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29.04.2009 | Arbeitsschutz

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A+A 2009: Hersteller entwickeln Hightech-Lösungen auf dem Gebiet der Nanotechnologien - winzige Teile mit gigantischer Wirkung

Die Nanotechnologie wird als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Sie birgt auch für die Textilindustrie und die Hersteller von Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) große Chancen. Ausgewählte Aussteller der A+A, der international führenden Fachmesse für Persönlichen Schutz, betrieblichen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (3. - 6.11.2009/ Düsseldorf) sind auf diesem Hightech-Fachgebiet schon sehr aktiv hinsichtlich der Entwicklung innovativer Lösungen für Berufs- und Schutzkleidung. Mit Nanomaterialien, die Schmutz und Wasser abweisen, sind sie bereits am Markt erfolgreich.

Grundsätzlich hat die Nanotechnologie zum Ziel, Strukturen und Systeme zu schaffen, die aufgrund ihrer geringen Größe neue Eigenschaften und Funktion besitzen. Dabei sind unter Nanotechnologie systematisch angeordnete funktionelle Strukturen zu verstehen, die aus Teilchen mit größenabhängigen Eigenschaften bestehen. Im Vergleich zu konventionellen Verfahren spart die Nanotechologie Material und verbessert gleichzeitig die Eigenschaften. In der Textilindustrie werden heute, das wird auch ein Rundgang über die A+A 2009 zeigen, meist Nanotechologien/-materialien eingesetzt, die auf chemischem Wege oder mittels mechanischer Methoden hergestellt werden. Die Funktionalisierung textiler Materialien erfolgt in der Regel durch die nachträgliche Ausrüstung der Warenbahn mit Nanopartikeln in einem konventionellen Beschichtungsprozess (mechanisch) oder durch das Einbringen von Nanopartikeln in die Fasermatrix beim Spinnen (chemisch).

Bekannteste Anwendungsbeispiele aus der Praxis sind die Superhydrophobierung (Abweisung von Wasser) und die schmutzabweisende Funktion. In beiden Fällen wird die Oberfläche so verändert, dass Schmutzpartikel nicht an ihr haften bleiben und mit Wasser weggespült werden können. Diese Funktion hat sich der Mensch von der Lotusblüte abgeschaut. Die Erzeugung von so genannten Lotusstrukturen kann für gewöhnlich mittels konventioneller Ausrüstungsverfahren erfolgen: die erste strukturelle Dimension liegt im Mikrometerbereich und ist durch die Fasern des Materials gegeben. Die zweite strukturelle Dimension befindet sich im Nanobereich. Für gewöhnlich bringt man Nanopartikel, meist Siliziumdioxid, mit geeigneten Klebesystemen auf das Material auf. Dann besitzt das Textil bereits hydrophobe Eigenschaften, Wasser perlt also ab. Um darüber hinaus einen oleophobe (schmutzabweisende) Funktion zu bekommen, muss man einem weiteren Schritt Flourcarbone aufbringen. Erst dann ist die Oberflächenenergie so niedrig, dass auch fetthaltiger Schmutz nicht haftet und mit Wasser "abtransportiert" werden kann. Dieser Effekt wird im Allgemeinen als Selbstreinigungseffekt bezeichnet.

Am Markt bereits eingeführt und wohl bekanntestes Beispiel für diesen so genannten Selbstreinigungseffekt ist die von der Firma Schoeller (Schweiz) entwickelte "NanoSphere"-Technologie. Um Stoffbahnen Wasser und Schmutz abweisend auszurüsten, durchlaufen sie in einem einzelnen Arbeitsschritt eine spezifische Flotte, die u. a. mit Nanopartikeln und Fluorcarbonen angereichert ist. Eine spezielle Beschichtungsmatrix bindet die Nanopartikel dabei zum einen auf der Stoffoberfläche und sorgt zum anderen dafür, dass sie sich anhäufen und so eine "hügelige" Oberflächenstruktur bilden. Bei diesem unter hohen Temperaturen durchgeführten Ausrüstungsprozess werden die Nanopartikel fest mit dem Stoff verbunden. Der Selbstreinigungseffekt lässt sich unabhängig vom Basismaterial (Faser oder Oberfläche) auf allen Materialien verwirklichen und kann bei Bedarf durch Wärmebehandlung (Trockner/Bügeln) reaktiviert werden. Nicht nur Unternehmen wie die Schweizer Post, sondern auch die belgische Polizei oder der Zoll profitieren von Bekleidung mit "NanoSphere"-Ausrüstung, die weder die Oberfläche noch die Trageeigenschaften beeinflusst. Besonderer Vorteil: Die Bekleidung muss seltener (und bei niedrigeren Temperaturen) gewaschen werden.

Silberpartikel für viele Einsatszwecke
Um unangenehme Gerüche zu binden, kann man Cyclodextrine, das sind "körbchenförmige" Stärkemoleküle, auf die textile Fläche aufbringen. Diese Körbchen fangen Geruchsmoleküle ein und verhindern so das Entstehen unangenehmer Gerüche. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, Textilien mit Nano-Silberpartikeln antimikrobiell auszurüsten. Dabei wird die Faser entweder silberummantelt oder es werden Silbernanopartikel beim Spinnprozess in die Faser eingebracht oder auch nachträglich mittels einer Ausrüstung auf die Faser aufgebracht. Während des Tragens werden durch die Körperfeuchtigkeit vom metallischen Silber Silberionen abgegeben, die geruchsverursachende Bakterien abtöten.

Im Krankenhauswesen und der Lebensmittelindustrie sind bereits mit Silber dotierte Textilien, wie sie beispielsweise vom Garn- und Gewebe-Spezialisten Lauffenmühle in Lauchringen (ebenfalls A+A-Aussteller) angeboten werden, weit verbreitet. Kleidung aus diesen Stoffen bietet nicht nur Schutz vor Bakterien, sondern auch ein angenehmes Tragegefühl. Unterwäsche, T-Shirts, Kittel und Hosen bleiben länger frisch und bilden gleichzeitig einen wichtigen Baustein im Multibarrieren-System zur Vermeidung von Infektionen. Das Gewebe verliert auch durch häufiges Waschen seine antibakterielle Wirksamkeit nicht.

Zum Schutz vor extrem aggressivem Schmutz, Staub, Viren und Bakterien im Umgang mit anorganischen Chemikalien, Farben und Lacken oder bei Reinigungsarbeiten in der Industrie hat die UVEX Safety Group (Fürth), einer der größten Aussteller der A+A 2009 in Düsseldorf, die Produktgruppe "sil-wear" entwickelt. Die Einweg-Schutzanzüge sind mit dem antimikrobiellen Additiv AgPure® beschichtet. "Die effektiven Konzentrationen von AgPure® sind extrem niedrig und liegen bei 0,01 % Silber", beschreibt Ute Raidel von UVEX die Beschichtung.

Eine antibakterielle Ausrüstung lohnt sich vor allem bei Kleidungsstücken, die oft getragen und nicht oder nur selten und mit Einschränkungen gewaschen werden können wie beispielsweise Krawatten (vom Chefarzt im Krankenhaus), Schuhe oder Feuerwehrbekleidung, Chemikalienschutzanzüge. Sinnvoll ist sie zudem für Rettungsdienste, Krankenhauspersonal und alle Bekleidungsartikel im Leasingbetrieb. Für körpernahe Teile wie Unterwäsche, die ohnehin täglich gewaschen werden, ist eine besondere Ausrüstung eigentlich nicht nötig.

Zukunft könnte weitere Schutzfunktionen bringen
Über diese Beispiele hinaus gibt es mehrere Wirkprinzipien, an deren Umsetzung noch gearbeitet wird. Mithilfe von Indium-Zinn-Oxid als Nanopartikel könnte man Schutzkleidung so ausrüsten, dass sie gegen Elektromagnetismus und Infrarotstrahlen schützt. Um einen Stoff beispielsweise für Petrochemie, Gasversorgung oder Tankstellen antistatisch zu machen, muss man die Faser mit Nano-Rußpartikeln ummanteln oder sie in die Faser einbringen wie es bei Gore-Tex Antistatic (Nano-Carbon-Partikel) der Fall ist. Im Vergleich zu dem heute noch weiter verbreiteten Verfahren, alle par Millimeter Karbon- oder Stahlfilamente in den Faden einzubringen, ist die Ausrüstung mit Nanopartikeln leichter, günstiger, effektiver und haltbarer.

Immer aktueller wird das Thema UV-Schutz. Aufgrund veränderter Umweltbedingungen steigt auch in Mitteleuropa die Intensität der UV-Strahlung kontinuierlich an. Durch die Ausrüstung mit Titandioxid kann man Textilien mit UV-Schutz versehen. Die aufgebrachten Partikel reflektieren und absorbieren UVA und UVB-Strahlung. Da in Chemiefasern schon länger Titandioxid als Weißpigment zur Fasermattierung verwendet wird, weisen Chemiefasern per se schon einen guten Sonnenschutzfaktor auf und brauchen eigentlich keine weitere Ausrüstung. Das ist anders bei Leinen und Baumwolle, die nur ganz geringe Schutzeigenschaften gegenüber UV-Strahlung haben. Durch eine nachträgliche Ausrüstung mit Titandioxid-Nanopartikeln kann der UV-Schutz deutlich erhöht werden, ohne dass sich die angenehmen Trage- und Gebrauchseigenschaften verschlechtern.

Mögliche Materialeigenschaften - Fleckenabbau und Interferenzfarben
Noch in der Entwicklungsphase befindet sich die Ausrüstung von Fleckenabbau durch freie Radikale (Photokatalyse), die in Titandioxid-Partikeln mit besonderer Kristallmodifikation eingebunden sind. Unter UV-Strahlung besitzt das Titandioxid in Anwesenheit von Wasser und Sauerstoff photokatalytische Eigenschaften. Nanoskalige Partikel sind auch hier ob ihrer größeren verfügbaren Oberfläche gegenüber Mikropartikel von Vorteil. Um das Textil selbst vor dem Abbau durch Katalyse zu schützen, muss eine Sperrschicht zwischen Textil und Partikeln eingebracht werden.

Ebenfalls Vision ist die Ausrüstung mit Interferenzfarben, bei denen der Farbeindruck ähnlich wie bei Schmetterlingsflügeln oder dem Perlmutt einer Muschel abhängig vom Einfallswinkel des Lichtes wechselt. Der Stoff könnte also farbig aussehen, ohne dass Farbe benutzt würde. Solche Strukturen sind allerdings sehr fragil und halten allerdings keinerlei Beanspruchung im Gebrauch oder gar durch Wäschen aus.

Nachteil der vielfach praktizierten Beschichtungen ist, dass sie nicht dauerhaft beständig gegen Kratzen, Scheuern und Waschen sind. Mit der Zerstörung der Struktur lässt aber auch die Funktion deutlich nach. Dauerhaft in der Funktion bleiben nur solche Textilien, bei denen Nanopartikel während des Primärspinnprozesses in die Fasermatrix eingebracht werden, also quasi mit ihr verschmolzen wird. Es gibt Verfahren wie die Fasermattierung durch Titandioxid oder das Einbringen von Silberpartikeln in die Faser, die seit langem praktiziert werden. Mit neuen funktionellen Nanopartikeln, die beispielsweise elektrisch leitend, magnetisch oder infrarot-aktiv sind, hat man dagegen noch relativ wenig Erfahrung in der Textilindustrie. Solche Prozesse erfordern im Vergleich zur mechanischen Beschichtung deutlich mehr Knowhow. Darin liegt eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Kleine Teile mit oftmals unerforschter Wirkung
Da Nanopartikel per Definition kleiner als 100 nm sind, haben sie im Verhältnis zum Volumen eine sehr große Oberfläche. Dadurch ergeben sich für viele Stoffe erwünschte neue physikalische und chemische Eigenschaften, aber auch eine erhöhte Reaktivität. Die möglichen gesundheits- und umweltschädigenden Effekte von Nanomaterialien sind von deren Größe, Form, der chemischen Zusammensetzung und vor allem von deren Oberfläche abhängig. "Die in der Textilindustrie üblicherweise eingesetzten Nanomaterialien - sprich Siliziumdioxid, Titandioxid, Silber und Ruß - sind aufgrund ihrer Oberflächenstruktur nicht in der Lage, die Haut zu durchdringen", sagt Dr. Jan Beringer vom Hohenstein Institut in Bönnigheim. "Diese Nanopartikel werden bereits von der ersten Hautschicht abgehalten." Das belegen Untersuchungen im Forschungsprojekt "Nanoderm" von der Universität Leipzig (http://www.uni-leipzig.de/~nanoderm).

Bei aller Hoffnung, die die Nanotechnologie vor allem in Bereichen wie der Computertechnik oder der Medizin weckt, regen sich bei Forschern, Entwicklern und den Verbrauchern immer wieder Bedenken ob der noch weitgehend unerforschten Risiken der kleinen Teilchen. Nur wenn es gelingt, die gesundheitliche Unbedenklichkeit zu attestieren, werden Nanotechnologie-Produkte nachhaltig vom Verbraucher akzeptiert werden. Für den textilen Sektor wie er sich etwa im Rahmen der Branchenmesse A+A präsentiert, hat das Hohenstein Institut deshalb ein Qualitätslabel für Nanotechnologie entwickelt. Anhand standardisierter Laboruntersuchungen lässt sich so die Gewebeverträglichkeit (Zytotoxizität) belegen und etwaige Sensibilisierungs- und Irritationspotentiale sowie das Erbgut schädigende Potenziale (Genotoxizität) von textilen Ausrüstungen bestimmen. Dieses Qualitätssiegel bietet Industrie, Handel und Verbrauchern die Sicherheit, dass das ausgezeichnete Produkt über eine auf Nanopartikeln beruhende Zusatzfunktion verfügt und dabei nachweislich gesundheitlich unbedenklich ist.

Informationen zur A+A 2009 und ihren Ausstellern und Produkten sind online abrufbar unter: http://www.AplusA-online.de