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19.05.2008 | Abfallsysteme

Schlampige Entsorgung alter Kühlgeräte belastet weiter die nationale Klimabilanz

Deutschland unter den Schlusslichtern bei der Kühlgeräteentsorgung in Europa - Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlicht neue Berechnungen über Emissionen des Klimakillers FCKW

Die mangelhafte Entsorgung ausrangierter Kühlgeräte in Deutschland belastet die Atmosphäre nach wie vor weit über das technisch unvermeidbare Maß hinaus. Angeheizt wird der Befund durch die hohe Zahl derzeit verschrotteter Kühl- und Gefriergeräte aus den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen noch die heute verbotenen, extrem klimaschädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) eingesetzt wurden.

Von der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) bei den statistischen Ämtern der Bundesländer recherchierte Daten belegen, dass im Jahr 2006 erneut deutlich weniger als die Hälfte der FCKW-haltigen Kühl- und Schäumungsmittel aus Kühlgeräten kontrolliert entnommen und entsorgt wurden. Damit ist gegenüber den Vorjahren 2004/2005, für die die DUH die entsprechenden Daten erstmals erhoben hatte, praktisch kein Fortschritt erkennbar. Als Stand der Technik gelten mindestens 90 Prozent schadlose FCKW-Entsorgung, die in anderen EU-Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Österreich oder Luxemburg auch erreicht werden. In Deutschland gilt ein Minimierungsgebot bei den FCKW-Emissionen, das laut Bundesumweltministerium im Ergebnis sogar höhere Entnahmequoten als 90 Prozent zur Folge haben müsste.

"Zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen bei der Kühlgeräteentsorgung in Deutschland Welten. Deshalb kommt es jetzt darauf an, die Entsorgungsanlagen und den Verbleib der ausrangierten Geräte schärfer zu kontrollieren und die verantwortlichen Entsorgungsunternehmen zu einer vollständigen Massenbilanz aller ein- und ausgehenden FCKW zu veranlassen", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Gleichzeitig müssten die Entsorger für ihre Leistungen aber auch so bezahlt werden, "dass ein Anreiz entsteht, die extremen Klimakiller in den alten Kühlgeräten bis an die Grenze des technisch Möglichen schadlos zu entsorgen."

Die DUH hatte im vergangenen Jahr erstmals die massiven Mängel bei der Kühlgeräteentsorgung in Deutschland aufgedeckt und in der Folge eine intensive Diskussion mit Behörden sowie mit Herstellern und Entsorgern von Kühlgeräten ausgelöst. Ergebnis: In den Jahren 2004 und 2005 wurden durchschnittlich nur zwischen 42 und 45 Prozent der klimaschädlichen FCKW-haltigen Kühl- und Schäumungsmittel, die außerdem ursächlich sind für die Ausdünnung der Ozonschicht in der Stratosphäre, aus den alten Kühlgeräten ordnungsgemäß entnommen und entsorgt.
Die rechtlich vorgeschriebene Behandlung nach dem Stand der Technik würde mehr als eine doppelt so hohe FCKW-Entnahmequote verlangen. Nach intensiven Diskussionen mit Vertreterinnen und Vertretern der Entsorgungswirtschaft, des Bundes und der Länder hat die DUH die FCKW-Bilanzen mit einer weiter verfeinerten Berechnungsmethodik für das Jahr 2006 erneut erhoben. Im Ergebnis lagen die deutschen Kühlgeräteentsorger - trotz kleinerer Verbesserungen gegenüber den Vorjahren in mehreren Bundesländern - mit einer durchschnittlichen FCKW-Entnahme von nur 45 Prozent aus den Altgeräten immer noch weit hinter dem in Deutschland geforderten und in anderen EU-Staaten auch erreichtem Stand der Technik.

Die DUH-Statistik beruht auf den Angaben von insgesamt neun Bundesländern, die auf Gesamtsdeutschland hochgerechnet wurden. In sechs Bundesländern unterliegen die Zahlen aus für die DUH nicht nachvollziehbaren Gründen teilweise der Geheimhaltung, in einem Land gibt es keine Anlage zur FCKW-Entnahme aus Kühlgeräten.
Wegen der extrem hohen Treibhauswirkung der FCKW (sie wirken bis 10.720 stärker erwärmend als das Haupttreibhausgas Kohlendioxid) tragen die Emissionen aus dem Kühlgeräterecycling signifikant zur Klimaerwärmung bei. In Österreich werden nachgewiesenermaßen 91 Prozent der FCKW aus Alt-Kühlgeräten kontrolliert entnommen und schadlos verwertet. Legt man diesen Wert als Maßstab zugrunde, werden aus ausrangierten deutschen Kühlgeräten durch schlampiges Recycling jährlich FCKW mit einer Treibhauswirkung von 3,1 Millionen Tonnen CO2 unnötig in die Atmosphäre entlassen.

Seit Inkrafttreten des Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) im März 2006 sind nicht mehr die Kommunen sondern die Hersteller der Geräte für die ordnungsgemäße Verwertung beziehungsweise Entsorgung der Geräte verantwortlich. Die Berechnungen der DUH bestätigen Befürchtungen, dass der Wechsel der Verantwortlichkeit für das Kühlgeräterecycling keinerlei Fortschritt bei der Qualität der Entsorgung erbringt.
Teilweise verantwortlich für die Misere ist nach Überzeugung der DUH die derzeitige Kosten- und Erlöstruktur bei der Kühlgeräte- und FCKW-Entsorgung, die die geradezu dazu animiert möglichst wenig FCKW zu entnehmen und anschließend schadlos zu verwerten.
Resch: "Wer heute in diesem Geschäft bleiben will, muss praktisch schlecht operieren und wenig FCKW zurückgewinnen. Unseriöse Entsorger gewinnen, seriöse verlieren. Wir erleben eine klassische Fehlsteuerung zulasten der Ökologie." Der Grund liegt darin, dass die Entsorgung von FCKW aus Kühlgeräten einen bedeutenden Kostenfaktor darstellt, der auch von den steigenden Rohstoffpreisen und folglich steigenden Erlösen für einzelne Fraktionen aus dem Kühlgeräterecycling nicht kompensiert wird.
Konkret: Für die Entsorgung eines Kühlgerätes erhalten deutsche Unternehmen von den Geräte-Herstellern derzeit nur noch etwa zwei Euro, mit weiter sinkender Tendenz. Vor Inkrafttreten des ElektroG rechneten die Geräte-Hersteller noch mit einem fünffachen Entsorgungsaufwand.
Nach Brancheninformationen kostet ein seriöses, umweltgerechtes Kühlgeräterecycling tatsächlich rund acht Euro. Diese Summe liegt etwa in der Höhe der Entsorgungskosten in Österreich, wo 91 Prozent der FCKW nachweislich aus den Kühlgeräten zurück gewonnen werden. Dabei tragen die Kosten für die schadlose FCKW-Entsorgung allein bis zu 60 Prozent zu den Gesamtentsorgungskosten eines Kühlgeräts bei."

"Vor dem Hintergrund des bedrohlichen Kostendrucks erscheint es nicht überraschend, dass die Bereitschaft in der Branche zur akribischen Einhaltung und Überprüfung verbindlicher Qualitätsstandards nachlässt" gibt Maria Elander, die Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH, zu bedenken. Das werde auch von unabhängigen Branchenexperten bestätigt.
Dr. Erhard Hug, einer der renommierten Prüfer von Kühlgeräterecyclinganlagen in Europa, stellt in einem Schreiben an die DUH fest: "Viel FCKW zurückgewinnen verlangt nach gut ausgebildetem Personal, regelmäßiger Wartung der Anlagen und verursacht teure FCKW-Entsorgungskosten. Das sind Zusatzkosten, welche in einem strengen Preiskampf nicht motivieren, hohe Rückgewinnungsmengen an FCKW zu erzielen. Dies ist insbesondere in Deutschland ein Problem, wo das Preisniveau für die Entsorgung von Kühlgeräten so tief liegt, dass die Unternehmungen Zusatzkosten für gute Leistungen zur FCKW-Rückgewinnung zu vermeiden versuchen."

Eine "Lösung" des beschriebenen Dilemmas ist die schlampige Entsorgung, bei der große Anteile der in Kühlgeräten enthaltenen Treibhausgase aus undichten Anlagen in die Atmosphäre gelangen. Eine andere ist die illegale Entsorgung, über die das Wirtschaftsmagazin "Capital" in seiner am kommenden Mittwoch veröffentlichten Ausgabe berichtet. Danach werden viele Kühlgeräte einfach über Schredderanlagen billig entsorgt, wobei die FCKW-Belastung praktisch vollständig in die Umwelt gelangt.
Elander: "Beide Wege tragen zur Aufheizung der Atmosphäre bei und beide sind geeignet, unsere erbärmlich schlechte FCKW-Bilanz für das Jahr 2006 zu erklären."
Die schlampige Entsorgung geschieht offenbar, obwohl deutsche Kühlgeräterecyclinganlagen über einen nachgewiesen hohen Standard verfügen. In der Theorie sind diese Anlagen weitgehend dicht und in der Theorie werden den Kühlgeräten mindestens 90 Prozent der enthaltenen FCKW entnommen. Entsprechende Gutachten praktisch aller Entsorger liegen vor - was jedoch nichts daran ändert, dass in der Bilanz viel zu wenig zurück gewonnenes FCKW erscheint.
Ein Teil des Defizits lässt sich über die von "Capital" aufgedeckten illegalen Praktiken erklären. Nach Hinweisen aus der Entsorgungsbranche haben Mitarbeiter der DUH zwei Schredderbetriebe besucht, Proben entnommen und auch mit Hilfe einer Fotodokumentation die illegale Entsorgung von Kühlgeräten festgestellt. Die Verstöße wurden den zuständigen Behörden gemeldet. Für die DUH liegt das Problem bei der Kontrolle, die derzeit einmal jährlich auf Basis der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) erfolgt. So werde zwar die Funktionstüchtigkeit und die Einhaltung des Standes der Technik grundsätzlich nachgewiesen, nicht jedoch der ordnungsgemäße Betrieb jenseits des Prüfzeitpunkts.
"Wo Kontrolle nur sporadisch einmal im Jahr erfolgt, finden teuer zu entsorgende Abfälle wie FCKW offenbar andere Wege, sei es durch unkontrollierte Emissionen aus nicht ordnungsgemäß betriebenen Anlagen oder gleich über die illegale Entsorgung von Kühlgeräten", sagt Elander.

Nach Überzeugung der DUH ist auch eine qualitative Verbesserung der Kontrolle, um die sich der Bund und einige Bundesländer derzeit bemühen, nicht ausreichend geeignet das grundsätzliche Problem zu lösen. Was im Jahreslauf zwischen den Kontrollen geschehe, sei so nicht in den Griff zu bekommen. Dazu müssten den Anlagenbetreibern "obligatorische jährliche Massenbilanzen aller ein- und ausgehenden FCKW" zwingend vorgeschrieben werden, verlangt die DUH.
Elander: "Die Ausweisung von Stoffbilanzen ist in anderen Ländern gängige Praxis. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum das nicht auch in Deutschland möglich sein sollte." Auf Basis der Stoffstrombilanzen könnten die zuständigen Behörden dann mit geringem Aufwand feststellen, ob der Stand der Technik in den Anlagen kontinuierlich eingehalten wird.

 

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