Public Manager
20.12.2008 | Wasser und Abwasser

AöW: Vergaberecht Bund gegen kommunale Selbstverwaltung, öffentliche Daseinsvorsorge und Mittelstand

Der Beschluss des Wirtschaftsausschusses des Bundestages über ein neues Vergaberecht und die damit verbundene Beschneidung der kommunalen Rechte ist völlig unverständlich und stellt eine neue Qualität im Kampf um die öffentliche Daseinsvorsorge dar - erklärte aktuell der Präsident der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft Dr. Jochen Stemplewski.

"Hier wird die kommunale Selbstverwaltung frontal vom Bund angegriffen, ganz so, als seien die letzten Wochen, die bei den meisten Menschen zu einer neuen Sichtweise auf Privatisierungswahn geführt haben, spurlos am Bundestag vorbei gegangen."

Zukünftig sollen Kooperationen von Kommunen und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts ausgeschrieben werden, so als würden öffentliche Aufträge an private Unternehmen vergeben. Während allerorten ein ausgewogenes Verhältnis von öffentlicher und privater Wirtschaft gesucht wird, ist das neue Vergaberecht ein Schritt zurück in die reine Marktgläubigkeit. Der Bund greift damit erheblich in die Gestaltung der Länder ihres jeweiligen Kommunalrechts ein. Die Länder sollten im Bundesrat ihre Stimme gegen das Vergabegesetz erheben.

Bisher war die Kooperation von Körperschaften des öffentlichen Rechts im Vergaberecht nicht geregelt, weil es auch keinen Grund dazu gibt. Nun versucht der Bundestag einen tiefen Einschnitt in die Entfaltungsmöglichkeiten öffentlicher Wirtschaft, die gerade angesichts der aktuellen Diskussionen um die Rolle der öffentlichen Hand bei der Sicherung gesellschaftlicher Grundfunktionen absurd wirkt. Mehr Sicherheit für die Daseinsvorsorge ist gefragt und nicht neoliberales Stückwerk.

Die öffentliche Wasserwirtschaft, aber auch die anderen Bereiche der Daseinsvorsorge, sehen mit großer Sorge weitreichende Einschränkungen für ihre Arbeit, die sie in der Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger leisten. Eine angebliche Gleichstellung mit Privaten ist tatsächlich eine massive Schlechterstellung, schließlich sind die Kommunen nicht erwerbswirtschaftlich tätig und unterliegen daher schon massiven Regulierungen und öffentlicher Kontrolle, die für die Privatwirtschaft nicht gelten.

Die Privaten stützen sich bei ihrer Argumentation auf eine Rechtsauffassung, nach der die Kooperation öffentlich-rechtlicher Körperschaften gegen das europäische Vergaberecht verstößt. Diese Verlautbarungen sind nicht neu, werden aber auch durch noch so häufige Wiederholung nicht richtig. Erst jüngst hat der Europäische Gerichtshof mit Entscheidung vom 13. November 2008 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass interkommunale Kooperationen auch nach geltendem europäischen Vergaberecht ausschreibungsfrei sein können. Dies stellt zum wiederholten Male eine Bestätigung der Rechtsauffassung auch der kommunalen Spitzenverbände dar, dass Kooperationen von Kommunen und öffentlichen Körperschaften als Akte der internen Staatsorganisation auch nach der europäischen Verfassung nicht dem Vergaberecht unterworfen sind. Diese Auffassung hat auch im Entwurf des Gesetzes noch der Bundeswirtschaftsminister mit getragen.

Die Tradition der in der kommunalen Selbstverwaltung verwurzelten Organisationsformen muss gesichert werden. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss weiterhin effizient und bürgernah auch dort erbracht werden, wo optimierte Betriebsgrößen kostengünstiger und besser durch die Zusammenarbeit bereitgestellt werden können. Gerade angesichts der Herausforderungen des demographischen Wandels müssen die Gemeinden ihre Handlungsfreiheit behalten, wenn sie ihre Aufgaben weiterhin zu angemessenen Preisen und guter Qualität erbringen sollen.

Vor allem der Mittelstand ist bei dem bisherigen Verfahren im Vorteil. Die öffentliche Wasserwirtschaft investiert Jahr für Jahr rd. 8 Milliarden Euro, das meiste davon geht über öffentliche Ausschreibungen an den Mittelstand. Ist erst einmal die Daseinsvorsorge in den Händen privater Konzerne, gibt es weder öffentliche Ausschreibungen noch Auftragsvergaben an den regionalen Mittelstand.