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10.12.2010 | Abfallwirtschaft

Viel Neues im Abfallrecht - Experten diskutierten neue Gesetzesvorhaben und Projekte auf der 3. Jahrestagung "Abfallrecht" der Akademie Fresenius in Köln.

Die Weiterentwicklung des Abfallrechts schreitet mit großen Schritten voran: Sowohl neue Zuständigkeiten und Verordnungen als auch zukunftsweisende Neuregelungen im Bereich Wertstoffentsorgung versprechen für das kommende Jahr zahlreiche Veränderungen in der Branche.

Experten von Verbänden, aus der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung stellten die wichtigsten Punkte auf der Fachkonferenz "Abfallrecht" der Akademie Fresenius vom 7. bis 8. Dezember 2010 in Köln vor.

Dr. Beate Kummer (Kummer Umweltkommunikation GmbH) betonte die ständig steigende Bedeutung der Sekundärrohstoffbranche, deren Entwicklung in den letzten 15 Jahren als vorbildlich zu bezeichnen sei. Die Vorzeigebranche sei mittlerweile nicht mehr wegzudenken, so Kummer, doch bestünden nach wie vor hohe Wachstumspotenziale auf bislang wenig beachteten Problemfeldern wie der marinen Kunststoffverschmutzung.
Kummer appellierte an die Kreativität der Branche, sich neue Einsatzfelder zu erschließen und empfahl, rechtzeitig dem drohenden Fachkräftemangel der Branche vorzubeugen.

Innovationen erlauben Ausblick auf 2011
Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) stellte eines der Kernthemen der Fachtagung dar. Ministerialrat Dr. Frank Petersen, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, führte in die zentralen Eckpunkte der Novelle ein: Neben der Präzisierung des Abfallbegriffs und einer neuen Abfallhierarchie, werde auch die Weiterentwicklung der Abfallvermeidung an Bedeutung gewinnen, so Petersen. Vorrang haben in Zukunft die Verwertungsmaßnahmen, die den Schutz von Mensch und Umwelt am besten gewährleisten - die Hochwertigkeit der Maßnahmen ist dabei jederzeit anzustreben.
Bund und Länder werden bis Dezember 2013 mit der Erstellung von Abfallvermeidungsprogrammen betraut.

Als wichtige Neuentwicklung gilt ebenfalls die Einführung der Wertstofftonne. Gerald Leinius, Justiziar der Berliner Stadtreinigung, schilderte die bisherigen Erfahrungswerte mit der "Orange Box" am Beispiel der Hauptstadt: Ziel des Projekts sei die Sammlung einer großen Vielfalt von Wertstoffen, die bisher auch auf Recyclinghöfen abgegeben werden können, erklärte Leinius die Ausgangslage. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Studie habe das hohe Potenzial an Wertstoffen im Hausmüll belegt. Als Beispiele seien unter anderem Metalle, Kunststoffe, Elektrokleingeräte, Alttextilien, Holz, Datenträger und Spielzeug zu nennen, führte Leinius weiter aus. Die Wertstofferlöse werden der Wertstofftonne direkt gutgeschrieben und senken somit die Kosten der Wertstofferfassung. Das System komme damit sowohl den Kunden als auch der Umwelt zugute. Es sichere langfristig einen niedrigen Gebührenverlauf, schaffe Anreize zur Müllvermeidung und führe zu erheblichen CO2-Einsparungen, erläuterte Leinius die Vorteile des neuen Sammelsystems. Aufgrund der positiven Erfahrungen wird die "Orange Box" in Berlin in der Tarifkalkulationsperiode 2011 bis 2012 flächendeckend eingeführt.

Professor Dr. Clemens Weidemann (Firma Gleiss Lutz) warnte in diesem Zusammenhang jedoch davor, die Wertstofftonne als Regelung zur Umsetzung der Produktverantwortung mit dem Oberziel der Abfallvermeidung zu begreifen. Die einheitliche Wertstofftonne sei als Instrument zur Sicherstellung der schadlosen Verwertung von Nicht-Verpackungsabfällen gedacht, betonte Weidemann. Dass das System in kommunaler Hand verbleibe sei aufgrund konzeptioneller Systembrüche zudem kaum vorstellbar, so Weidemann weiter.

Eine weitere Neuerung vollzieht sich ab 1. Februar 2011 mit der uneingeschränkten Pflicht zur elektronischen Nachweis- und Registerführung. An der Lösung bislang aufgetretener technischer Probleme werde gearbeitet, versicherte Dr. Olaf Kropp (SAM Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz. Allerdings brächten die unterschiedlichen Verfahrensabläufe eine hohe Komplexität mit sich, mit der das eANV (Elektronisches Abfallnachweisverfahren) zum Teil zu starr umgehe, wodurch Fehler entstünden.

Laut Stephan Pawlytsch (proveho) müsse das System vor allen Dingen stabiler und schneller werden. "Ob mittel- und langfristig alle Ziele des eANV, insbesondere das der Verfahrensvereinfachung und der Kosteneinsparung, erreicht werden, ist zweifelhaft", stellte Kropp klar.

Zuständigkeiten, Abfalleigenschaft und -hierarchie im Fokus
Mit den großen Branchenthemen Abfalleigenschaft und Abfallhierarchie befassten sich gleich mehrere Referenten ausführlich. Der EU-Entwurf zur Abfalleigenschaft von Eisen-, Stahl- und Aluminiumschrott, der voraussichtlich 2011 in Kraft treten soll, billigt dem Erzeuger die Entscheidungskompetenz zu, ob er den Schrott als Abfall oder Produkt versenden möchte.

Dr. Rainer Cosson, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV), wies in diesem Zusammenhang auf die entscheidende Bedeutung der Ernsthaftigkeit der Selbstüberwachung sowie der Behördenkontrolle hin. Er prognostizierte, dass Abnehmer bzw. Kunden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Lieferung von Schrott als Produkt verlangen werden. Wichtig sei in jedem Fall deutlich zu machen, dass auch Schrott als Abfall Qualitätsanforderungen erfüllen und qualitätsgesichert sein könne, so Cosson.

Besonders die Neuordnung der Entsorgungszuständigkeiten nach dem KrWG stieß auf Kritik. Dr. Martin Dieckmann, Wirtschaftsanwalt bei Esche Schümann Commichau, bewerte die Neuerungen als zu einseitig auf die Belange der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ausgerichtet. Gewerbliche Sammlungen könnten in Zukunft in jedem Einzelfall mit Blick auf die Belange der öffentlichen Träger untersagt werden. Die Definition der "entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen" sei unklar und wenig konsistent, kritisierte Dieckmann. Zudem sei das sinnvolle Instrument der Pflichtenübertragung im derzeitigen Referentenentwurf komplett entfallen. Dies sollte aber auf jeden Fall beibehalten werden, empfahl Dieckmann abschließend.

Ebenfalls zum Thema meldeten Dr. Manuela Hurst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) sowie Ferdinand Kleppmann (Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen Deutschland, ITAD) zu Wort. Aus Sicht der Recyclingwirtschaft wies Dr. Manuela Hurst darauf hin, dass die künftige Ausgestaltung der Entsorgungszuständigkeiten für Abfälle aus privaten Haushalten der Notwendigkeit der industriellen Rohstoffversorgung Rechnung tragen müsse. Der Bundesverband plädiere deshalb für eine Beibehaltung der gemeinnützigen wie gewerblichen Sammlung unter Wahrung bewährter Sammelstrukturen, so Hurst.
Eine notwendige Bedingung für die Weiterentwicklung des Recyclings sei dabei der Ausbau der getrennten Sammlung, die früher als 2015 geregelt werden solle, führte die Experten weiter aus. Man befürworte eine politische Entscheidung im Sinne eines Erhalts der Wettbewerbspluralität in Deutschland.

Ferdinand Kleppmann unterstrich ergänzend in seinem Vortrag, dass nur der gemeinsame Einsatz von hochwertigem Recycling und effizienter energetischer Verwertung dazu beitragen könne, die Ressource Abfall nachhaltig zu nutzen. Nicht jeder Abfall könne tatsächlich hochwertig recycelt werden und viele Abfälle seien auch nach mehrmaligem Recycling bzw. entsprechender Alterung des Rohstoffs nicht in ein Recyclingprodukt von akzeptabler Qualität zu überführen, schilderte Kleppmann die Relevanz der thermischen Abfallbehandlung.

Neuverordnungen auf den Punkt gebracht
Die neue Verordnung zum Einbau mineralischer Ersatzbaustoffe in technische Bauwerke wurde von Dr. Axel Kopp vom Bundesumweltministerium vorgestellt. Man wolle mehr Vertrauen und gleiche Wettbewerbsbedingungen durch flächendeckende Güteüberwachung schaffen, so Kopp. Es solle gleiches Recht für alle Stoffe gelten, unabhängig von der Abfalleigenschaft. Die Verordnung beinhaltet u.a. ein dreistufiges Kontrollsystem aus Eignungsnachweis, werkseigener Produktionskontrolle und Fremdüberwachung durch behördliche zugelassene Sachverständige bzw. Prüfstellen. Je nach Material werde aber die Untersuchungshäufigkeit variieren, so Kopp.

"Die Verordnung gilt grundsätzlich auch für laufende Einbaumaßnahmen und Betriebe. Auf Dauer wird es keine Zweiteilung zwischen Neu- und Altanlagen mehr geben", erläuterte Kopp die Haltung des Bundesumweltministeriums.
Das förmliche Rechtsetzungsverfahren für die Verordnung soll im 1. Halbjahr 2011 stattfinden.

Auch die Novelle der Verpackungsordnung kam bei der Fachkonferenz auf die Agenda. Die letzten Neuerungen hätten sich als mittelstandsfreundlich, schlank und effizient erwiesen, resümierte Dr. Armin Rockholz (DIHK). In Zukunft müsse man aber noch mehr auf Deregulierung anstatt Verschärfung setzen, betonte der Experte. Noch sei offen, ob die 6. Verpackungsnovelle auf eine Optimierung der bisherigen Beschlüsse oder eine grundlegende Neuorientierung hinauslaufe. Für Ende 2011 wird ein Papier des Bundesumweltministeriums zum Thema erwartet.

Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.

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