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01.12.2010 | Allgemeine Meldungen, Veranstaltungen und Wettbewerbe

Deutscher Bürgerpreis 2010 geht an Pirmasenserin

Der Deutsche Bürgerpreis 2010 der Initiative ’für mich. für uns. für alle’ ist in der Rubrik Lebenswerk an eine Pirmasenser Bürgerin verliehen worden. Frau Zahire Sevilir (70) erhielt am 30. November in Berlin aus den Händen des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert den renommierten Ehren­amtspreis, der in diesem Jahr unter dem Schwerpunkt­thema - Retten. Helfen, Chancen schenken - stand.

Preisverleihung 30.11.2010, Gruppenbild

Die selbstständige Schneiderin hat selbst mehrfache Migrationserfahrungen und ist vor diesem Hintergrund seit über 40 Jahren in zahlreichen Funktionen insbesondere für die Integration ausländischer Mitbürger ehrenamtlich aktiv. Dazu zählen unter anderem die Mitorganisation multikultureller Freundschaftsfeste, die Gründung von ’Handy & Cap’ zur sprachlichen Förderung (nicht nur) ausländischer Mitbürger, die Mitgliedschaft im städtischen Seniorenbeirat, der Beisitz in Vereinsvorstandsschaften von Frauenring und Frauenzuflucht sowie tragende Rollen im kinderfördernden Pakt für Pirmasens.

Der Deutsche Bürgerpreis ist Deutschlands größter bundesweiter Ehrenamtspreis. Verliehen wird er jährlich von der Initiative ’für mich. für uns. für alle’, einem Bündnis aus engagierten Bundestagsabgeordneten, den Städten, Landkreisen und Gemeinden sowie den Sparkassen. Der Preis zeichnet Personen, Projekte und Unternehmen aus, die mit ihrem ehrenamtlichen Engagement dazu beitragen, die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Der Ehrenamtspreis wird in den Kategorien U21, Alltagshelden, Engagierte Unternehmer und Lebenswerk vergeben. Anfang November 2010 hatte Zahire Sevilir bereits den lokalen Preis ’für mich. für uns. für die Südwestpfalz’ erhalten.

"Frau Zahire Sevilir setzt sich seit langen Jahren vorbildlich für das Integrationsthema ein. Dabei zeigt sie uns immer wieder aufs Neue, wie sich bloße Visionen durch bürgerschaftliches Engagement in die Realität umsetzen lassen", betont Dr. Bernhard Matheis, Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens. "Jüngstes Beispiel ihrer ausnahmslos ehrenamtlichen Aktivitäten ist der Pakt für Pirmasens - eine breit unterstützte Initiative, die benachteiligten Kindern gute Entwicklungs- und Bildungschancen eröffnen soll. Hier hat Frau Sevilir als treibende Kraft der ersten Stunde eine Mutter-Kind-Gruppe aufgebaut, die Integrationsprobleme ganz pragmatisch angeht. Als Vertreter der Stadt freut es mich daher außerordentlich, dass mit Zahire Sevilir eine äußerst engagierte Pirmasenser Bürgerin für ihren Einsatz ausgezeichnet wird, die uns Integration in vielen Facetten beispielhaft vorgelebt hat."

Bewegtes Leben - und vieles in Bewegung gesetzt

Auf der russischen Halbinsel Krim geboren, wurde Zahire Sevilir über die Kriegswirren nach Deutschland deportiert und Ende der Vierzigerjahre von der Türkei aufgenommen, wo sie die türkische Staatsbürgerschaft annahm. Auf das Abitur folgte ein Medizinstudium, das sie jedoch hinter ihre Ehe und ein berufliches Angebot ihres Mannes zurückstellte. Dem Angebot folgend, emigrierte die Familie 1963 nach Deutschland und ist über Umwege seit 1970 in Pirmasens ansässig. Von Beginn an setzte sie sich dort neben ihren Tätigkeiten - zunächst als Gastronomin und später als selbstständige Schneiderin - in vielfacher Weise für die Integration ausländischer Mitbürger ein. Überall, wo Hilfe benötigt wird, weil Menschen aus den verschiedensten Gründen ausgegrenzt werden, ist Zahire Sevilir mit unermüdlichem Tatendrang zur Stelle. Besonders Mütter mit benachteiligten Kindern und Problemen im sprachlichen, motorischen, seelischen und/oder geistigen Bereich liegen ihr am Herzen, weswegen sie 2009 die ’Mutter-Kind-Gruppe’ im Pakt für Pirmasens gründete. Im Jahr 2008 erhielt Zahire Sevilir die deutsche Staatsbürgerschaft.

"Ich habe immer nur geholfen, wo ich helfen konnte", erklärt Zahire Sevilir, die ihr Tun "nie von einer Gegenleistung abhängig gemacht" habe. Dennoch zeigt sie sich sehr erfreut über die Würdigung, die sie stellvertre­tend für alle entgegenehme, die sich wie sie um die gemeinsame Sache für die Mitbürger engagieren. Die Preisträgerin weiter: "Im Zugang zur Bildung liegt der Schlüssel zur Integration. Hier sind wir in Pirmasens zwar auf dem richtigen Weg, aber man kann gar nicht genug tun, um alle daran teilhaben zu lassen und niemanden unterwegs zu vergessen. Wirklich jeder kann seinen Teil dazu beitragen, anderen zu helfen, und wenn es nur ein kleiner Beitrag ist." Zudem dankt sie Oberbürgermeister und Stadtverwaltung "für die langjährige Unterstützung bei der Umsetzung meiner Ideen".

Ergänzendes zum Pakt für Pirmasens

Der im Jahr 2008 auf Initiative des Oberbürgermeisters der Stadt Pirmasens ins Leben gerufene Pakt für Pirmasens hat es sich zur Aufgabe gemacht, benachteiligten Pirmasenser Kindern die bestmöglichen Entwicklungs-, Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten zu eröffnen. Ziel ist es dabei, vorhandene Hilfsangebote sowohl von staatlicher und kirchlicher als auch von privater Seite zu koordinieren und zum Wohle der Kinder zu organisieren. Stetig wachsende Projektgruppen zu Themenfeldern wie beispielsweise "Willkommen Neu-Pirmasenser", "Eltern erreichen, Eltern befähigen" oder "Soziales, Kirchen, Jugend" sind dabei in ein transparentes Gesamtsystem eingebettet, werden aktiv vorange­trieben und mit finanziellen Mitteln unterlegt. Der Pakt für Pirmasens ist ein großes Netzwerk der Lebenswegbegleitung für benachteiligte Kinder. Gefördert wird die Initiative durch lokale Verbände, Vereine, Kirchen, Parteien, soziale Einrichtungen und Hilfsorganisationen, Firmen und sonstige Institutionen sowie die Verwaltung. Haupttriebkraft sind jedoch die Menschen, die sich aktiv für den Pakt engagieren, daher hat das rheinland-pfälzische Innenministerium den Pakt für Pirmasens mit dem Ehrenamtspreis 2009 ausgezeichnet.

Ergänzendes zur Stadt Pirmasens

Erste urkundliche Erwähnung fand Pirmasens um 850 als "pirminiseusna", angelehnt an den Wanderprediger Pirminius. Der als Stadtgründer geltende Landgraf Ludwig IX. errichtete im heutigen Pirmasens die Garnison für ein Grenadierregiment, es folgten 1763 die Stadtrechte. Am südwestlichen Rand des Pfälzerwalds gelegen und grenznah zu Frankreich ist das über 40.000 Einwohner zählende, rheinland-pfälzische Pirmasens wie Rom auf sieben Hügeln erbaut. In ihrer Blütezeit galt die Stadt als Zentrum der deutschen Schuhindustrie und ist in dieser Branche heute noch wichtiger Dreh- und Angelpunkt; davon zeugen unter anderem der Sitz der DeutschenSchuhfachschule, desInternationalShoe Competence Centers (ISC), die Ausrichtung internationaler Schuhmessen oder der Standort der ältesten Schuhfabrik Europas. Zu den tragenden Wirtschaftsbereichen zählen unter anderem chemische Industrie, Kunststofffertigung, Fördertechnik-Anlagen und Maschinenbau. Pirmasens positioniert sich heute als Ein­kaufsstadt mit touristischem Anspruch und als einziger internationaler Messestandort in Rheinland-Pfalz. Seit 1965 wird eine Städepartnerschaft mit dem französischen Poissy gepflegt.