Public Manager
05.03.2008 | Umfragen

Mehr Wachstum, weniger im Geldbeutel

Die Teilzeitarbeit nimmt stetig zu. Ohne Mini- und Ein- Euro-Jobs lag ihr Anteil 2006 bei 17,6 Prozent. Diese Entwicklungen setzten die Löhne für reguläre Beschäftigung unter Druck. Dazu kamen die Kombilohnregelungen der Mini- und Midijobs sowie die Aufstockungsmöglichkeit von Hartz IV.

"Das Problem ist für Deutschland von besonderer Bedeutung, weil im Gegensatz zu Frankreich keine Lohnuntergrenze in Form eines Mindestlohns existiert", warnen die Ökonomen: So geben die Möglichkeiten zur Aufstockung für Bezieher von Arbeitslosengeld II den Unternehmen faktisch uneingeschränkte Möglichkeiten, die Löhne auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler nach unten zu drücken.

Die Modellsimulationen des IMK zeigen: Allein aufgrund der geringeren Lohnsteigerungen in den vergangenen drei Jahren büßten die realen Nettolöhne pro Beschäftigtem rund dreieinhalb Prozent ein. Die niedrigen Löhne halfen zwar dem Export. Doch schadeten sie dem privaten Verbrauch - mit 55 Prozent immer noch die größte Komponente der wirtschaftlichen Entwicklung. Das schmälerte das Wirtschaftswachstum um einen halben Prozentpunkt. Die Finanzpolitik setzte noch eins drauf: Gekürzte Transferzahlungen und höhere Mehrwertsteuer drückten das Wachstum 2007 um bisher knapp einen Prozentpunkt, so die Berechnungen.

Viele Experten erwarten, dass Deutschlands Konsumenten in diesem Jahr die Konjunktur auf Kurs halten können und müssen - angesichts der Finanzmarktturbulenzen und einer drohenden Rezession in den USA. Das IMK ist skeptisch: Es rechnet auch 2008 gesamtwirtschaftlich nur mit einem moderaten Lohnanstieg. "Zudem sind die Beschäftigten gezwungen, einen Teil ihres Nettoeinkommens zu sparen, um das in Zukunft sinkende Rentenniveau auszugleichen." Im Unterschied zu früheren konjunkturellen Boomphasen sind die Einkommen der privaten Haushalte im jüngsten Aufschwung kaum gestiegen.

Mit Hilfe von ökonometrischen Simulationen spürten die Forscher des IMK den Gründen dafür nach. Ihr Ergebnis: Von erheblicher Bedeutung ist das deutliche Zurückbleiben der Lohnentwicklung hinter dem Wachstum von Produktivität und Inflation. In einem ersten Schritt ermittelten die Ökonomen die Zeiträume für den jüngsten und den vorhergegangenen Aufschwung: Der vorherige begann im Frühjahr 1998 und dauerte elf Quartale, der jetzige fing Ende 2004 an. In beiden Phasen entwickelte sich das Wachstum preisbereinigt sehr ähnlich. Ein markanter Unterschied: Die wirtschaftliche Erholung war diesmal fast ausschließlich vom Export getrieben. Die Binnennachfrage, besonders der private Verbrauch, blieb unter dem für eine Boomphase üblichen Niveau. Der Grund hierfür liegt in der Einkommensentwicklung: Inflationsbereinigt stagnierte das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. "Damit hat der Begriff Konjunkturaufschwung eine neue Qualität", schreibt das IMK: "Wachstum ohne Einkommenszuwachs". Noch im vorigen Aufschwung hatte preisbereinigt das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte immerhin um sieben Prozent zugenommen - genauso stark wie das Wirtschaftswachstum.

In diesem Boom entwickelten sich die einzelnen Einkommensbestandteile unterschiedlich: Unternehmer, Selbstständige, Aktienbesitzer und andere Kapitaleigner konnten sich über stetig steigende Einnahmen freuen, die auch von der Inflation nicht aufgezehrt wurden. Transfers an die privaten Haushalte - Renten, Kindergeld, BAföG und andere staatliche Zahlungen - gingen preisbereinigt um fast 6 Prozent zurück. Im vorherigen Aufschwung waren die Leistungen noch um rund 4 Prozent gestiegen. Die Nettolöhne sanken um 1,5 Prozent, nach einem Zuwachs von gut 8 Prozent. Das bedeutet: Dieser Aufschwung ist bisher vor allem denjenigen zugute gekommen, die einen Job gefunden haben. Und den Vermögensbesitzern - eine relativ kleine Gruppe: Zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung haben kein oder nur geringes Vermögen, während das reichste Zehntel knapp 60 Prozent besitzt. Für die meisten Arbeitnehmerhaushalte ist der Arbeitsverdienst die dominierende Einkommensquelle.

Auch die Beschäftigung entwickelte sich im jüngsten Aufschwung mit einer Zunahme von zwei Prozent nicht übermäßig stark. Die Zahl der Arbeitslosen ging zwar um gut 700.000 Personen zurück. Dies liegt jedoch auch daran, dass geburtenstarke Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden. "Die versprochene Beschäftigungsdividende für Lohnmoderation und Arbeitsmarktflexibilisierung fiel damit aus", konstatieren die IMK-Forscher.

Ausgebreitet haben sich vor allem atypische Beschäftigungsformen: Zwischen 1994 und 2006 hat sich der Anteil der Zeitarbeit an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung vervierfacht. 2006 waren 14,5 Prozent aller Arbeitsverträge befristet. Bei Deutschlands Arbeitnehmern ist der Aufschwung der vergangenen drei Jahre nicht angekommen. Nach Abzug von Steuern und Abgaben blieb die Lohnentwicklung je Beschäftigtem sogar hinter der Inflation zurück, zeigt eine Untersuchung des IMK.

* KONJUNKTUR *Quelle: Gustav Horn, Camille Logeay, Rudolf Zwiener: Wer profitierte vom Aufschwung?, IMK Report Nr. 27 März 2008 Download und Quellendetails: www.boecklerimpuls.de