällestücke nutzt die Freilauf­technik, um Energie aus der Fahrzeugmasse zurück zu gewinnen.

Am besten automatisch

Am einfachsten funktioniert das, wenn man sich als Fahrer dabei ganz auf die Tempomat-Funktionen verlässt. Dann kann die Fahr­zeugsensorik alle Signale zusammenführen und die beste Kombi­nation aus Motorkraft, Getriebegang, Eco-Roll und der oder den verschleißfreien Dauerbremsen einstellen.

Auf der Probefahrt funktioniert das Vortriebs- und Brems-Manage­ment sowohl auf der Autobahn als auch auf der Landstraße. Wobei der Wechsel vom automatischen in den manuellen Fahrbetrieb und wieder zurück zur Automatik sehr simpel abläuft.

Wie eingangs erwähnt, bietet das Bedienfeld „Tempomat“ am neuen Lenkrad alle relevanten Funktionen, die früher in einem Lenk­säulen­schalter zusammengefasst waren. Dessen Position hat jetzt der Power­shift-Bedienschalter inne. Zudem wird hier die Motor­bremse nebst optionalem Sekundär-Retarder manuell kommandiert.

Eco-Option für Powershift & Co immer an Bord

Powershift selbst kennt jetzt neben dem Automatik-Schaltprogramm und dem manuellen Bedienmodus noch die neue, Zusatzfunktion „A-economy“. Ist die per Fingertipp am Lenksäulenschalter aktiviert, stehen alle relevanten Parameter noch deutlicher auf Treibstoff­sparen.

Beim Hoch- und Runterschalten wird die Drehzahl noch weiter gedrückt, der Geschwindigkeitsbegrenzer setzt das Limit von möglichen 90 km/h auf freiwillige 85 km/h herunter, und der Tempomat lässt per „Soft-Cruise-Mode“ alle Beschleunigungs­manöver mit gebremstem Schaum, sprich mit leicht gedrosseltem Drehmomenteinsatz, ablaufen. Auf der Autobahn lässt sich der Unterschied zwischen dem „A“- und dem „A-economy“-Programm gut herausfahren.

Kurven-Intermezzo zeigt Fahrwerks-Fortschritt

Auf dem letzten Abschnitt der 230 Kilometer langen Probefahrt treten die langstreckenrelevanten Bedieneigenheiten des neuen Mercedes-Benz Actros allerdings in den Hintergrund. Die Strecke will es so: Vergleichsweise enge Landstraßen verbinden vergleichs­weise noch engere Ortsdurchfahrten miteinander.

Für den neuen Mercedes-Truck ein feines Feld, um seine eingangs bereits zart angedeuteten Fähigkeiten aus dem Fahrwerkssektor auszupacken. Kurz und knapp: Es macht richtig Spaß, das 2,55 Meter breite und 16,50 Meter lange Nutzfahrzeug flott, beinahe sportlich und doch vollkommen entspannt über das anspruchsvoll gewundene, zudem enge Asphaltband zu dirigieren.

Präzision trifft Gutmütigkeit

Das Fahrwerk zeigt dabei eine Präzision, die ihres Gleichen sucht. Und weil Sportlichkeit im Güterverkehr nicht viel zu suchen hat, kommt das hochpräzise, zugleich „verzeihend“ ausgelegte Fahr­verhalten des neuen Mercedes-Benz Actros am Ende voll und ganz der Fahr- und damit der allgemeinen Verkehrssicherheit zu Gute.

Bei dem Abschluss-Sprint über enge Landstraßen fallen zwei weitere Eigenschaften am neuen Actros positiv auf. Da ist zunächst das abermals optimierte Ansprechverhalten der Betriebsbremsanlage, die sehr feinfühlig auf Verzögerungswünsche des Fahrers reagiert. Im normalen Fahrbetrieb auf Schnellstraßen wird die Scheiben­bremsanlage nicht viel zu tun bekommen, Motorbremse plus optionaler Retarder sei Dank.

Fleetboard meldet: Am Ende ist alles gut

Zum zweiten erfreut das neue Fahrweisen-Beurteilungssystem im Mercedes Fernverkehrslastwagen den Tester. Der Fleetboard-Ableger zeigt im Zentraldisplay auf Knopfdruck an, wie es um den ganz persönlichen Fahrstil des Piloten steht.

Bei erkanntem Verbesserungspotenzial scheut sich die Elektronik nicht, auch Tipps zum Bessermachen zu geben. Im Falle der ersten Probefahrt zeigte die Bewertungssoftware auf sympathische Weise viel Verständnis für den sportiven Endspurt – keine Rüge wegen rüden Fahrstils.

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