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27.10.2010 | Messen

MEDICA 2010: …und der "Rollout" rollt weiter voran - Wann kommt denn nun die elektronische Gesundheitskarte?

Es gab sie jedes Jahr im Vorfeld der weltweiten Branchemesse Nr. 1, der MEDICA in Düsseldorf: große Vorabmeldungen zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK). In diesem Jahr ist es rund um die Karte sehr leise geworden. Dabei steht bei dem in die Jahre gekommenen Mammut-Projekt eine - für Arztpraxen und Industrie - wichtige Entscheidung an.

Die Anbieter medizinischer IT präsentieren deshalb trotz des zähen Einführungsprozesses der eGK auch in diesem Jahr wieder Mitte November ihre neuesten Lösungen im Rahmen der MEDICA 2010, Weltforum der Medizin (17. - 20.11.2010).

Das Telematik-Großprojekt elektronische Gesundheitskarte ist in den vergangenen Jahren immer wieder ins Stocken geraten. Eigentlich sollten die Patienten schon seit 2006 ihre neuen Gesundheitskarten in deutschen Arztpraxen zücken. So zumindest hat es der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch V (SGB V) festgeschrieben. Aber ausgerechnet in diesem Herbst könnte die Wende im Dauerstreit zwischen Krankenkassen und medizinischen Leistungserbringern - allen voran der Ärzteschaft - kommen. Denn die Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sollen sich über die Finanzierung der technischen Ausstattung in den Arztpraxen einigen. Genauer gesagt, geht es darum, dass die Ärzte für die eGK neue Kartenlesegeräte benötigen. Diese kosten Geld. Das wiederum wirft bei den Ärzte die Frage auf, warum sie die Geräte finanzieren sollten, von deren Nutzung vor allem die Krankenkassen profitieren werden.

Ein Streitthema ist nach wie vor auch, dass die Ärzte teils Bedenken hegen hinsichtlich der Sicherheit sensibler Patientendaten, wenn sie gezwungen werden, im Rahmen der eGK-Einführung mit ihrer Praxis-EDV online zu gehen. Auf etliche Fragen gibt es immerhin eine Antwort: Der Gesetzgeber hat sich einmal mehr eingemischt. Seit Juni dieses Jahres ist der Online-Stammdatenabgleich beschlossene Sache und damit eine Pflicht für Ärzte. Was das heißt? Ärzte müssen künftig die Versichertenstammdaten ihrer Patienten wie Name, Geburtsjahr und Versichertenstatus - die auch schon auf der Versicherten-Chipkarte gespeichert sind und gewöhnlich ins Praxis-EDV-System für die Abrechnung ärztlicher Leistungen übertragen werden - beim ersten Kontakt im Quartal auf Richtigkeit prüfen, und zwar im Online-Abgleich. Dazu wird künftig die elektronische Gesundheitskarte eingelesen, und es wird eine Online-Verbindung mit der jeweiligen Krankenkasse hergestellt. Die Daten der Krankenkasse werden mit denen auf der Gesundheitskarte verglichen. Der Arzt erhält dann automatisch die Rückmeldung, ob die vorgelegte Karte gültig ist. Das soll vor Kartenmissbrauch schützen.

IT-Industrie hat erhebliche Vorleistungen erbracht
Es ist offensichtlich, dass diese Anwendung vor allem den Krankenkassen nützt. Dr. Pablo Mentzinis, eGK-Experte beim Herstellerverband BITKOM stellt daher auch fest, dass damit für die Krankenkassen nun eine Investitionssicherheit in Sachen eGK erreicht worden sei. Es ist also ein Zeitpunkt erreicht, zu dem endlich die Finanzierungsfrage auch für die Ärzte geklärt werden kann. Das käme auch der Industrie entgegen, die seit Jahren die Entwicklungen im Projekt eGK vorfinanziert. Nach Schätzungen des BITKOM hat die IT-Industrie seit 2003 etwa 400 Millionen Euro in die Begleitung des Projekts, die Entwicklung der Komponenten und die Beratung der gematik investiert. Aber in Sachen Kartenausgabe, also beim "Rollout", hat sich bislang kaum etwas getan. Dabei gibt es auch technische Lösungen für die Ärzte, die trotz der Pflicht zum Online-Stammdatenabgleich nicht mit ihrer kompletten Praxis-EDV online gehen wollen.
Möglich wäre laut Mentzinis etwa, dass der Kartenleser selbst gleich die nötige Technik für den Weg in die Online-Welt enthält. Oder dass der Kartenleser von der Praxis-EDV abgekapselt wird und über den sogenannten Konnektor, der eine sichere Verbindung zur Telematik-Infrastruktur bzw. zu den Krankenkassen herstellt, online geht.

Zu sehen sind die neuen Kartenleser, die die Anwendungen der Gesundheitskarte unterstützen, bei der MEDICA 2010 in Halle 15. Das Bad Hersfelder Unternehmen Hypercom etwa bietet ein Lesegerät, das die Gesundheitskarte, aber ebenso Bezahlkarten wie die EC-Karte, einliest - für Leistungen, die Patienten selbst zahlen müssen (Halle 15/ Stand D 41).

Und für den Einsatz beim Hausbesuch oder in der Klinik kann das mobile Lesegerät "medMobile" zum Einsatz kommen, das bis zu 200 Patientendatensätze speichert. Über eine USB-Schnittstelle können die Daten dann auf die Praxis-EDV übertragen werden. Auf dem Stand von Celectronic (Halle 15/ Stand G 05) wird dieses Jahr neu zur MEDICA der CARD Star / memo3 zu sehen sein. Das Lesegerät bietet zwei Kartenslots, damit der elektronische Heilberufeausweis nicht über ein eigenes Gerät eingelesen werden muss.

Natürlich wird auch die gematik, die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, die für die Tests der eGK und die Zertifizierung der einzelnen IT-Komponenten zuständig ist, bei der MEDICA 2010 "Flagge zeigen". In Halle 15 (Stand B 17) wird sie darüber informieren, welche Komponenten bereits für den Basis-Rollout zugelassen sind, welche sich noch im Zulassungsverfahren befinden und auch darüber, welche Krankenkassen bereits Zulassungen für die eGK-Herausgabe erhalten haben.

Fest steht auf jeden Fall: Schaffen es die gesetzlichen Krankenkassen bzw. ihr Spitzenverband nicht, sich mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Pauschalen für die Kartenleser und andere notwendige Geräte, die Ärzte erhalten sollen, zu einigen, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Möglichkeit, ein Schiedsamt anzurufen. Nach dem Gesetzesbeschluss zum Online-Stammdatenabgleich ist fast davon auszugehen, dass das BMG hiervon Gebrauch machen wird.

So richtig weitergehen wird es mit dem Rollout der eGK, der in der Startregion Nordrhein bislang auch nur schleppend angelaufen ist, wohl erst 2011. Dann sollen in weiteren Regionen zunächst die Praxen mit eGK-fähigen Kartenlesegeräten ausgestattet werden und nach und nach die Versicherten ihre neue Gesundheitskarte erhalten. Wie lange so etwas dauern kann, zeigt sich gerade im Gebiet Nordrhein: Dort hat die AOK Rheinland/Hamburg bislang erst rund 20.000 elektronische Gesundheitskarten ausgegeben - viele Monate nach dem offiziellen Start des Rollout in dieser Region.

Zur MEDICA 2010 werden in thematischer Ergänzung zum Programm des Kongresses, der begleitenden Tagungen und Foren mehr als 4.300 Aussteller aus 64 Nationen ihre Produkte, Geräte, Instrumente und Services für den kompletten Workflow der Patientenbehandlung in Arztpraxis und Klinikum thematisieren und präsentieren. In den letzten Jahren zählte die MEDICA regelmäßig mehr als 135.000 Fachbesucher. Unter den Besuchern in diesem Jahr wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sein, die am 17.11. in Begleitung von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler zur MEDICA kommen wird.

Informationen zur MEDICA 2010 sowie zum Programmangebot des MEDICA MEDIA FORUM (Themenpark für Telemedizin) sind online abrufbar unter: http://www.medica.de